Eigentlich erfüllt Boychoir punkto Thematik, Handlung und Besetzung sämtliche Voraussetzungen, ein erhebendes, wenn auch harmloses Crowdpleaser-Drama zu sein. Doch was Regisseur François Girard und Drehbuchautor Ben Ripley hier abliefern, ist schlicht und ergreifend schlechtes Filmemachen.
Wer sich Anfang Jahr darüber aufgehalten hat, dass in Damien Chazelles virtuosem Musik-Kammerspiel Whiplash der Alltag an Jazzschulen unrealistisch und überspitzt dargestellt wurde, dem sei von Boychoir nachdrücklich abgeraten. Denn die Verhältnisse, die hier im renommierten Sängerknaben-Internat herrschen, an das der verhaltensauffällige, aber hochgradig gesangsbegabte Junge Stet (Garrett Wareing) geschickt wird, spotten im Vergleich zu Chazelles dreifachem Oscarpreisträger jeder Beschreibung. Hier regiert der an sich als gutmütig konzipierte Dirigent Carvelle (ein eher gelangweilt wirkender Dustin Hoffman), der seine elf-, zwölfjährigen Schützlinge als Vorbereitung auf den Druck, der auf der Bühne auf ihnen lastet, mit Scheinwerfern und pädagogisch fragwürdigen Kommentaren traktiert. Erreicht der Tourbus sein Ziel mit einer Minute Verspätung, ist dies Carvelles Assistent, dem unablässig höhnenden Briten Drake (Eddie Izzard), ein enttäuschtes Kopfschütteln wert. Und die Musikaffinität, die Carvelles Institut voraussetzt, wird am haarsträubenden Beispiel des jungen Lehrers Wooly (Kevin McHale) exemplifiziert, der sich einem Besucher mit der Bemerkung "Your shoes squeak in E-flat" ("Ihre Schuhe quietschen in Es") vorstellt.
Nein, nach einer auch nur im Entferntesten realistischen Darstellung einer Chorschule sucht man im Boychoir – mit Ausnahme des stimmig eingefangenen Schulgebäudes selbst – vergeblich. Dies wäre nicht weiter ein Problem, könnte der Film stattdessen mit einer anregenden Geschichte, interessanten Figuren oder einer einnehmenden Inszenierung aufwarten. Doch François Girards Regie lässt praktisch jede Finesse vermissen; derweil das vorhersehbare Drehbuch von Ben Ripley – der es, wie Source Code gezeigt hat, eigentlich besser könnte – die grundsätzlichen Regeln des filmischen Geschichtenerzählens konstant zu ignorieren scheint.
Der schwer erziehbare Stet (Garrett Wareing, Mitte) erhält in einer renommierten Chorschule neue Perspektiven. © Impuls Pictures AG |
★★
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