Viel gibt es inzwischen eigentlich nicht mehr zu sagen über den ersten blonden Bond der Franchisen-Geschichte. (Wer erinnert sich noch an die viel zu hitzigen Casting-Debatten?) Als vor gut neun Jahren Casino Royale in die Kinos kam, überzeugte GoldenEye-Regisseur Martin Campbell die skeptischen Fans mit einer düster-seriösen Entstehungsgeschichte von der Vision eines spröderen, in sich gekehrteren Bonds, dessen Martini-Konsum weniger einem eleganten Markenzeichen als latentem Alkoholismus glich. Mittels des Todes einer grossen Liebe stattete Campbell Agent 007 mit einem Trauma aus, auf welchem Marc Forster und Sam Mendes in Quantum of Solace (2008) respektive Skyfall (2012) in der Folge dankend aufbauten. Craig war kein selbstsicherer Sean Connery, kein selbstironischer Roger Moore, kein charmanter Pierce Brosnan; kugelsichere Westen stehen ihm besser als Designer-Anzüge.
Mutigere Filmemacher und Produzenten hätten die Entwicklung zu ihrem logischen Ende weitergedacht und sich zumindest implizit an einer totalen Dekonstruktion der Bond-Figur versucht. Der inhärente Sexismus – 007 landet, wenn er will, mit jeder seiner letztlich passiven weiblichen Bekanntschaften im Bett – wäre als solcher entlarvt und die Tatsache, dass Bond ein Relikt aus dem Kalten Krieg ist, ironisch kommentiert worden. Doch in der berühmtesten Filmreihe aller Zeiten wird mit der Tradition höchstens gespielt, jedoch nie gebrochen: Bond bleibt ein unbestrittener Held, die Frauen liegen ihm – früher oder später – zu Füssen.
Auch in seinem 24. Kinoabenteuer reist Geheimagent James Bond 007 (Daniel Craig) auf der Jagd nach einem Superschurken über die halbe Welt. © Sony Pictures International |
Spectre, obwohl nicht auf dem Niveau von Craigs erstem Einsatz, markiert immerhin einen Schritt in die richtige Richtung. Denn nicht nur lässt es Mendes hier humorvoller, ja selbstironischer zugehen als noch in Skyfall; der Film ist seinen letzten beiden Vorgängern auch insofern überlegen, als er sich nicht primär um das Auflösen hängiger Handlungsstränge dreht. Im Gegenteil: Die überwiegend voneinander isolierten bisherigen Plots der aktuellen Bond-Inkarnation werden im Laufe der neuesten Mission miteinander verbunden, wodurch so etwas wie Ordnung ins Craig-Universum einkehrt.
Leider erreicht Spectre aber zu keinem Zeitpunkt mehr die Höhen der Eingangssequenz in Mexikos Hauptstadt am Día de Muertos. In einer einzigen langen Einstellung, die unverkennbar dem Anfang von Orson Welles' Touch of Evil ihre Reverenz erweist, fährt Hoyte van Hoytemas Kamera durch die Strassen, gesäumt von Menschen in unheimlichen Skelett-Kostümen, findet Bond, folgt ihm durch ein Hotel und über die Dächer bis zu seinem Bestimmungsort – wo dann schliesslich die Schnitte beginnen. Keine andere Szene in Spectre wirkt einheitlicher, graziler oder stimmiger; mal abgesehen von van Hoytemas Kameraarbeit verschiesst der Film sein Pulver bereits in den ersten zehn Minuten.
Ob die Figuren nun James Bond, M, Q (Ben Whishaw) und Moneypenny (Naomie Harris) heissen oder nicht – Spectre ist nicht viel mehr als ein bekömmlicher Actionthriller über das Mode-Thema der globalen Überwachung, angereichert mit unnötigen Verstrickungen und einer äusserst fragwürdigen Romanze. Zwar gesteht Mendes seinem Helden etwas lakonischen Humor zu, und Dr. Swann darf ihre intellektuelle Überlegenheit gegenüber Bond zur Schau stellen, bevor sich die beiden in die Arme fallen – Traditionen sind offensichtlich noch immer nur zum Spielen, nicht zum Brechen da –, doch viel Neues bietet letztendlich auch dieses Abenteuer nicht. Bond bleibt Bond – im Guten wie im Schlechten.
★★★
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