Man möchte meinen, dass ein auf wahren Begebenheiten beruhender Film
über eine aus australischen Ureinwohnerinnen zusammengesetzte
Sechzigerjahre-Soulband, welche gegen Vorurteile und Rassismus zu
kämpfen hat, seine Energie, seine Seele, aus der ermächtigenden
Kraft der Musik schöpft, die er in den Mittelpunkt rückt. Sicher
nicht zu erwarten ist, dass er erst durch die anregende Präsenz
eines irischen Fernsehschauspielers, der in den vergangenen Jahren
vor allem durch Nebenrollen in derben US-Komödien wie Bridesmaids
oder This Is 40 aufgefallen ist, zu jener vergleichsweise
denkwürdigen Wohlfühl-Dramödie wird, die er ist.
Doch genau das passiert in The Sapphires: Wayne Blairs
beschwingte Verfilmung von Tony Briggs' gleichnamigem Theaterstück
ist zuallererst ein Beleg für die schauspielerische Potenz ihres
männlichen Hauptdarstellers Chris O'Dowd. Der durch Graham Linehans
Sitcom The IT Crowd bekannt gewordene Komödiant bringt als
heruntergekommener Musikproduzent Dave Lovelace Leben in die etwas
steife Figurenwelt des von Briggs mitverfassten Skripts, sei es durch
scharfzüngige Witze, anrührende kleine Momente oder schlicht die
freilaufenden Kadenzen seines durch keine geschriebenen Dialogzeilen
gebunden scheinenden Dialekts. O'Dowds nuanciertem Spiel allein ist
es zu verdanken, dass Daves Probleme – darunter ein wunderbar
subtiler Verweis auf das Scheidungsverbot, welches zu der Zeit, in
der The Sapphires spielt (1968), in Irland noch in Kraft war –
weniger artifiziell wirken als jene seiner vier singenden
Hauptdarsteller-Kolleginnen.
Dies hängt allerdings weniger mit schauspielerischen Defiziten –
Deborah Mailman, Jessica Mauboy, Miranda Tapsell und Shari Sebbens
spielen und singen ohne Fehl und Tadel – als mit der doch arg
formelhaften Dramaturgie zusammen. In ihrem Drehbuch erzählen
Briggs, dessen Bühnenstück auf den Erlebnissen seiner Mutter
basiert, und Keith Thompson von The Sapphires, eine aus den
Schwestern Gail (Mailman), Julie (Mauboy), Cynthia (Tapsell) und der
in einem weissen Internat aufgewachsenen Kay (Sebbens) bestehende
Soulgruppe, die sich mit Hilfe von Dave Lovelace erfolgreich darum
bewirbt, vor den in Vietnam stationierten US-Truppen aufzutreten.
Vor diesem Hintergrund werden Motive aus dem australischen
Aborigines-Kino, etwa Phillip Noyces Rabbit-Proof Fence (ebenfalls
mit Mailman), mit Anklängen an musikalische Dramen vom Typ
Dreamgirls oder Dustin Hoffmans Quartet kombiniert. Mal
implizit (ein Taxi hält für die Protagonistinnen nicht an), mal
explizit (die "gestohlene Generation" von hellhäutigen
Aborigines-Kindern, welche indigenen Familien von den Behörden
entrissen wurden, ist zentral) wird auf die bis heute anhaltende
Diskriminierung der Aborigines durch das weisse Australien
hingedeutet – ein gewichtiges Anliegen, welches Regisseur Blair
mitunter augenzwinkernd konterkariert, etwa indem er eine Brücke
zwischen engstirnigen Rassen-Bildern und dem Stereotypisieren von
Musikern ("lead singer", "the sexy one") schlägt.
Ansonsten
dreht sich The
Sapphires um
Familienzusammenhalt und Streitereien unter Geschwistern, um
Konflikte, die sich an Liebesdingen, den Gefahren des Kriegsgebietes
Vietnam oder der unsteten Band-Hackordnung entzünden. Mit Ausnahme
einer erfrischenden, wenn auch kleinformatigen Genre-Subversion –
Lovelaces obligates romantisches Interesse gilt nicht der
Schönheitskönigin der Band – bewegt sich der in groben Strichen
gehaltene Plot in ruhigen, weitgehend überraschungslosen Bahnen, von
Blair effizient und ohne penetrantes Verweilen auf Details in Szene
gesetzt.
Dissonanzen entstehen im überwiegend
solide strukturierten Drehbuch vor allem durch zweifelhafte
dramaturgische Entscheidungen – mehrmals stellt gemeinsames Singen
(stets mit makelloser Akustik) allzu schnell einen Konsens her, der
kurz zuvor noch unerreichbar schien – oder die nur ungenügend
redigierte Konzeption des dritten Aktes. Dieser wird mit der
unglaubwürdigen Wendung eingeführt, dass Dave und The Sapphires
ihren Weg zum letzten Auftrittsort alleine, ohne Militäreskorte
finden müssen. Diverse Trailer liessen vermuten, dass dies zu einer
Konfrontation mit Vietcong-Soldaten führen würde. Da dies in der
finalen Fassung fehlt, entbehrt auch die nachdrückliche Betonung der
potentiell fatalen Reisesituation jeglicher dramatischer
Berechtigung.
Wer sich jedoch allzu intensiv mit den
Mängeln von The Sapphires auseinandersetzt,
wird sich schnell in Haarspaltereien (ist diese Reaktion
vollumfänglich stimmig?) und Gemeinplätzen (hier wird dem Diktat
der Konvention entsprochen) verlieren. "Leave that to the morons
who judge by counting faults", lautet ein Zitat aus A
Late Quartet, einem anderen
Musikfilm jüngeren Datums. Geniesse, was zu geniessen ist. Und zu
geniessen gibt es im herzerwärmenden The Sapphires
wahrlich genug.
★★★
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