Unermüdlich führt der Deutsche Roland Emmerich seine Zerstörungswut
fort. In White House Down, einem ungeniessbar chauvinistischen
Machwerk, reisst der seit den Neunzigerjahren in Hollywood als
Experte für krachige Action gefragte Regisseur das Weisse Haus ein –
wieder einmal.
Es ist eines der am krassesten ikonischen Bilder im US-Kino der
letzten zwanzig Jahre: Ausserirdische Raumschiffe schweben über
Washington D.C. und zerstören Wolkenkratzer, Autotunnels und das
Kapitol, bevor sie schliesslich, sozusagen als Pièce de résistance,
ihre Todesstrahlen auf das Weisse Haus, die symbolträchtige Residenz
des amerikanischen Präsidenten, richten und es in einem gleissenden
Lichtblitz dem Erdboden gleich machen. Die Szene stammt aus Independence Day, mit dem Emmerich 1996 Zuschauerrekorde brach
und sich endgültig als führender Vertreter des
Cyberspace-Ära-Actionfilms etablierte; sie wurde seither unzählige
Male zitiert, kopiert und parodiert und gilt nach wie vor als
Musterbeispiel für Emmerichs Vorliebe für das Vernichten weltweit
bekannter Sehenswürdigkeiten.
So
berühmt ist die Szene, dass die Tatsache, dass Emmerich sie in White House Down erwähnt, natürlicher wirkt, als wenn er die
offensichtliche Verbindung zwischen Independence Day und seinem
nunmehr 16. Film gänzlich ignoriert hätte. Ein Fremdenführer
(Nicolas Wright) benutzt das Zitat aus der Populärkultur, um seiner
Reisegruppe die Flügel-Aufteilung des Weissen Hauses zu erklären.
Unter besagten Besuchern des Präsidentenpalastes befinden sich die
11-jährige Emily (Joey King) sowie ihr Vater,
der soeben abgewiesene Geheimdienst-Anwärter John Cale (Channing
Tatum), auf dessen Schultern wenig später die Zukunft der
amerikanischen Regierung liegt. Denn obwohl der Morgen so friedlich
begonnen hat – einzig freche Eichhörnchen bereiten Leibwächtern
Kopfschmerzen –, versinkt Washington schon um zehn Uhr morgens im
Chaos: Paramilitärs unter dem Kommando von Emil Stenz (Jason Clarke)
erobern das Weisse Haus. Zwar gelingt es Cale zufällig, Präsident
Sawyer (Jamie Foxx) vor Stenz' Männern zu retten, doch die
gemeinsame Flucht erweist sich als äusserst gefährlich.
Wer ist hier der amerikanische Held? Soldat John Cale (Channing
Tatum, links) rettet US-Präsident Sawyer (Jamie Foxx) vor
Terroristen.
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH
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Es ist aber nicht nur das Bild des "gefallenen" Weissen Hauses,
welches in White House Down Emmerichs Alien-Farce evoziert.
Beide Filme wissen ihre Knalleffekte durchaus wirksam einzusetzen;
allerdings sind beide auch masslos überfrachtet mit Figuren und
Handlungssträngen – und damit gute 25 Minuten zu lang – und
auffallend hurrapatriotisch inszeniert. Während die inbrünstig
vorgetragene Liebe zu den Vereinigten Staaten von Amerika in Independence Day jedoch beinahe anrührend war in ihrer
kindlichen Blauäugigkeit, grenzt sie hier an blanken Chauvinismus.
In regelmässigen Abständen wird man an die intrinsische
Grossartigkeit der USA erinnert; Flaggen werden bald gestreichelt,
bald fallen sie in Zeitlupe und untermalt von pathetischer Musik zu
Boden; Emily, die ihrem Vater offenkundig weniger wichtig ist als
sein Heimatland, avanciert zur Heldin des Tages, indem sie
fahnenschwingend über den Rasen des Weissen Hauses rennt.
Diese penetrante Symbolik wäre einfacher zu akzeptieren, wenn der
Film selber wenigstens die gleiche Aufrichtigkeit an den Tag legen
würde, die er Amerika permanent attestiert. Doch mit heiligem Ernst
vermittelt James Vanderbilts aus müden Klischees, lächerlichen
Szenarien und der vielleicht himmelschreiendsten Produkteplatzierung
der Filmgeschichte zusammengesetztes Drehbuch eine krude Botschaft
für den globalen Frieden und gegen die Waffenindustrie –
wenngleich John Cale, US-Soldat und Überbringer der Pax Americana
par excellence, zwei Stunden lang jedes erdenkliche Problem mit roher
Gewalt gelöst hat. Zur Hand ging ihm der Präsident dabei nur
bedingt, Militär, Regierung und der Geheimdienst – der, wie
Vanderbilt anklagend zeigt, Wert auf akademisch begabte Angestellte
legt – gar nicht. So erfüllt White House Down mit seinem
zynischen Populismus, seinem unverhohlenen Chavinismus und seinen
ermüdenden Explosionen schlussendlich jedes Vorurteil gegen
Hollywoods Actionkino von der Stange.
★
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