Ganz neu ist die Idee nicht. Davon abgesehen, dass der Stil eine fast schon zwangsläufige Evolution des Found-Footage-Horrors von The Blair Witch Project (1999) und Paranormal Activity (2007) ist, hat Chagantys Produzent, der Kasache Timur Bekmambetov (Wanted, Abraham Lincoln: Vampire Hunter), diese Sparte in den letzten Jahren zunehmend für sich beansprucht: Unter seinem Einfluss sind Computerbildschirm-Horrorfilme wie Unfriended (2014) oder Profile (2018) entstanden. Es wird nicht lange dauern, bis sich dieser Gimmick totgelaufen hat. Doch wenn es soweit ist, wird Searching als ein Höhepunkt des Subgenres in Erinnerung bleiben.
Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass sich der Film erzählerisch nur bedingt von seiner extravaganten Ästhetik leiten lässt. In bester Thriller- und Mystery-Manier lässt sich seine Handlung auf wenige Sätze herunterbrechen: Die High-School-Schülerin Margot (Michelle La) ist verschwunden. Ihr verwitweter Vater David (ein grossartiger John Cho) macht sich mithilfe der Polizistin Rosemary (Debra Messing) auf die Suche.
Zu dieser narrativen Geradlinigkeit passt auch, dass sich Searching nie anmasst, ein Film über die im Rampenlicht stehende Technologie zu sein. Obwohl die berüchtigte Internet-Anonymität hier durchaus von Belang ist, sind im Drehbuch von Chaganty und Co-Autor Sev Ohanian keine technophoben Untertöne zu spüren. Vielmehr entsteht der Eindruck, etwas Zeitgemässem, längst Überfälligen beizuwohnen: Informationstechnologie und mobile Kommunikation gehören seit gut einer Generation – Margots Generation, um genau zu sein – zum Alltag. Zeit, dass das Kino auch dieser digitalen Seite des menschlichen Lebens Rechnung trägt.
David (John Cho) sucht seine Tochter – und das Publikum sieht auf Smartphone- und Computerbildschirmen zu. © Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH |
Auf dieser festen stilistischen Basis bauen Chaganty und Ohanian ihr Thrillerkonstrukt, welches durchgehend spannend bleibt – selbst wenn sich gegen Ende einige genretypische Unglaublichkeiten einschleichen. Doch weder diese noch die etwas überhastete Auflösung vermögen das letztliche Gelingen des Projekts zu verhindern: Dazu ist das Ganze schlicht zu kurzweilig und zu mitreissend. Searching ist ein Film, wie ihn wohl Alfred Hitchcock gemacht hätte, wenn er in den 2010er Jahren gearbeitet hätte – eine hervorragend inszenierte Achterbahnfahrt mit einem gesunden Hang zu trendigen Spielereien.
★★★★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen