5.5 Sterne
Musikdokus sind heikle Angelegenheiten. Es ist für einen Regisseur nicht einfach, eine gute Balance zwischen Berichterstattung, Musikaufnahmen und Interviews zu finden. Erweist sich eine Materie als zu kompliziert, dann gibts ja auch noch den Konzertfilm, der damit glänzt, ein Live-Konzert gekonnt abzufilmen und kleine Archivschnipsel einzubauen. Ein Experte darin ist der bekennende Rockfan Martin Scorsese, der bereits zwei derartige Filme gedreht hat, von denen gesagt wird, sie seien Meisterstücke des Genres. Der eine ist The Last Waltz, ein Konzertfilm über das letzte Konzert von The Band, der andere ist der zweiteilige Dreieinhalbstünder No Direction Home über den Anfang der Karriere von Bob Dylan. Nun sind die Rolling Stones dran, deren virtuose Bühnenshows die Leute seit jeher zu begeistern vermögen.
Bill Clinton verpflichtete für seinen 60. Geburtstag 2006 die Rolling Stones, um ihm und seinen Freunden eine unvergessliche Rockshow bieten zu können. Der Schauplatz: Beacon-Theater, New York. Und da fangen die Probleme bereits an; die Stones sind an gigantische Säle und Stadien gewöhnt, mit deren Massen das Beacon niemals mithalten könnte. Gleichzeitig ist Mick Jagger besorgt, weil Martin Scorseses Kameras Band und Publikum stören und gefährden könnten. Dies und vieles mehr liefert Stoff für die ersten zehn Minuten von Shine a Light, ein Dokuanfang, wie er nur selten gelang. Alles stimmt, jeder Akteur ist etwas nervös, mit Billard und Samlltalk hilft man sich darüber hinweg, Jagger übt einen Muddy Waters-Song, Scorsese bemüht sich, die Setlist für das Konzert zu bekommen, die Bühnenbildner sind sich uneins, wieviel Platz die Stones beanspruchen etc., etc. Da ist man wirklich mittendrin im Geschehen und man kann nicht widerstehen, bei Scorseses Worten "First song!" aufzuschreien und zu jubeln, denn auf das Kommando des Regisseurs schwenkt die Kamera zu Keith Richards, aus Schwarz-Weiss wird Farbe und im Kino und im Beacon ertönt Jumpin' Jack Flash. Das ist Rock in Reinform.
Überhaupt versteht es der profilierte Italoamerikaner Scorsese hervorragend, die wilde Rockmusik der Rolling Stones einzufangen. Leider ist der Ton teilweise etwas zu leise geraten, gegen Schluss wird aber auch dieses Manko behoben und der totalen Live-Atmosphäre steht nichts mehr im Weg. Es darf auf keinen Fall erwartet werden, man bekomme noch nicht bekannte Hintergrundinformationen geliefert, die Archiveinschübe bestehen aus kurzen, sehr unterhaltsamen Sequenzen, die einem eine vage Ahnung der Evolution der Rocker gibt. Ungeeignet ist Shine a Light auch für Nicht-Stones-Fans, denn diese werden sich zwei Stunden lang nur langweilen, der Film sollte also wie ein normales Konzert gemieden werden.
Vergleiche mit No Direction Homesind sind sinnlos, Vergleiche mit The Last Waltz eher schwierig (anderer Musikstil, weniger vielfältige Performance). Niemand wird wegen Shine a Light zum Fan von Jagger und Co.
Doch man darf sich bei diesem Film auf rockende zwei Stunden freuen. Und natürlich sind die Stones nicht ganz alleine; wie immer haben sie ihre Band im Rücken und als Gäste gibts Jack White (von den White Stripes, melodisch), Buddy Guy (cool) und Christian Aguilera (lasziv). Jeder Gast vermag zu überzeugen und bringt sein eigenes Können in die grandiose Show ein.
Fazit: Ein Konzertfilm erster Güte, den man sich als Rolling Stones-Fan nicht entgehen lassen sollte!
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