Dienstag, 21. Juli 2015

While We're Young

Mit seinen desillusionierten, misanthropischen Figuren, seinen absurden Vignetten und seiner Nähe zur New Yorker Intelligenzija bewegt sich Noah Baumbach – seit The Squid and the Whale (2005) eine feste Grösse im anspruchsvollen amerikanischen Independentkino – im Grunde schon seit dem Beginn seiner Karriere auf den Spuren Woody Allens. Dass man ihm mit dem Vergleich aber kaum einen Gefallen tut, das zeigt While We're Young aufs Neue.

Schlecht ist der Film zwar nicht, genauso wenig wie Greenberg (2010) oder Frances Ha (2012) schlecht waren. Im Gegenteil: Baumbachs Neuester ist nachvollziehbarer als Ersterer, bescheidener als Letzterer und vergnüglicher als beide. Doch bleibt hier vieles Stückwerk; die einzelnen Elemente harmonieren stellenweise nur schwer miteinander, die Aussage bleibt vage; der Film verheddert sich in seinem eigenen Geflecht aus Subtext und Meta-Kommentaren auf das problematische Verhältnis zwischen Wahrheit und Kunst.

Der Vergleich mit Baumbachs letzten zwei Filmen ist insofern angebracht, als sich While We're Young an der Oberfläche wie eine Mischung der beiden geriert – woraus sich wiederum die Assoziation mit Woody Allen ableitet. Die Protagonisten wirken wie ein Überbleibsel aus Greenberg; mit Ben Stiller teilen sich die beiden Tragikomödien sogar den Hauptdarsteller. Josh Schrebnick (Stiller mit einer seiner besten "ernsten" Darbietungen) ist Mitte 40 und arbeitet seit acht Jahren erfolglos an einem epischen Dokumentarfilm über den spröden Intellektuellen Ira Mandelstam (Peter Yarrow). Seine Lebenspartnerin Cornelia (Naomi Watts) unterstützt ihn nach Kräften, obwohl er nicht nur ein unverbesserlicher Pedant ist, sondern sich auch partout weigert, finanzielle und kreative Hilfe von ihrem reichen Vater (Charles Grodin) anzunehmen. Und auch privat könnte es besser laufen: Joshs Arbeitswut ist Gift für Romantik und Intimität. Der gemeinsame Kinderwunsch ist nach diversen Fehlgeburten erloschen; derweil sich bei den engsten Freunden des Paars alles nur noch um ihr neues Baby dreht. Wie in Greenberg ist es auch hier die Midlife-Crisis, welche die hochschulgebildete Gesellschaftsschicht heimsucht, welche Baumbach an- und umtreibt.

Doch dieses Mal bleibt sie nicht der isolierte Fokus des Films. Nach einer Vorlesung treffen Josh und Cornelia auf das junge Ehepaar Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) – Figuren, welche direkt dem Hipster-Milieu von Frances Ha entnommen scheinen. Jamie ist ein Bewunderer von Joshs Debütfilm; Cornelia wiederum findet in Darby eine Freundin, deren Welt sich nicht um volle Windeln und infantile Kinderlieder dreht.

Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) entdecken ihre Jugend wieder.
© Pathé Films AG
In seiner ersten Hälfte evoziert While We're Young somit die Allen'sche New-York-Komödie im besten Sinne; die "Stadtneurotiker" Cornelia und Josh lernen eine Welt kennen, die ihnen bislang fremd geblieben ist. Die Szenen, in denen die beiden an spontanen Strassen-Strandpartys teilnehmen, auf Bahngleisen spazieren oder sich an einer esoterischen Läuterungszeremonie versuchen – die minimalistisch-tranceartige Inszenierung erinnert an die klimaktische Party in Greenberg –, scheint von Alvy Singers aussichtslosen Annäherungsversuchen an Annie Halls hippe Freunde im gleichnamigen Film nicht allzu weit entfernt zu sein.

Zudem vollzieht Baumbach in dieser Kulturschock-Variation eine anregende kleine Subversion, indem er dem abgedroschenen Mythos der "Digital Natives" mit gesunder Skepsis begegnet: Während Josh im Gespräch über Musik auf seine CD- und iTunes-Sammlung verweist, besitzen Darby und Jamie Hunderte von Schallplatten; klicken sich die Mittvierziger abends durchs Netflix-Angebot, sehen sich ihre jüngeren Pendants Videokassetten von Achtzigerjahre-Kultfilmen an. Diese Gegenüberstellungen sind, wenn auch streckenweise etwas plump, durchaus amüsant und provozieren mitunter sogar interessante Gedanken über die Rolle von Nostalgie in der Bewertung von Kultur: "When did The Goonies become a good movie?“, fragt einer von Joshs Altersgenossen, während er sich daran stört, dass Jamies Band ihren Namen von einer Werbefigur aus Joshs Kindheit übernommen hat.

Massgeblichen Anteil daran haben Jamie (Adam Driver) und seine Ehefrau Darby (Amanda Seyfried), mit denen sich Cornelia und Josh anfreunden.
© Pathé Films AG
Schon in diesen Szenen jedoch läuft der Film Gefahr, seinen Botschaften zu viel Nachdruck zu verleihen. Was als raffiniertes Spiel mit den Konventionen beginnt – die Illusion der techniksüchtigen Jugend –, wandelt bald schon gefährlich nahe an der Grenze zur Verallgemeinerung. Auch das Dilemma zwischen Kinderlosigkeit und traditionellem Familienentwurf wird in While We're Young mit irritierend groben Strichen gezeichnet. Nicht eine von Cornelias Freundinnen trägt ein Baby auf dem Arm, als sie sie auf der Strasse trifft, sondern gleich drei davon; man wähnt sich nicht in einem Film des Milieu-Porträtisten Baumbach, sondern einer Budget-Komödie im Stile von What to Expect When You're Expecting.

Gerade in diesen wenig subtilen Momenten macht sich ein grundlegender Unterschied zwischen Baumbach und Allen bemerkbar: Der eine weiss mit "banaler" Komik – und das ist nicht im negativen Sinne gemeint – umzugehen, was er in Filmen wie Bananas oder Sleeper bewiesen hat; der andere scheint zu sehr in seiner akademischen Herangehensweise an Humor und Geschichtenerzählen gefangen zu sein.

Da überrascht es auch nicht, dass While We're Young nach seiner locker vorgetragenen ersten Hälfte in einen allzu ambitionierten Plot hinein stolpert, in dem Josh Jamie des unethischen Dokumentierens überführen will. Zwar mündet auch dieser Abschnitt, dem – wie auch Joshs (sechseinhalbstündiger) Doku – eine Kürzung nicht geschadet hätte, in eine gewitzte Untergrabung der konventionellen Erzählung; doch dies entschädigt nicht ausreichend für die allzu ambitiösen Sphären, in die sich Baumbach dabei begibt. Meditationen über die Moral des dokumentarischen Filmemachens und die Frage nach Bedeutung in der postmodernen Welt liegen weit ausserhalb der Reichweite dieser unvollkommenen, unterhaltsamen, aber letztlich unwesentlichen Komödie.

★★★

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