Dienstag, 17. November 2015

Steve Jobs

Dass Apple-Gründer und Personal-Computer-Pionier Steve Jobs zu den einflussreichsten und wahrhaft ikonischen Persönlichkeiten der letzten 50 Jahre gehört, lässt sich allein am Interesse ablesen, welches seit seinem Tod im Oktober 2011 die amerikanische Filmproduktion an ihm zeigt. Sechsmal wurde der Exzentriker, der Showman, der Narzisst, der Visionär in den letzten vier Jahren ins Zentrum eines Films gerückt – viermal dokumentarisch (Steve Jobs: One Last Thing, Steve Jobs: Billion Dollar Hippy, Steve Jobs: The Lost Interview, Steve Jobs: The Man in the Machine), zweimal in Spielfilm-Form.

Joshua Michael Sterns Jobs (2013) war der erste Versuch, das bewegte Leben des ambitionierten "Pirate of Silicon Valley" einem Mainstream-Publikum näher zu bringen. Mit Ashton Kutcher in der Titelrolle pflügte das Biopic durch Jobs' Vita; 129 Minuten lang stellten sich farblose Investoren vor; in den ewig gleichen Sitzungszimmern wurde ohne ersichtliche Änderung des Tonfalls von Gewinnen und Verlusten gesprochen, bevor Stern den von Weggefährten gerne als tyrannisch beschriebenen Bilderbuch-Kapitalisten schliesslich kritiklos auf das Podest des Genies hievte.

Somit stellte sich den Produzenten von Steve Jobs, dem neuesten Eintrag in den Jobs-Kanon, nicht nur die Aufgabe, den blamablen Jobs gänzlich vergessen zu machen, sondern auch die Schwierigkeit, dies auf eine Weise zu tun, die sich entschieden vom enzyklopädischen dokumentarischen Format abgrenzt. Zu diesem Zweck Aaron Sorkin als Drehbuchautor zu verpflichten, war eine nahe liegende Entscheidung, gilt doch der von ihm verfasste The Social Network, David Finchers brillantes Porträt des Facebook-CEOs Mark Zuckerberg, nach wie vor als unangefochtener Höhepunkt des amerikanischen IT-Kinos.

Danny Boyle, der nach unzähligen Casting-Änderungen sowie einem Studiowechsel Fincher auf dem Regiestuhl von Steve Jobs beerbte, hat diese Herausforderung mit Hilfe von Dialog-Experte Sorkin (A Few Good Men, The West Wing, Charlie Wilson's War, The Newsroom, Moneyball) hervorragend gemeistert. Sein Film, basierend auf Walter Isaacsons gleichnamiger Jobs-Biografie, wirft jede traditionelle Biopic-Struktur über Bord. Chronologische Entwicklungen und unfilmisch-langfädige Erklärungen von Intrigen und Zusammenhängen werden von Sorkin ebenso konsequent wie gnadenlos wegrationalisiert, sodass Steve Jobs letzten Endes nur noch aus drei verdichteten Momentaufnahmen besteht.

Bühne frei: Steve Jobs besteht aus drei Episoden, welche alle direkt vor der Lancierung eines von Steve Jobs (Michael Fassbender) entwickelten Computers spielen.
© Universal Pictures Switzerland
Sie alle spielen im Backstage-Bereich eines Auditoriums, direkt vor der Präsentation eines Jobs-Produkts: 1984 lanciert Jobs (Michael Fassbender) Apple-Personal-Computer Macintosh – ein Millionen-Flop, infolgedessen Jobs von seiner eigenen Firma entlassen wird. Vier Jahre später präsentiert er als Gründer von NeXT Inc. in einem Opernhaus einen überteuerten Schul-Computer. Trotzdem kehrt er Mitte der Neunzigerjahre zurück an die Spitze des kriselnden Apple-Konzerns, dem er 1998 mit dem iMac einen bahnbrechenden Erfolg verschafft und damit den Grundstein für die Apple-Manie des frühen 21. Jahrhunderts legt.

In diesen drei Episoden kartografieren Boyle und Sorkin das Phänomen Steve Jobs. Das mag aufgrund der extremen Komprimierung eines kreativen Lebens auf drei sehr eingeschränkte Schlaglichter mitunter etwas steif und künstlich wirken, tut der eindringlichen Faszination dieses packenden Films aber kaum Abbruch. Aufgehängt an technischen Problemen und zwischenmenschlichen Krisen – etwa zwischen Jobs und seiner einstigen Partnerin Chrisann Brennan (Katherine Waterston) und deren Tochter Lisa (Makenzie Moss, Ripley Sobo und Perla Haney-Jardine), zu deren Vaterschaft sich Jobs nicht bekennt – und durchsetzt von kurzen Rückblenden, nähert sich der Film der fundamentalen Problematik seiner Hauptfigur. Jobs ist sowohl der Inbegriff inspirierenden Unternehmergeistes als auch der kalkulierende reiche Kontrollfreak, der innige Freund und der gefühlskalte Einzelgänger.

1984, 1988 und 1998 führt Jobs im Backstage-Bereich der Präsentation hitzige Diskussionen, etwa mit Marketing-Chefin Joanna Hoffman (Kate Winslet) und Programmierer Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg).
© Universal Pictures Switzerland
Vermittelt wird dies allein durch Sorkins rasante, messerscharfe Dialoge, die in Boyles klinisch-präziser und von Daniel Pembertons minimalistischem Ambient-Score grossartig ergänzter Inszenierung ihre ideale – gäbe es The Social Network nicht, könnte man sagen: perfekte – Entsprechung finden. Wenn Jobs seinem Freund Steve Wozniak (Seth Rogen) – dem "technischen Herzen" der frühen Apple-Jahre, erklärt, dass er als Nicht-Ingenieur der Dirigent sei, der das Orchester der Computertechniker leite, ist es schwer, nicht an Boyle zu denken, der Sorkins sorgfältig gesetzten Worten die filmische Poesie entlockt.

Zwar kann sich auch Steve Jobs, wie bereits Jobs, der finalen Salbung der Titelfigur nicht erwehren – Jobs' Anerkennung der eigenen Fehlbarkeit kommt einer tiefen Verneigung gleich, die dem Film als Ganzem nicht unbedingt gerecht wird; doch das genügt nicht, um der stimmigen Arbeit Boyles und Sorkins ihre Eindringlichkeit abzusprechen. Für den emotionalen Kern sorgen indes die ausgezeichneten Schauspielleistungen, von denen neben Fassbenders Darbietung besonders jene von Michael Stuhlbarg (als Programmierer Andy Hertzfeld), Seth Rogen, Jeff Daniels (als Apple-CEO John Sculley) und Kate Winslet (als Marketing-Chefin und Jobs-Vertraute Joanna Hoffman) in Erinnerung bleiben. So wird der Film über den zögerlich gefeierten Egomanen von Apple zu einem Musterbeispiel für mitreissendes, flüssiges und ungemein sagenhaft kurzweiliges Kollektiv-Kino aus der Hollywood-Fabrik.

★★★★

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