Nachdem er in seinem letzten Film den Zweiten Weltkrieg
uminterpretiert hat, kombiniert Kult-Regisseur Quentin Tarantino in Django Unchained nun den Spaghetti-Western mit dem schwarzen
Exploitationfilm der Siebzigerjahre. Was resultiert, ist zwar
unterhaltsam, aber auch trivial.
Texas, 1858: Der deutsche Emigrant Dr. King Schultz (Christoph Waltz)
ist gelernter Zahnarzt, hat sich aber schon vor Jahren einem weitaus
lukrativeren Geschäft verschrieben. Als Kopfgeldjäger zieht er
durch das Land, spürt gesuchte Verbrecher auf, tötet sie und
liefert sie beim zuständigen Sheriff-Posten ab. Auf der Suche nach
drei gerissenen Brüdern braucht er die Hilfe des Sklaven Django
(Jamie Foxx), da nur dieser das Trio identifizieren kann. Also
befreit er ihn kurzerhand aus den Fängen zweier Sklavenhändler und
macht ihn zu seinem Partner. Bald schon erkennt Schultz das enorme
Talent seines Schützlings im Umgang mit Schusswafen, woraufhin er
ihm einen Handel anbietet: Begleitet Django ihn einen Winter lang,
dann hilft er ihm im Frühling dabei, seine Frau Broomhilda (Kerry
Washington) von der Plantage des exzentrischen Calvin Candie
(Leonardo DiCaprio) zu retten. Gesagt, getan: Unter einem Vorwand
schleusen sich die beiden auf Candies Plantage ein, doch der
Haussklave Stephen (Samuel L. Jackson) traut der Sache nicht.
Das Kerngeschäft des Quentin Tarantino ist nicht das Erzählen von
guten Geschichten, sondern das Erfinden und Inszenieren von einzelnen
Situationen und Szenen, die dem Publikum herzhaftes Gelächter und
anerkennende Pfiffe entlocken. Erinnert man sich en détail an die
Handlungen von Reservoir Dogs, Pulp Fiction oder auch Inglourious Basterds, dem wohl besten Film Tarantinos?
Wahrscheinlich nicht. Hängen geblieben sind wohl eher der finale "Mexican Standoff", Samuel L. Jacksons bibelfester Killer oder
die Exekution Adolf Hitlers. Dass Tarantino dieses Geschäft
beherrscht, ist unbestritten, doch leider generiert er damit nicht
sonderlich befriedigendes Kino. Der Grossteil seiner Filmografie ist
geprägt von Zitaten und Hommagen; gerne imitiert er seine
cineastischen Vorbilder. Das kann funktionieren, ja hervorragend
unterhalten – knapp die Hälfte seiner Filme verdienen das Verdikt "Gut" –, doch Substanz, Innovation und positive menschliche
Emotion bleiben meist aussen vor. Django Unchained bildet dabei
(fast) keine Ausnahme.
Erfolgreiche Kopfgeldjäger: Django (Jamie Foxx, links) und Dr. King
Schultz (Christoph Waltz) ziehen durch den Wilden Westen.
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Zwar ist Tarantinos neues Genre-Epos der erste Film in seinem Werk,
in dem so etwas wie Gefühl zu finden ist. King und Django, Christoph
Waltz und Jamie Foxx, geben ein prächtiges Duo ab, das nicht nur zum
Mitfiebern einlädt, sondern in gewissen Szenen sogar das Herz
berührt, etwa wenn Schultz seinem kindlich interessierten Partner am
Lagerfeuer die Legende der Nibelungen erzählt. Es sind Momente wie
dieser, die erahnen lassen, wozu Tarantino mit seinem Schreibtalent
fähig wäre, wenn er sich nicht so leicht vom simplen Knalleffekt
ablenken liesse. Natürlich ist es ungerecht, einem Regisseur seinen
Stil partout zum Vorwurf zu machen, doch Django Unchained
tauscht seinen menschlichen Kern allzu bereitwillig gegen
sensationslustige Schiessereien und letztlich leere, aber dafür
nicht minder ausgedehnte – der Tod von Tarantinos langjähriger
Schnittmeisterin Sally Menke macht sich schmerzlich bemerkbar –,
Dialoge ein, welche in seiner Karriere über die Jahre mehr und mehr
zum Selbstzweck verkommen sind.
Zweifellos ist die Farce lohnenswerter Kintopp: Wenn Django in der
Tradition von The Legend of Nigger Charley oder Django –
Franco Nero, der originale Darsteller der Figur, hat einen unnötigen,
aber angenehm augenzwinkernden Gastauftritt – gegen seine Feinde zu
Felde zieht, fällt es schwer, nicht mitgerissen zu werden. Doch dem
Film fehlt es am Gespür für den Western, um wirklich zu begeistern,
an der letzten Konsequenz, um restlos zu überzeugen –
Ur-Django-Regisseur Sergio Corbucci wirkt im Vergleich wie ein
Meister des Subtexts. Django Unchained ist, wie die meisten
Tarantino-Streifen, eine Ansammlung von einprägsamen Szenen und
filmischen Verneigungen, die sich nie zu einem substanziellen Ganzen
zusammenfügen wollen.
★★★
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