4.5 Sterne
Filme über Menschen in schwierigen Lebenslagen stehen zurzeit hoch im Kurs. Man behandelt die Geschichte einer schwangeren 16-Jährigen (Juno, ein Oscar, drei weitere Nominationen), eines Anwalts in einer Existenzkrise (Michael Clayton, ein Oscar, sechs weitere Nominationen) oder die wahre Geschichte eines vollständig gelähmten Lebemannes (Le scaphandre et le papillon, vier Oscar-Nominationen). Bei Lars and the Real Girl steht nun ein halluzinierender - Verzeihung, unter einer Wahnsvorstellung leidender - Soziophober, der sich in eine Silikonpuppe verliebt, im Mittelpunkt. Regisseur Craig Gillespie unternahm hier den Versuch, beobachtend Lars' Wahnvorstellung zu zeigen. Und dies gelingt wirklich sehr gut.
Ryan Gosling ist in Europa nicht sonderlich bekannt. Der Film, der ihm eine Oscar-Nomination eingebracht hat - Half Nelson - ist bei uns nie angelaufen. Schade, denn der Mann ist ein Allroundtalent, der in Dramen und in Komödien gleichermassen aufzublühen vermag. Aber nicht nur er, der den sympathischen und verklemmten Lars lebensnah und glaubhaft mimt, überzeugt in seiner Rolle. Emily Mortimer bringt in Lars and the Real Girl eine absolut starke Performance. Ihre Figur, Lars' schwangere Schwägerin, ist das perfekte Gegenstück zu den beiden männlichen Hauptaktueren, welche beide eher unsicher durchs Leben gehen (Gus, gespielt von Paul Schneider, hat über die ganze Länge des Films die meisten Lacher auf seiner Seite).
Der Film ist eine typische Tragikomödie; das an sich ernste Thema wird humorvoll verarbeitet, dieser Kontrast gelingt nicht immer. Während in der ersten Hälfte die Komik der Absurdität überwiegt, erhält der Film im zweiten Teil zunehmend melodramatische Züge. Dies ist für den Zuschauer nicht immer einfach, doch Lars and the Real Girl bleibt durch und durch unterhaltsam und berührend. Man freut sich enorm für den auftauenden Lars, der die Einladung zum Bowling von einer Arbeitskollegin nach einigem Zögern annimmt. Und man kommt auch nicht umhin, vor Rührung Tränen in den Augen zu haben, wenn Lars bei einen erhängten (!) Teddybär erfolgreich "wiederbelebt". Auf der gefühlsmässigen Ebene funktioniert Lars and the Real Girl hervorragend.
Über das für einen Oscar nominierte Drehbuch lässt sich hier nicht viel sagen. Es lebt vom ungewöhnlichen Thema des Films und setzt weniger auf Spannungsmomente als auf Szenen voller stummer Komik, die viel vom Reiz des Filmes ausmachen.
Einen allzu grossen Spannungsbogen darf bei Lars and the Real Girl nicht erwartet werden. Doch man erfreut sich an der Entwicklung des Einzelgängers Lars und dem Umgang seiner Umgebung mit der neuen Situation. Craig Gillespie erzählt eine Geschichte, die dem Zuschauer eine Lehre erteilt. Die Kraft der Gemeinschaft und der (unmöglichen) Liebe sei nicht zu unterschätzen!
Dem Film ist diese Aussage wirklich eine Herzensangelegenheit. Dies macht ihn sympathisch und lässt kleinere, etwas zu amerikanisch geratene Stellen, schnell vergessen.
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