Zu erkennen, wann die Zeit zum Aufhören gekommen ist, und daraus die
entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, ist eine Tugend. John McClane
und die Die Hard-Franchise mussten sich diese Frage dank
durchgehend solider Einträge bislang zwar nicht stellen, doch John
Moores fünfter Teil, A Good Day to Die Hard, sollte Anlass
zur Selbstanalyse geben.
Nachdem Polizist John McClane (Bruce Willis) in der Vergangenheit
ganze Stadtteile von Los Angeles (Die Hard), Washington (Die
Hard 2) und New York (Die Hard with a Vengeance) in Schutt
und Asche gelegt hat, verschlägt es ihn nun nach Moskau, wo sein
entfremdeter Sohn Jack (Jai Courtney) als CIA-Geheimagent tätig ist
und derzeit den politischen Häftling Yuri Komarov (Sebastian Koch) –
ein nicht sonderlich subtiles Double für Mikhail Khodorkovsky –
beschützen soll. Da dieser Zugriff auf eine geheime Akte hat, die
einem hohen Offiziellen in der russischen Regierung schaden kann,
sind ihm nach seiner Flucht aus dem Gerichtssaal bewaffnete Truppen
auf den Fersen. Gemeinsam mit John und Jack versucht er, ihnen zu
entkommen.
Gute Filme werfen Fragen auf. A
Good Day to Die Hard tut
dies im Minutentakt, doch ob diese Fragen ganz im Sinne von Regisseur
John Moore (Remakes von Flight
of the Phoenix und The
Omen) und Autor Skip
Woods (Swordfish,
Hitman,
X-Men Origins:
Wolverine) sind, darf
bezweifelt werden: Wer sind die Antagonisten? Was sind ihre Pläne?
Warum stellen sie eine globale Gefahr dar? Warum interessiert sich
Jack McClane dafür? Und was ist Johns Motivation, sich überhaupt
ins Flugzeug nach Russland zu setzen? Eine Serie, welche derart stark
auf dem klassischen Gut-Böse-Schema beruht, darf solche Fragen nicht
offen lassen. Doch Moore und Woods verzichten weitestgehend auf eine
Exposition und geben sich damit zufrieden, in den ersten 20 Minuten
des Films einen beträchtlichen Teil der Moskauer Innenstadt zu
Schrott zu fahren, wobei John mit Begeisterung seinen Teil dazu
beiträgt – selbstverständlich ohne jedes Wissen, worum es
eigentlich geht.
Gespanntes Verhältnis: John McClane (Bruce Willis, links) und Sohn Jack (Jai Courtney). |
Die Unwissenheit des NYPD
Detective McClane steht sinnbildlich für einen Film, der jeglichen
Sinn für Plot und Motivation über Bord geworfen zu haben scheint.
Bereits der sechs Jahre zurück liegende Live
Free or Die Hard wies
unangenehme Tendenzen in Richtung einer wässrigen, unnötig
kryptischen Handlung auf, hielt sich aber mit solider Cartoon-Action
alter Schule mühelos über Wasser. A
Good Day to Die Hard steigert
diese Action in Höhen, die selbst dem engagiertesten Apologeten
haarsträubender Hollywood-Physik sauer aufstossen muss. Explosionen
und Schiessereien dienen nicht der Geschichte, sie sollen deren
Abwesenheit kompensieren. Hundertschaften von geparkten Autos werden
von gepanzerten Lastwagen ins Blech-Jenseits befördert, es regnet
Körper von Soldaten, Hubschrauber prallen in Zeitlupe ins defunkte
Kernkraftwerk Tschernobyl – chaotische Zerstörungswut ohne Sinn
und Klasse.
Vorbei sind die Zeiten, in denen
Die Hard sich
mit narrativen Nuancen, moralischen Grautönen und packenden
Szenarien vom Gros seiner Genre-Kollegen abgrenzte. Die
hinterhältigen politischen Ansätze sind durch verzweifelte
Anspielungen auf wahre Begebenheiten ersetzt worden; Abstufungen und
Feinheiten sucht man im Plan von Vater und Sohn McClane ("Kill
Russian bad guys") vergebens. Passé sind Bösewichte wie Alan
Rickmans Hans Gruber, die den Zeitgeist des politisch motivierten
Terrorismus nutzten, um Aufmerksamkeit zu erregen, in Wirklichkeit
aber nur das Geld im Auge hatten. A
Good Day to Die Hard zitiert
diese Wendung, wie auch andere Eckpfeiler der Franchise, ohne
Kontext; der Mann, dem dieses Motiv zugeschrieben wird, ist eine
unwürdige Karikatur, dessen Weltanschauung sich – ohne erkennbare
Ironie – auf die Aussage "Do you know what I hate about
Americans? Everything. Especially cowboys" beschränkt, als wäre
er einem antisowjetischen Propagandafilm der Fünfzigerjahre
entsprungen.
In Aktion: John und Jack beschützen den russischen Häftling Komarov (Sebastian Koch, rechts). |
Eine Actionfilm-Reihe ist tief
gefallen, wenn der qualitative Höhepunkt der neuesten Ausgabe darin
besteht, dass sich Bruce Willis an der russischen Sprache versucht.
Die Antwort des Moskauer Taxifahrers auf dieses fehlgeschlagene
Experiment ist ein Klischee sondergleichen; was folgt, ist
überkandidelt und fehl am Platz. Und doch ist es eine leidlich
amüsante Szene, vielleicht auch, weil sie John McClane in der Rolle
eines stereotypen amerikanischen Rentners zeigt. Doch anstatt diesen
potenziell spannenden Pfad zu kultivieren – wie etwa Kim Ji-woon in
The Last Stand
– verlässt der Film ihn so schnell, wie er ihn betreten hat, und
belässt weitere ironische Brechungen bei flachen Vater-Sohn-Witzen,
deren Pointe zumeist aus dem Abfeuern einer Schusswaffe besteht.
Dieser Verzicht auf Raffinesse sollte denen, die über das Schicksal
McClanes zu entscheiden haben, als Grund genügen, den alten Haudegen
nun in den Ruhestand zu schicken. Nach seinem Bad im radioaktiv
verseuchten Wasser von Tschernobyl wäre dies wohl auch aus
medizinischer Sicht ratsam.
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