Joy (Jennifer Lawrence) – die Figur basiert auf der realen Unternehmerin Joy Mangano – ist eine kluge junge Frau, deren belastete Familienverhältnisse sie daran hindern, mittels einer College-Ausbildung ihre Zukunftschancen zu verbessern. Nach ihrer Scheidung von Joys Vater Rudy (Robert De Niro) verschanzt sich Mutter Terri (Virginia Madsen) in ihrem Zimmer und verfolgt tagein tagaus das Geschehen in ihrer Lieblings-Seifenoper; derweil Rudy mit Joys Halbschwester Peggy (Elisabeth Röhm) versucht, eine mässig erfolgreiche Autowerkstatt über Wasser zu halten. Anstatt ihre zahlreichen Ideen verwirklichen und ihre Haushalts-Erfindungen patentieren lassen zu können, bemüht sich Joy darum, die Manganos vor dem mentalen und finanziellen Ruin zu bewahren.
Doch die inzwischen geschiedene zweifache Mutter erhält unverhofft die Gelegenheit, sich als Geschäftsfrau zu beweisen, als Rudy sich in die reiche Witwe Trudy (Isabella Rossellini) verliebt, die zögernd bereit ist, Joys neueste Erfindung – einen selbstauswringenden Wischmopp aus Plastik – zu finanzieren. Doch der ohnehin schon steinige Weg zum Erfolg ist geprägt von Rückschlägen, hinterlistigen Geschäftspartnern und einer unablässig nörgelnden Familie.
Hitzige Auseinandersetzungen am Familientisch, die verzweifelte, nicht immer legal geführte Suche nach Ruhm und finanzieller Stabilität, der Glaube an den Amerikanischen Traum vor dem Hintergrund des Hyperkapitalismus zwischen Carter und Clinton – Russell macht in Joy da weiter, wo er vor zwei Jahren mit American Hustle aufgehört hat. Wie auch schon in The Fighter und Silver Linings Playbook wirbelt seine Kamera durch den Raum, den Figuren dicht auf den Fersen; sie bietet rasante Rundumblicke der Schauplätze, in denen der einmal mehr herausragend aufspielende Cast Dialoge austauscht, die in ihren besten Momenten daran erinnert, dass Screwball noch nicht tot ist.
Diesen populärhistorischen Blick auf die jüngere amerikanische Vergangenheit verwebt Russell mit einer flott vorgetragenen, an sich leicht verdaulichen Underdog-Geschichte, die, neben Jennifer Lawrences grossartiger Darbietung, besonders durch ihre streckenweise äusserst kuriose Inszenierung auffällt. Joy wirkt skizzenhafter und zugleich konzeptioneller als seine Vorgänger. Zeichneten sich The Fighter und Silver Linings Playbook noch durch ihren angedeuteten Sozialrealismus aus, scheint dieser Film den ironischen Hyperrealismus von American Hustle – mit seinen stilisierten Kostümen und überzeichneten Frisuren – weiterzuführen.
Die erste Szene zeigt eine durchzogen gespielte, ungeschnittene Seifenoperszene in Schwarzweiss, die wenig später auf Terris Bildschirm in einer sauber montierten Fassung zu sehen ist. Diverse Schauplätze wirken seltsam leer, wodurch Joy teils fast schon eine theaterhafte Aura erhält – ein Gefühl, das durch abrupte Rückblenden noch verstärkt wird. Obwohl der Bezug dieser gewollten Brüche zur erzählten Geschichte nie wirklich hergestellt wird, steht diese Experimentierfreude Russells Kino nicht schlecht zu Gesicht, gerade im Vergleich mit dem etwas allzu routiniert aufgezogenen American Hustle.
Mit Hilfe des Geschäftsmannes Neil Walker (Bradley Cooper) schafft es Joy, eine ihrer Erfindungen auf den Markt zu bringen. © 2015 Twentieth Century Fox Film Corporation |
Doch nicht alles Ungewöhnliche vermag aufzugehen. Joys als Erzählerin abkommandierte Grossmutter Mimi wirkt trotz einer soliden Performance von Diane Ladd wie ein verschwendeter Kniff. Überhaupt bekundet Russell hier Mühe damit, seinen unkonventionellen Ideen die passende Rahmung zu geben. Bemerkbar macht sich dies vor allem in Form des letztlich enttäuschenden Drehbuchs – einem Bereich des Filmemachens, der eigentlich zu den Stärken dieses Regisseurs gehört. Zu oft sprechen hier Figuren darüber, wie sie sich gerade fühlen; zu unbeholfen wirken ihre gedanklichen Reisen in die Vergangenheit ("Remember that party where it all started?"). Das Bisschen Innovation in Joy geschieht auf Kosten von ein wenig Virtuosität.
★★★★
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