Donnerstag, 19. April 2012

The Lady

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Mit einem für ihn ungewöhnlichen Projekt meldet sich Luc Besson im grossen Stil als Regisseur zurück. Im mit grosser Begeisterung vorgetragenen Biopic The Lady verneigt er sich vor der burmesischen Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi.

Zu den ersten Lektionen, welche ein angehender Filmemacher lernen muss, gehört, dass ein durch ein Objektiv betrachteter Gegenstand aufhört, der Realität anzugehören. Dies hat sich Luc Besson in seiner nun schon 31 Jahre währenden Karriere stets zu Herzen genommen und immer gekonnt mit Überzeichnung und -stilisierung operiert, mal erfolgreich, mal weniger. Es überrascht demnach also nicht, dass er The Lady nicht als rundum wahre Geschichte verkauft – trotz akribischer Recherche, einschliesslich eines Gesprächs mit Aung San Suu Kyi –, sondern vielmehr als "based on a true story". Trotzdem: Die Kerninformationen, die der Film in kurzweiligen 135 Minuten darlegt, sind sehr akkurat.

Suu Kyi (Michelle Yeoh), Tochter des burmesischen Freiheitskämpfers und Staatsgründers Aung San (1915–1947), lebte viele Jahre mit ihrem Mann Michael (der hervorragende David Thewlis) und ihren Söhnen im englischen Oxford. Als ihre Mutter 1988 einen Schlaganfall erleidet, reist sie in ihr Heimatland zurück, wo sie mitansehen muss, wie ein Studentenaufstand blutig niedergeschlagen wird. Sie beschliesst, ihr Leben der Demokratiebewegung ihres Landes zu widmen, was ihr zwar unter anderem den Friedensnobelpreis einbringt, sie aber auch zum Feindbild der Militärjunta unter General Than Shwe (Agga Poechit) macht, welche sie mehrfach unter Hausarrest stellt und ihrer Familie die Einreise verwehrt.

Ruhiger Widerstand: Eine Wahlkampfveranstaltung Aung San Suu Kyis (Michelle Yeoh) wird vom burmesischen Militär gestört.
Während sich die Frauen in Bessons bisheriger Filmografie nicht selten durch einen ausgesprochenen Hang zur Brutalität hervortaten – von Anne Parillauds Nikita über Natalie Portman in Léon bis hin zu Milla Jovovichs Jeanne d'Arc –, ist Suu Kyi eine stille Kämpferin, die mit eiserner Disziplin für ihre Sache einsteht. Dass dabei ganz bewusst Parallelen zum Leben Mahatma Gandhis gezogen werden, ist angesichts ihrer beeindruckenden Leistungen absolut folgerichtig. Dennoch wirkt das Ganze stellenweise etwas gar pathetisch, sodass einen mehrfach das Gefühl beschleicht, man wohne weniger einem Biopic und mehr einer Hagiografie bei. Zudem macht sich Besson des Vergehens schuldig, gewisse Elemente seiner Geschichte, welche schlussendlich eher stoppt statt endet, zu stark zu vereinfachen, wobei sich auch sein Flair für die Stilisierung bemerkbar macht. Aung Sans Ermordung wird zur elegant komponierten Stilübung; und Than Shwe wird zum korrupten Bösewicht im Stile von Gary Oldmans Stansfield (Léon).

Suu Kyi jedoch bleibt so natürlich, wie es das von hölzernen Dialogen durchsetzte Drehbuch erlaubt, nicht zuletzt dank Michelle Yeohs Darstellung. Zwar tut sich die Malaiin, die hier in die Fussstapfen Adelle Lutz' tritt, welche die Friedensnobelpreisträgerin bereits 1995 in John Boormans Beyond Rangoon verkörperte, in den Passagen auf Burmesisch schwer, doch es gelingt ihr vorzüglich, ihrer Figur die Strahlkraft der Realvorlage zu verleihen.

The Lady hätte womöglich besser funktioniert, wäre er einige Monate später erschienen, da er dann den grossen Sieg der Partei Suu Kyis bei den Nachwahlen in Burma hätte beinhalten können. So aber ist Bessons 14. Film ein unvollkommenes, aber durchaus anregendes, Biopic und obendrein sein bestes Werk seit Jahren.

★★★

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