5 Sterne
Amerika liebt Wiederauferstehungen von gebrochenen Menschen. Das berühmteste Beispiel war wohl Muhammad Alis furioses Comeback mit dem Jahrhundertkampf "The Rumble in the Jungle". Um die Unmöglichkeit von Comebacks noch zu zementieren, gilt in fast jedem amerikanischen Business die Regel "They never come back!", sodass eine Rückkehr noch sensationeller erscheint. So ein Rückkehrer ist nun Mickey Rourke. Der Schauspieler hatte jahrelange Probleme mit Alkohol und Drogen und ging in Hollywood ganz unter. Und nun? Dank Darren Aronofsky steht Rourke wieder ganz oben - höher als zuvor.
Die Rührung war Mickey Rourke bei den Golden Globes anzumerken. Die Leute applaudierten dem Sinnbild für amerikanisches Heldentum stehend. Zwar wurde seine Rolle in Sin City bereits als Comeback gewertet, doch sein Engagement in The Wrestler hat nun auch noch die letzten Skeptiker überzeugt. Ob er diesen Status halten kann, ist sicherlich ungewiss, doch immerhin darf man ihn wieder respektieren. Gemeinsam mit Marisa Tomei und Evan Rachel Wood bestreitet er ein tief gehendes, einfühlsames, aber gleichzeitig auch intensives Drama von Darren Aronofsky, der nach The Fountain und Requiem for a Dream wieder von sich reden macht. The Wrestler, geschrieben von Robert D. Siegel - einem No-Name, was Drehbücher anbelangt - überzeugt zwar nicht durch eine überaus originelle Geschichte, aber mit starken Darstellern und einem beeindruckenden Tiefgang. Randy "The Ram" Robinson wird von Mickey Rourke brillant verkörpert. Jedem Zuschauer wird auffallen, dass viel von Rourke selber in dieser Figur steckt, was sich positiv auf dessen Schauspielleistung auswirkt. Er spielt den schwächelnden Koloss glaubwürdig, ehrlich und unglaublich intensiv. Rourke hat die Kraft, den Zuschauer mitweinen zu lassen, wenn er in einer der bewegendsten Szenen des Films sagt "I'm an old broken down piece of meat and I'm all alone. I deserve to be all alone. I just don't want you to hate me.". Das Kunststück ist, dass - wohl nicht zuletzt wegen Mickey Rourkes Schauspiel - derartige Szenen nicht kitschig wirken, sondern authentisch und von Grund auf ehrlich. Rourke hat sich mit The Wrestler zweifellos ein Denkmal gesetzt, welches lange überdauern wird. Seine Schauspielpartnerinnen Marisa Tomei, die in ihren Filmen auffällig viele Nacktszenen zu spielen hat, und Evan Rachel Wood verblassen keineswegs. Beide spielen unsichere Frauentypen, die einen starken Einfluss auf den noch unsichereren Randy haben - Tomei die Stripperin Cassidy, Wood seine Tocher Stephanie. Obwohl der Film figurentechnisch das Rad nicht gerade neu erfindet, machen die Schauspieler diesbezügliche Mängel mühelos wett. Dass dies auch zumindest teilweise dem Drehbuch zu verdanken ist, ist klar. Robert D. Siegels Drehbuch besticht durch eine prägnante - zugegeben, etwas abgedroschene - Story mit einigen Wendungen, die einfach nachzuvollziehen sind und ganz und gar dem aristotelischen Drama entsprichen - da hat jemand im Englischunterricht aufgepasst! Sehr gut gelungen sind Siegel ausserdem die Stellen, die auch die Filme seines Namensvetters Don unvergleichlich machten: die humorvollen Szenen. Hie und da darf in The Wrestler nämlich auch herzhaft gelacht werden. Etwa wenn sich Randy und Cassidy über die 90er Jahre aufregen oder die einfache Tatsache, dass im Wohnwagen des grossen Wrestlers noch ein SNES steht und benutzt wird. Diese Szenen sind aber nicht nur dazu da, empfindliche Leute zufriedenzustellen, sondern sie dienen dazu, den Film noch menschlicher und berührender zu machen. Für Sportfans hat The Wrestler sehr viel zu bieten. Zwar gibt es "nur" drei Wrestling-Kämpfe zu bestaunen, doch diese genügen, um dem Publikum vor Augen zu führen, um was für eine Subkultur es sich bei diesem Sport handelt. In den Umkleidekabinen treiben sich schräge, aber im Grunde sehr sympathische Menschen herum, die diesen Lebensweg gewählt haben und davon nicht mehr so einfach loskommen. Auch die Kehrseite wird angesprochen - Steroide und andere Aufputschmittel, die zum Wrestling dazugehören.
Eingefangen wurde The Wrestler sehr stimmig. Kamerafrau Maryse Albertini zeigt hier ihre ganze Erfahrung. Ihre Aufnahmen der grauen Küste von Connecticut sind ebenso spektakulär, aber dennoch bescheiden, wie die harten Bilder von den Kämpfen.
Abgerundet wird das Ganze vom wunderschönen, im Abspann laufenden Song "The Wrestler", für welchen Bruce Springsteen prompt mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde und welcher in starkem Kontrast zum restlichen, Hard-Rock-lastigen Soundtrack steht.
Hat man von den ewigen Comebackfilmen wie Cinderella Man oder Rocky Balboa genug, dann dürfte The Wrestler eine angenehme Abwechslung sein. Getragen wird der Film ganz eindeutig von Mickey Rourke, der seine Sache aber mehr als gut macht. Alles in allem ist The Wrestler das erste grosse Highlight des Kinojahres 2009 und wird hoffentlich viel Erfolg haben. Denn wer ohne penetrant auf die Tränendrüse zu drücken, dennoch Tränen im Publikum erzeugen kann, der verdient den Erfolg.
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