Donnerstag, 4. April 2013

A Late Quartet

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Yaron Zilberman inszeniert sein Spielfilmdebüt, ein Drama um die Existenzkrise eines Streichquartetts, mit der Präzision eines Musikvirtuosen. Dennoch wirkt der primär von seinen prominenten Hauptdarstellern getragene A Late Quartet wie eine verpasste Chance.

25 Jahre ist es her, seit der Musikprofessor und Cellist Peter Mitchell (Christopher Walken) den begabten Jung-Violinisten Daniel Lerner (Mark Ivanir) gebeten hat, mit ihm das Fugue String Quartet zu gründen. Um das Jubiläum gebührend zu feiern, nimmt sich die inzwischen weltberühmte Truppe für die kommende Tournee Beethovens 14. Streichquartett vor. Während der Proben wird bei Peter Parkinson im Frühstadium diagnostiziert. Zwar kann der Verlauf der Krankheit mit Medikamenten verlangsamt werden; da er jedoch seine Karriere so oder so nicht mehr lange verfolgen kann, entschliesst sich Peter dazu, das Konzert zur Saisoneröffnung zu seinem Abschiedsauftritt zu erklären. Diese Hiobsbotschaft führt zu Spannungen innerhalb von "The Fugue": Robert Gelbart (Philip Seymour Hoffman, stark wie gewohnt) ist es leid, zweite Geige zu spielen und verkracht sich deshalb mit Daniel, der daraufhin Hilfe bei Roberts Ehefrau Juliette (Catherine Keener), der Bratschenspielerin des Quartetts, sucht. Zudem wirft er ein Auge auf Alexandra (farblos: Imogen Poots), die erwachsene Tochter der Gelbarts.

Übereinstimmend mit dem Thema seiner ersten narrativen Regiearbeit, ordnet der Israel-Amerikaner Yaron Zilberman die von ihm und Seth Grossman entworfene Handlung fast gänzlich der Musik unter. Nicht nur verwandeln sich so einfachste Alltagstätigkeiten – elegantestes Beispiel: Roberts Kaffeezubereitung – dank klassischer Musikuntermalung (Beethoven, Haydn, Bach, Korngold) in rhythmische kleine Vignetten; auch das Motiv des Films wird am zentralen Musikstück, Beethovens siebensätziges Streichquartett Nr. 14 in cis-Moll op. 131, ausgerichtet: Nach Anweisung des Komponisten solle das ungewöhnlich lange Werk "attacca", ohne Pause, gespielt werden, sodass mit fortlaufender Konzertdauer die einzelnen Instrumente sukzessive verstimmen, alle auf ihre eigene Art und Weise. "Wollte der Künstler", fragt Peter, "etwa auf einen Zusammenhang hindeuten, auf eine Einheit zwischen den zufälligen Begebenheiten des Lebens?" Lohnt es sich überhaupt, sich stets neu auszurichten, wenn jeder Mensch, wie sein Instrument, unweigerlich "verstimmen" wird?

Das Fugue String Quartet (v.l.): Daniel (Mark Ivanir), Robert (Philip Seymour Hoffman), Peter (Christopher Walken) und Juliette (Catherine Keener).
© Pathé Films AG
Um diese enge Beziehung zwischen dem Leben und der Kunst zu illustrieren, schicken Zilberman und Grossman ihre Figuren auf eine tiefgreifende Sinnsuche, die schlussendlich auf ein feinsinniges und berührendes Finale hinausläuft. Leider aber wirken die beiden Autoren gerade in Bezug auf die für die Geschichte so wichtigen Verstimmungen etwas wankelmütig. Während Peters Krankheit, nicht zuletzt dank des überragenden Christopher Walken der emotional resonanteste Teil des Films, immer mehr zur Nebensache verblasst, rücken die eher eindimensionalen, mitunter komödiantisch angehauchten Liebeleien von Robert, Juliette und Daniel in den Vordergrund, welche stellenweise doch sehr an die weniger gelungenen Werke Woody Allens erinnern.

So stolpert die souveräne Inszenierung letztlich über einen unsteten Inhalt. Dass A Late Quartet an diesem beträchtlichen Defizit nicht zerbricht, beweist einmal mehr den Wert überzeugender Schauspieler.

★★★

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