Dass Schauspieler in die Politik gehen, kommt vor. Dass sie in dieser
Funktion Grosses erreichen, ist seltener. Kult-Actionstar Arnold
Schwarzenegger ist Letzteres als Gouverneur von Kalifornien gelungen.
Nun will er die Unterhaltungsindustrie zurückerobern und in seinem
alten Metier wieder Fuss fassen. The Last Stand, das unstete
englischspachige Debüt des koreanischen Regisseurs Kim Ji-woon,
bietet ihm dafür die ideale Plattform.
Im nächtlichen Las Vegas kommandiert der hochrangige FBI-Agent
Bannister (Forest Whitaker) eine streng geheime Aktion: Der
Drogenbaron Cortez (Eduardo Noriega) wurde zum Tode verurteilt und
soll in ein Hochsicherheitsgefängnis überführt werden. Dessen
Schergen sind aber gut vorbereitet und befreien den Schwerverbrecher,
der sich sogleich mit einer Geisel und einem aufgemotzten Sportwagen
in Richtung Mexiko absetzt. Sein Fluchtweg führt durch das
Grenzstädtchen Sommerton im Süden Arizonas, wo sich Sheriff Ray
Owens (Arnold Schwarzenegger) eigentlich auf ein ruhiges Wochenende
gefreut hat, da die meisten Bewohner die lokale Schulmannschaft zu
einem Football-Auswärtsspiel begleiten. Doch noch vor Cortez'
Eintreffen gibt es in Sommerton Tote zu beklagen. Owens und seine
Assistenten beginnen, sich auf einen blutigen Kampf vorzubereiten.
Anspruch und Intention von Kim Ji-woons (The Good, the Bad, the
Weird, I Saw the Devil) achter Regiearbeit richtig
auszumachen, ist eine heikle Angelegenheit. An der Oberfläche ist
The Last Stand ein unterhaltsamer, oft stark karikierter
Actionreisser – bloss ein weiterer Eintrag in einer langen,
anspruchslosen Reihe von Filmen. Das SPIEGEL-Magazin sah darin nicht
mehr als eine "schlechte Tarantino-Kopie: Kopfschüsse in
Grossaufnahme, Blutfontänen, dumme Sprüche". In gewisser
Hinsicht lässt sich diese Auffassung nicht leugnen: Das Blut spritzt
mitunter tatsächlich zu exzessiv, nur wenige von Schwarzeneggers
Einzeilern treffen ins Schwarze – der wohl beste: "You make us
immigrants look bad" –, der Humor erreicht stellenweise ein
erschreckend tiefes Niveau; die Kindereien des Jackass-Stars
Johnny Knoxville, der aus unerfindlichen Gründen mitwirkt, müssten
nicht sein. Auf den ersten Blick sprechen allein Kims stilsicher
inszenierte Schiessereien und die nostalgiegeschwängerte Präsenz
Schwarzeneggers für den Film.
Zupackender Sheriff: Ray Owens (Arnold Schwarzenegger, links) demonstriert den richtigen Umgang mit schweren Waffen. |
Doch The Last Stand verbirgt eine tiefer liegende
filmhistorische Ebene, welche den Streifen sogleich um ein Vielfaches
spannender macht und ähnliche Ambitionen Quentin Tarantinos mühelos
in den Schatten stellt. Die Ausgangslage ist die einer archetypischen
Spätwestern-Elegie: Ein letzter aufrechter Kämpfer, wahlweise mit
einer loyalen Entourage von Aussenseitern, verteidigt "seine"
Heimat gegen das scheinbar übermächtige Böse. Ray Owens tritt in
die Fussstapfen von John T. Chance (John Wayne) aus Howard Hawks' Rio
Bravo und Will Kane (Gary Cooper) aus Fred Zinnemanns High
Noon. Der tollpatschige Deputy-Sheriff Mike "Figgy"
Figuerola (Luis Guzmán) wird plötzlich zu einem Erben von Walter
Brennans Schrotflinten-Enthusiasten Stumpy (Rio Bravo);
Gabriel Cortez wird eingeführt wie Erzbösewicht Frank Miller in
High Noon; Johnny Knoxvilles antiquiertes Maschinengewehr
ähnelt plötzlich verdächtig jenem aus Sam Peckinpahs The Wild
Bunch.
Letztlich ist Kims Film in seinem Kern ein weiterer Abgesang auf den
Western, "das amerikanische Genre par exellence" (André
Bazin) – qualitativ allerdings meilenweit entfernt von, aber
dennoch blutsverwandt mit John Fords The Man Who Shot Liberty
Valance. Am Ende liefern sich Ray Owens und Gabriel Cortez eine
Autoverfolgungsjagd. Die Waffen ihrer Wahl sind zwei Chevrolets, die
US-Marke schlechthin. Wie John Waynes Revolverheld Doniphon und Lee
Marvins Outlaw Liberty Valance stehen sich mit den Immigranten Owens
und Cortez nicht nur Pro- und Antagonist, sondern auch zwei
Archetypen amerikanischer Kultur gegenüber, vielleicht sogar die
Letzten ihrer Art.
Stumpys Erbe: Deputy Mike "Figgy" Figuerola (Luis Guzmán) erweist sich als wackerer Kämpfer für Recht und Ordnung. |
Damit hat Kim womöglich auch die künftige Karriere des Arnold
Schwarzenegger definiert. Bei dessen erstem Auftritt spielt eine
Schulkapelle einen Ehrenmarsch, als ob sie den "Governator"
willkommen heissen wollte – dass das Stück sich nicht an Owens
richtet, ist Nebensache. Doch wohin die Handlung ihn auch führt, er
bleibt ein einsames Unikat, ein Relikt aus einer vergangenen Zeit,
"an unchanged man in a changing world". The Last Stand
stilisiert den Ex-Gouverneur Schwarzenegger zum Realität
gewordenen Westernhelden in all seiner tragischen Grösse. Wie er
damit umgehen wird, wird sich weisen.
★★★
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