Viele Filmemacher aus dem japanischen Kino der Fünfzigerjahre haben
sich als wegweisende Künstler erwiesen: Kenji Mizoguchi drehte 1953
den als sein Meisterwerk geltenden Ugetsu monogatari, ganz zu
schweigen von Yasujiro Ozu und Akira Kurosawa, welche in jener Dekade
der Filmkunst Höhepunkte wie Early Summer und Tokyo Story
respektive Rashomon, Seven Samurai und Throne of
Blood schenkten.
Den Namen Ishiro Honda findet man hingegen selten in einen
Zusammenhang mit dieser hehren Gruppe gestellt. Doch obwohl
zweifelsfrei ein Cineast leichteren Kalibers, hat auch Honda
Filmgeschichte geschrieben, als er, unter anderem inspiriert durch
King Kong von Cooper/Schoedsack, mit Gojira quasi
eigenhändig jenes Genre schuf, welches Bill Watterson in einem
seiner Calvin and Hobbes-Comicstrips einst so treffend
zusammenfasste: "Grosse gummiartige Monster prügeln sich in
wichtigen grossstädtischen Zentren um die Weltherrschaft". Der
Kaiju-Film mit seinen überdimensionierten, oft atomar verseuchten
Kreaturen wie Godzilla, Mothra, Rodan oder Gamera wurde, analog zum
US-Horrorkino der gleichen Ära, zu einer ikonischen Stilrichtung, in
der sich haarsträubende Action und die durchaus legitime
Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Ängsten ergänzten.
Jahrzehntelang blieben diese Werke, mit der (fehlgeschlagenen)
Ausnahme von Roland Emmerichs Godzilla (1998), dem japanischen
Kino vorbehalten. Nun aber hat sich Guillermo del Toro in seiner
ersten Regiearbeit seit 2008 – dazwischen lagen zahlreiche
Engagements als Produzent – dazu entschlossen, seiner umfassenden
Fantasy-Filmografie (Hellboy, Hellboy II: The Golden Army,
El laberinto del fauno) einen Kaiju-Blockbuster hinzuzufügen.
Obgleich
die Werbekampagne für Pacific
Rim
dies nicht explizit aussprach, so wurde der Film schon Monate vor
seinem Erscheinen als "gute" Alternative zu Michael
Bays Transformers-Reihe
gehandelt, als Ehrenrettung für sämtliche Filme, in denen
gigantische Roboter eine Rolle spielen. Bei del Toro kämpfen diese
ausschliesslich auf der Seite der Menschheit, riesige, von zwei
Piloten gesteuerte Blechmonster namens "Jaeger". Ihnen
gegenüber stehen ebenso gewaltige Ungeheuer, die Kaijus, welche in
den 2020er Jahren durch ein Dimensionstor auf dem Grund des
Pazifischen Ozeans zur Erde gelangen und dort San Francisco, Sydney,
Hongkong, Lima und allerlei andere "wichtige grossstädtische
Zentren" verwüsten.
Die Bedrohung: Riesige Monster, die Kaijus, entsteigen dem Pazifik. © 2013 Warner Bros. Ent. |
Der menschliche
Plot, in dem sich der Film in seinem Mittelteil leider verfängt,
dreht sich um einen Jaeger-Veteranen (Charlie Hunnam) und eine junge
Rekrutin (Rinko Kikuchi), welche unter der Aufsicht des
Jaeger-Programm-Chefs (Idris Elba) die Verbindung zwischen den
Dimensionen kappen sollen. Bevor das Ganze aber so weit
fortgeschritten ist, müssen die Protagonisten Selbstzweifel,
Krebserkrankungen und die Trauer über verlorene Familienmitglieder
überwinden. Erweitert wird der Figurenkreis durch zwei grotesk
stereotype Wissenschaftler (Charlie Day, Burn Gorman), den obligaten
Emporkömmling unter den Jaeger-Soldaten (Robert Kazinsky) sowie
einen skrupellosen Hongkonger Schwarzmarkt-Händler (Ron Perlman, del
Toros Hellboy) – eindeutig die interessanteste Person des Films.
Dass Pacific
Rim in überbordenden Klischees
handelt, ist angesichts seines Genres und dessen begrenzten Anspruchs
darauf, ernsthafte Filmware zu sein, keine Überraschung. Die Figuren
sind Typen, die Dramaturgie verläuft in bekannten Bahnen; und mit
zunehmender Spieldauer beschränken sich Idris Elbas Linien immer
mehr auf trailerfreundliche Deklarationen, was in einer klassischen
Inspirationsrede kulminiert ("Today we are cancelling the
apocalypse!"), die unverhohlen auf die "St Crispin's Day
Speech" in Shakespeares Henry V zurückgreift,
die Basis für praktisch jeden Monolog dieser Art.
Doch
es stellt sich dabei die Frage, wie del Toros Gebrauch von Klischees
zu werten ist. Macht er sich hinter vorgehaltener Hand über sie
lustig? Ist Pacific Rim
ein "ironischer" Film wie jüngst Harmony Korines Spring
Breakers, in dem etablierten
Formeln gehuldigt wird, nur um dabei auf ihre Lächerlichkeit
hinzuweisen? Oder erweist del Toro ihnen seine Reverenz und erfreut
sich an ihrer naiven Aufrichtigkeit?
Die Retter: Mit überdimensionierten Robotern, den Jaegers, wehrt sich die Menschheit. © 2013 Warner Bros. Ent. |
Letzten
Endes scheint tatsächlich letztere Lesart zuzutreffen, nicht zuletzt
deshalb, weil sich der Film mit zu viel offenkundiger Begeisterung
mit seiner lapidar-lächerlichen Prämisse befasst, um als
Genre-Dekonstruktion zu überzeugen. Einen weiteren Hinweis liefert
del Toros Regie-Register, vorab seine beiden Hellboy-Adaptionen,
welche mit ähnlicher Verve eine Fantasie-Welt mit all ihrem Camp und
all ihren Ungereimtheiten auf die Leinwand brachten. So
repräsentieren die beiden Forscher Geiszler (Day) und Gottlieb
(Gorman) keine Persiflagen, sondern Hommagen an den reichen Fundus an
verrückten Wissenschaftlern, welche neben dem Kaiju-Genre auch das
amerikanische Kino der Dreissiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahre
bevölkerten. Idris Elbas Ansprache ist auch keine zynische
Verballhornung der Monologkultur; vielmehr zelebriert sie diese
einnehmend in ihrer ganzen Bandbreite, von Henry am St. Crispin's Day
bis Bill Pullman am Independence Day.
Ohnehin
ist "einnehmend" ein Schlüsselwort in der Diskussion um
Pacific Rim. Obwohl
die Figuren dünn und ihre Konflikte konstruiert sind, der Film
Fragen darüber offen lässt, ob es in 15 Jahren überhaupt eine Welt
jenseits der Pazifik-Anrainerstaaten gibt, der Subtext sich auf
wenige karge Kommentare über Umweltverschmutzung beschränkt und die
Chose rund zwanzig Minuten zu lange dauert – wenn sich Jaeger und
Kaiju Auge in Auge gegenüber stehen, ist man bereit, diese Defizite
nachsichtig zu akzeptieren. Denn wenn del Toro eines seiner
impliziten Versprechen einlöst, dann jenes, Michael Bay und seine
Transformers zu
übertrumpfen.
Die Piloten: Gesteuert werden die Jaeger von speziell ausgebildeten Kämpfern wie Raleigh (Charlie Hunnam, rechts), Stacker (Idris Elba) und Mako (Rinko Kikuchi). © 2013 Warner Bros. Ent. |
Jeder
Kampf wird so eingeführt, dass keinerlei Zweifel darüber aufkommen,
wer wo warum gegen wen antritt. Das Gefühl von Umfang und Gravitas
der handfesten Auseinandersetzungen – stilistisch beeinflusst von
so unterschiedlichen Künstlern wie Goya und Hokusai – zwischen den
Robotern und den individualisierten Monstern bleibt dank makellosem
CGI und Guillermo Navarros Kameraführung, die auf desorientierende
und somit unnötige Schwenks verzichtet, erhalten; die ursprünglich
nicht eingeplante Konvertierung in die dritte Dimension, obschon der
Sache nicht besonders dienlich, sieht davon ab, den Zuschauer mit
Trümmern zu bewerfen. Maximalisiert wird die Wirkung dieser
souveränen Actionsequenzen durch einen brausenden Rock-Score von
Ramin Djawadi. Pacific Rim kommt
nicht ohne Probleme aus, doch wer sehen will, wie sich gigantische
Roboter und gargantueske Ungeheuer gegenseitig verdreschen, wird von
Guillermo del Toro vorzüglich bedient.
★★★
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