5 Sterne
Es ist mal wieder Zeit für einen leichten und fröhlichen französischen Film, der aber nicht die grosse Masse ins Publikum lockt. Doch kann nach Bienvenue chez les Ch'tis ein Film aus dem gallischen Raum noch reüssieren? Nun, ein kommerzieller Erfolg dürfte Noémie Lvovskys Komödie Faut que ça danse! nicht werden. Doch trotzdem spielt sich das vielfältige Schauspielerensemble direkt in die Herzen der Zuschauer.
Dem Gelegenheitskinogänger dürfte der Hauptdarsteller von Faut que ça danse! - Jean-Pierre Marielle - aus The Da Vinci Code bekannt sein, dort spielte der grosse, urfranzösische Mime den Museumsdirektor Saunière. Der Film floppte und von Marielle nahm niemand so richtig Notitz. Es ist zu hoffen, dass dem älteren Herrn nun etwas mehr Achtung entgegengebracht wird. Wer die Klassiker Hold-Up und Coup de torchon nicht gesehen hat, der sollte sich nun wenigstens Faut que ça danse! erbarmen, denn hier zeigt Jean-Pierre Marielle seine enorme Wandlungsfähigkeit und sein überragendes Schauspieltalent. Er bringt den Juden Salomon brillant auf die Leinwand, ein Mann, der einerseits unglaublich lebensfreudig, andererseits aber auch schwer traumatisiert ist - eine für eine Komödie sehr komplizierte Figur. Unterstützt wird Marielle von Valeria Bruni Tedesci (Schwester von Mme Sarkozy), Sabine Azéma, der für einen César nominierten Bulle Ogier, Bakary Sangaré, dessen Rolle auf der einen Seite zwar sehr lustig wirkt, auf der anderen Seite aber auch zu Tränen rühren könnte, und schliesslich Daniel Emilfork in seiner letzten Rolle als beflissener Arzt, der die abstruse Theorie hegt, übermässiger Geschlechtsverkehr führe zur Explosion der Prostata. Alle diese Akteure bewegen sich im Rahmen einer typischen, storyarmen Komödie, die aber gespickt ist mit Lebensfreude und Absurdität. Für einige Kritiker war gerade diese Absurdität der grösste negative Aspekt des Films. Man lege keinen Wert auf eine Szene, in welcher Salomon Hitler umbringt, tönte es beispielsweise auf OutNow.CH. Doch auch in der Internet Movie Database bringt es Faut que ça danse! bloss auf läppische 6.3 Sterne.
Ja, Noémie Lvovskys Film hat seine Schwächen, das ist so. Die Story ist etwas dünn geraten und auch spielt die Frau teilweise zu sehr mit dem Unverständlichen, so erscheinen einige Szenen Insider-Witze zu sein. Trotzdem sollte der Charme von Faut que ça danse! noch jeden überzeugen können. Mit einem Tempo und einer Fröhlichkeit, die den Film sehr jazzig machen, wird hier über die Liebe und das Älterwerden sinniert, immer vor dem Hintergrund einer etwas durchgeknallten französischen Familie.
Für Filmfreaks bietet Faut que ça danse! überdies noch diverse An- und Einspielungen verschiedenster Filme. So hören wir einen Monolog, was an The Godfather denn so toll sei, wir sehen eine eher widerliche Szene aus The Fly II und können uns über Steve Buscemi in In the Soup freuen. Wiederkehrendes Stilmittel ist der Tanzfilm Top Hat mit Salomons grossem Vorbild Fred Astaire.
Der Film ist bei weitem nicht perfekt, zeigt aber einmal mehr auf, wozu unsere westlichen Nachbarn fähig sind. Man fühlt sich wohl im Kino, man lacht und leidet mit den Protagonisten mit und so mancher ältere Zuschauer dürfte sich fragen, wo er denn Tanzstunden nehmen oder sich in einem Panzer verstecken könnte. Wen dieses Statement verwundert, dem sei gesagt: Faut que ça danse! muss man gesehen haben! Faut qu'on regarde!
Dienstag, 30. September 2008
Sonntag, 21. September 2008
You Don't Mess with the Zohan
3 Sterne
An dieser Stelle wurde ja bereits einmal über den Regisseur, Produzenten und Drehbuchautoren Judd Apatow sinniert. Nun steht ein weiteres Projekt, das die Hilfe des Mannes in Anspruch nahm (Drehbuch), an: You Don't Mess with the Zohan, ein neuer Frat-Pack-Film unter der Regie von Dennis Dugan (I Now Pronounce You Chuck and Larry). Wer sich auf einen Nonsens-Klamauk wie Dodgeball: A True Underdog Story freut, der muss enttäuscht werden.
You Don't Mess with the Zohan beginnt eigentlich ziemlich vielversprechend. Es wird geprügelt, geschossen und übertrieben, was das Zeug hält. Auch die teils sehr derben Zoten passen gut ins Bild. Doch bald schon wird man sich bewusst, dass in den folgenden zwei Stunden immer wieder auf die gleichen Witze gesetzt werden wird. Doch im Prinzip hätte man es voraussehen müssen.
Schon beim Ansehen des Casts muss man sich fragen, ob man sich den Film wirklich antun will. Man liest etwas von John Turturro, freut sich, liest aber anderswo auch, dass You Don’t Mess with the Zohan quasi eine Soloshow von Adam Sandler ist, den man schon weniger gern sieht als den kultigen Jesus Quintana aus The Big Lebowski. Und wenn man dennoch ins Kino geht? Dann wird einem gewiss: Adam Sandler ist schwach. Der Mann hat vielleicht den einen oder anderen guten Spruch drauf, doch ansonsten geht er dem Zuschauer über kurz oder lang auf die Nerven. Neben ihm kommt die gut ausgearbeitete Figur Phantom (John Turturro) viel zu kurz, obwohl dieser eine gelungene Karikatur des mondänen Terroristen wäre. Doch der Fairness zuliebe muss gesagt werden, dass man Sandler (Stichwort: Mr. Deeds) auch schon schlimmer gesehen hat. Die fehlende Gagvielfalt kann auch nicht ihm als Schauspieler in die Schuhe geschoben werden, dann schon eher ihm als Autoren. Die Drehbuchschreiber Sandler, Apatow und Robert Smigel konnten ihre an sich gute Idee nicht besonders gut ausbauen und setzten auf Sexwitze und herumgekickt werdende Katzen, was überhaupt nicht lustig ist. Auch Wortwitz ist so gut wie nicht vorhanden, ausser wenn das New Yorker Terroristentrio am Werk ist. Dann nämlich erlangt der Film eine Absurdität und Bissigkeit, die er ansonsten eher vermissen lässt.
Dies führt zu einem weiteren, gravierenden Problem: You Don’t Mess with the Zohan ist zahnlos. Bevor der Film startete, bekam man überall zu lesen, wie hier die politische Unkorrektheit zur Perfektion gebracht wurde. Hat man den Film gesehen, versteht man diese Jubelschreie beim besten Willen nicht. Kaum je wird ein bissiger Kommentar gemacht, ausser platten und anstössigen Witzchen auf Teenagerniveau wird einem nichts Brisantes geboten, obwohl doch der Stoff, der auf dem israelisch-palästinensischen Konflikt aufbaut, zu derartigen Persiflagen geradezu einlädt. Nein, nichts dergleichen, der Film bewegt sich in eher gemässigten Bahnen und hat selten einen wirklich bösen Spass vorzuweisen.
Dennoch darf während des Films ruhig mal geschmunzelt werden. Wenn John Turturro am Werk ist oder Zohan mal locker ein paar Randalierer verprügelt, ist mächtig was los. Auch die Karikierung der Möchtegern-Terroristen und der amerikanischen Rassisten oder die Hisbollah-Hotline laden zu mehreren Lachern ein. So hat man das Gefühl, dass, als diese Witze geschrieben wurden, Judd Apatow bei den Drehbuchautoren mal wieder vorbeigeschaut hat.
So gut und lustig, wie es im Vorfeld behauptet wurde, ist You Don’t Mess with the Zohan leider nicht geworden. Dies mag viele Ursachen haben. Die Hauptfigur wurde sicherlich falsch besetzt, denn Adam Sandler nervt auf Dauer wohl auch noch den hintersten und letzten Kinobesucher, und das Drehbuch wurde eines, wie man es schon viele Male vorher gesehen hat. Trotzdem kann man sich bei diesem Film mal wieder an kleineren, etwas altmodischeren Komödienelementen wie endlosen Telefonnummern oder stinkenden Füssen erfreuen. Wäre auf solche Lacher gesetzt worden, anststatt auf Teufel komm raus auf Neues und Freches, dann wäre aus You Don’t Mess with the Zohan vielleicht doch noch etwas Besseres geworden.
An dieser Stelle wurde ja bereits einmal über den Regisseur, Produzenten und Drehbuchautoren Judd Apatow sinniert. Nun steht ein weiteres Projekt, das die Hilfe des Mannes in Anspruch nahm (Drehbuch), an: You Don't Mess with the Zohan, ein neuer Frat-Pack-Film unter der Regie von Dennis Dugan (I Now Pronounce You Chuck and Larry). Wer sich auf einen Nonsens-Klamauk wie Dodgeball: A True Underdog Story freut, der muss enttäuscht werden.
You Don't Mess with the Zohan beginnt eigentlich ziemlich vielversprechend. Es wird geprügelt, geschossen und übertrieben, was das Zeug hält. Auch die teils sehr derben Zoten passen gut ins Bild. Doch bald schon wird man sich bewusst, dass in den folgenden zwei Stunden immer wieder auf die gleichen Witze gesetzt werden wird. Doch im Prinzip hätte man es voraussehen müssen.
Schon beim Ansehen des Casts muss man sich fragen, ob man sich den Film wirklich antun will. Man liest etwas von John Turturro, freut sich, liest aber anderswo auch, dass You Don’t Mess with the Zohan quasi eine Soloshow von Adam Sandler ist, den man schon weniger gern sieht als den kultigen Jesus Quintana aus The Big Lebowski. Und wenn man dennoch ins Kino geht? Dann wird einem gewiss: Adam Sandler ist schwach. Der Mann hat vielleicht den einen oder anderen guten Spruch drauf, doch ansonsten geht er dem Zuschauer über kurz oder lang auf die Nerven. Neben ihm kommt die gut ausgearbeitete Figur Phantom (John Turturro) viel zu kurz, obwohl dieser eine gelungene Karikatur des mondänen Terroristen wäre. Doch der Fairness zuliebe muss gesagt werden, dass man Sandler (Stichwort: Mr. Deeds) auch schon schlimmer gesehen hat. Die fehlende Gagvielfalt kann auch nicht ihm als Schauspieler in die Schuhe geschoben werden, dann schon eher ihm als Autoren. Die Drehbuchschreiber Sandler, Apatow und Robert Smigel konnten ihre an sich gute Idee nicht besonders gut ausbauen und setzten auf Sexwitze und herumgekickt werdende Katzen, was überhaupt nicht lustig ist. Auch Wortwitz ist so gut wie nicht vorhanden, ausser wenn das New Yorker Terroristentrio am Werk ist. Dann nämlich erlangt der Film eine Absurdität und Bissigkeit, die er ansonsten eher vermissen lässt.
Dies führt zu einem weiteren, gravierenden Problem: You Don’t Mess with the Zohan ist zahnlos. Bevor der Film startete, bekam man überall zu lesen, wie hier die politische Unkorrektheit zur Perfektion gebracht wurde. Hat man den Film gesehen, versteht man diese Jubelschreie beim besten Willen nicht. Kaum je wird ein bissiger Kommentar gemacht, ausser platten und anstössigen Witzchen auf Teenagerniveau wird einem nichts Brisantes geboten, obwohl doch der Stoff, der auf dem israelisch-palästinensischen Konflikt aufbaut, zu derartigen Persiflagen geradezu einlädt. Nein, nichts dergleichen, der Film bewegt sich in eher gemässigten Bahnen und hat selten einen wirklich bösen Spass vorzuweisen.
Dennoch darf während des Films ruhig mal geschmunzelt werden. Wenn John Turturro am Werk ist oder Zohan mal locker ein paar Randalierer verprügelt, ist mächtig was los. Auch die Karikierung der Möchtegern-Terroristen und der amerikanischen Rassisten oder die Hisbollah-Hotline laden zu mehreren Lachern ein. So hat man das Gefühl, dass, als diese Witze geschrieben wurden, Judd Apatow bei den Drehbuchautoren mal wieder vorbeigeschaut hat.
So gut und lustig, wie es im Vorfeld behauptet wurde, ist You Don’t Mess with the Zohan leider nicht geworden. Dies mag viele Ursachen haben. Die Hauptfigur wurde sicherlich falsch besetzt, denn Adam Sandler nervt auf Dauer wohl auch noch den hintersten und letzten Kinobesucher, und das Drehbuch wurde eines, wie man es schon viele Male vorher gesehen hat. Trotzdem kann man sich bei diesem Film mal wieder an kleineren, etwas altmodischeren Komödienelementen wie endlosen Telefonnummern oder stinkenden Füssen erfreuen. Wäre auf solche Lacher gesetzt worden, anststatt auf Teufel komm raus auf Neues und Freches, dann wäre aus You Don’t Mess with the Zohan vielleicht doch noch etwas Besseres geworden.
Freitag, 19. September 2008
Happy-Go-Lucky
4.5 Sterne
Die Arbeiterklasse Londons ist das Lieblingsthema vom alten Regiehasen Mike Leigh. Ähnlich wie sein etwas älterer und auch leicht zynischerer Kollege Ken Loach interessiert er sich für die Mittel- bis Unterschicht und bringt er immer mal wieder einen Film zu diesem Sujet ins Kino. Nun hat Leigh alle überrascht. Sein neuestes Werk - der beschwingte und fröhliche Happy-Go-Lucky - steht in starkem Kontrast zu seinem letzten Werk - dem viel bewunderten Vera Drake, der immerhin mit drei Oscarnominationen bedacht wurde, inklusive "Beste Regie". Happy-Go-Lucky sollte eine Komödie sein, doch hat man den Film gesehen, weiss man beim besten Willen nicht, was es nun wirklich ist.
Den ersten Lacher des Films bekommt man nach einigen wenigen, eher stummen Minuten serviert: Poppy, die Hauptfigur, tritt an eine Mauer, an der sie zuvor ihr Fahrrad abgestellt hat, und sieht, dass der Drahtesel nicht mehr da ist. Sie regt sich nicht etwa auf, wie das sonst wohl die normale Reaktion eines Menschen ist, sondern sie lacht, zuckt mit den Schultern und beklagt, dass sie sich nicht einmal verabschieden konnte. Dies hört sich nicht nach viel an, doch die Leichtigkeit, mit der die Linie vorgetragen wird, überträgt sich direkt auf den Zuschauer. Massgeblich daran beteiligt ist sicher Hauptdarstellerin Sally Hawkins, die bereits für Mike Leighs Filme Vera Drake und All or Nothing vor der Kamera stand. Sie haucht der aufgedrehten und herzensguten Poppy Leben ein und stimmt gleichzeitig die Leute im Kino ungemein froh und zufrieden. Mehr als einmal hat sie auch einen treffenden Spruch auf Lager, der aber nie unter die Gürtellinie zielt, sondern einfach nur als harmloses Witzchen gemeint ist. Für den Haha-Humor in Happy-Go-Lucky ist ein anderer zuständig: Eddie Marsan, bekannt aus grösseren Produktionen wie Gangs of New York, Match Point und - Wer hätte das gedacht? - Vera Drake. Er spielt den Fahrlehrer Scott mit viel Charisma und geht regelmässig in bester Donald-Duck-Manier an die Decke (respektive ans Autodach). Auch seine absurde Bennenung der verschiedenen Fahrzeugteile ist immer wieder für Lacher gut, besonders seine Tagline "Enraha!" (gemeint ist der Innenspiegel). Die weiteren Schauspieler zu nennen wäre reine Zeilenschinderei, denn der Film ist klar auf Sally Hawkins zugeschnitten, die den Streifen auch problemlos trägt. Und ausser Marsan vermag kein Nebenakteur besonders hervorzustechen.
Doch was ist Happy-Go-Lucky eigentlich? Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Komödie mit Feelgood-Elementen. Bald muss sich aber jeder eingestehen, dass auch Komödien und Feelgood-Filme eine mehr oder weniger durchdachte Story haben und die Figuren in der Regel eine Entwicklung - zum Guten oder zum Schlechten - durchmachen. Solche Merkmale kann man bei Mike Leighs Film lange suchen. Man hat das Gefühl, es wären einfach ein paar einzelne Episoden erdacht und gefilmt worden, es wurde eine sehr kleine Story eingefügt und voilà! Fertig war der Film. Erinnerungen an Once kommen da spontan hoch. Doch trotzdem vermag Happy-Go-Lucky zu entzücken. Klar, wenn man müde ist, kann man ohne jegliche Probleme ein Schläfchen von ein paar Minuten halten. Verpasst man die Exposition nicht, dann kommt man mühelos mit. Ob das ein gutes Zeichen für einen Film ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass man kaum umhin kommt, sich dem Charme von Poppy zu entziehen.
Mike Leighs neuster Film ist eigentlich gar keiner. An Happy-Go-Lucky ist so ziemlich nichts Filmisches dran, ausser dass sich die gezeigten Bilder bewegen. Er klinkt sich ins Leben einer hochzufriedenen Frau ein und schaltet nach zwei Stunden wieder ab. Nicht mehr und nicht weniger. Gelangweilt wird nie, unterhalten und berührt wird immer. Und wenn ein Film dies schafft, dann hat er sicherlich das Prädikat "Empfehlenswert", wenn nicht sogar "Geheimtipp" verdient.
Die Arbeiterklasse Londons ist das Lieblingsthema vom alten Regiehasen Mike Leigh. Ähnlich wie sein etwas älterer und auch leicht zynischerer Kollege Ken Loach interessiert er sich für die Mittel- bis Unterschicht und bringt er immer mal wieder einen Film zu diesem Sujet ins Kino. Nun hat Leigh alle überrascht. Sein neuestes Werk - der beschwingte und fröhliche Happy-Go-Lucky - steht in starkem Kontrast zu seinem letzten Werk - dem viel bewunderten Vera Drake, der immerhin mit drei Oscarnominationen bedacht wurde, inklusive "Beste Regie". Happy-Go-Lucky sollte eine Komödie sein, doch hat man den Film gesehen, weiss man beim besten Willen nicht, was es nun wirklich ist.
Den ersten Lacher des Films bekommt man nach einigen wenigen, eher stummen Minuten serviert: Poppy, die Hauptfigur, tritt an eine Mauer, an der sie zuvor ihr Fahrrad abgestellt hat, und sieht, dass der Drahtesel nicht mehr da ist. Sie regt sich nicht etwa auf, wie das sonst wohl die normale Reaktion eines Menschen ist, sondern sie lacht, zuckt mit den Schultern und beklagt, dass sie sich nicht einmal verabschieden konnte. Dies hört sich nicht nach viel an, doch die Leichtigkeit, mit der die Linie vorgetragen wird, überträgt sich direkt auf den Zuschauer. Massgeblich daran beteiligt ist sicher Hauptdarstellerin Sally Hawkins, die bereits für Mike Leighs Filme Vera Drake und All or Nothing vor der Kamera stand. Sie haucht der aufgedrehten und herzensguten Poppy Leben ein und stimmt gleichzeitig die Leute im Kino ungemein froh und zufrieden. Mehr als einmal hat sie auch einen treffenden Spruch auf Lager, der aber nie unter die Gürtellinie zielt, sondern einfach nur als harmloses Witzchen gemeint ist. Für den Haha-Humor in Happy-Go-Lucky ist ein anderer zuständig: Eddie Marsan, bekannt aus grösseren Produktionen wie Gangs of New York, Match Point und - Wer hätte das gedacht? - Vera Drake. Er spielt den Fahrlehrer Scott mit viel Charisma und geht regelmässig in bester Donald-Duck-Manier an die Decke (respektive ans Autodach). Auch seine absurde Bennenung der verschiedenen Fahrzeugteile ist immer wieder für Lacher gut, besonders seine Tagline "Enraha!" (gemeint ist der Innenspiegel). Die weiteren Schauspieler zu nennen wäre reine Zeilenschinderei, denn der Film ist klar auf Sally Hawkins zugeschnitten, die den Streifen auch problemlos trägt. Und ausser Marsan vermag kein Nebenakteur besonders hervorzustechen.
Doch was ist Happy-Go-Lucky eigentlich? Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Komödie mit Feelgood-Elementen. Bald muss sich aber jeder eingestehen, dass auch Komödien und Feelgood-Filme eine mehr oder weniger durchdachte Story haben und die Figuren in der Regel eine Entwicklung - zum Guten oder zum Schlechten - durchmachen. Solche Merkmale kann man bei Mike Leighs Film lange suchen. Man hat das Gefühl, es wären einfach ein paar einzelne Episoden erdacht und gefilmt worden, es wurde eine sehr kleine Story eingefügt und voilà! Fertig war der Film. Erinnerungen an Once kommen da spontan hoch. Doch trotzdem vermag Happy-Go-Lucky zu entzücken. Klar, wenn man müde ist, kann man ohne jegliche Probleme ein Schläfchen von ein paar Minuten halten. Verpasst man die Exposition nicht, dann kommt man mühelos mit. Ob das ein gutes Zeichen für einen Film ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass man kaum umhin kommt, sich dem Charme von Poppy zu entziehen.
Mike Leighs neuster Film ist eigentlich gar keiner. An Happy-Go-Lucky ist so ziemlich nichts Filmisches dran, ausser dass sich die gezeigten Bilder bewegen. Er klinkt sich ins Leben einer hochzufriedenen Frau ein und schaltet nach zwei Stunden wieder ab. Nicht mehr und nicht weniger. Gelangweilt wird nie, unterhalten und berührt wird immer. Und wenn ein Film dies schafft, dann hat er sicherlich das Prädikat "Empfehlenswert", wenn nicht sogar "Geheimtipp" verdient.
The Dark Knight
5.5 Sterne
Für DC-Comicfans war 2005 ein wichtiges Jahr: Christopher Nolan, gefeierter Regisseur von düsteren Thrillern wie Memento oder Insomnia, machte sich an eine Neuinterpretation von Batman. Sein Batman Begins sollte das Ansehen von Realspielfilmen über den dunklen Rächer von Gotham wieder etwas aufpolieren, denn Batman Forever entsprach überhaupt nicht dem Gusto der Kinozuchauer und wurde kurzerhand als Schrott abgestempelt. Nolan erfüllte seinen Auftrag, indem er dem Flattermann fast alle Comicelemente nahm und die tragische Geschichte von Bruce Wayne in einen ernsten Thriller verwandelte. Und nun - drei Jahre später - kommt The Dark Knight ins Kino, das wohl am ärgsten herbeigesehnte Sequel in jüngerer Zeit. Und siehe da: Christopher Nolan hat es geschafft, sich selbst zu übertreffen.
Wenige Wochen vor dem Start von The Dark Knight war die Vorfreude schon überall zu spüren. In den Kinos scharten sich Filminteressierte um die düster und bedrohlich aussehenden Filmplakate, um zu sehen, welchen mitspielenden Star man noch nicht entdeckt haben könnte, und man rätselte über die Performance des im Januar verstorbenen Schauspielers Heath Ledger (R.I.P. an dieser Stelle), der das schwere Erbe von Jack Nicholson antrat, den Bösewichten Joker zu spielen. Noch bevor der Film von Christopher Nolan überhaupt über die Leinwand flimmerte, war der neue, noch verrücktere Joker zur Kultfigur geworden, gehypt natürlich durch den Tod des Schauspielers. Doch die Leistung von Heath Ledger bedarf eigentlich keines Hypes, denn er kann hier sein ganzes schauspielerisches Talent in eine - zugegeben, sehr dankbare - Rolle stecken. Er lebt den Joker, er erschreckt den Kinogänger, er verstört ihn und - so traurig es klingt - er bringt uns zum Lachen. Wieso er diesen Effekt erzielt, vermag eigentlich keiner zu sagen. Der Joker ist ein hochintelligenter, psychopathischer Chaostheoretiker und -praktiker, der nur eines will: Gotham Citys geordnetes Leben ins - Nomen est Omen - Chaos stürzen. Doch er bringt in seinen Taten und Reden so viel Zynismus und teils sogar Selbstironie unter, dass man manchmal wirklich über die Gräuel hinwegsehen kann. Man kann Heath Ledger nicht genug loben, er hat sich mit dieser Rolle sicherlich ein Denkmal geschaffen. Es ist aber zum Glück nicht so, dass neben ihm die anderen Schauspieler untergehen. Hauptdarsteller Christian Bale spielt seine Janus-Figur souverän. Dem Batman nimmt man beide Seiten seines Charakters ab. Den Playboy bei Tag, den dunklen Ritter bei Nacht. Unterstützt wird er dabei von Gary Oldman, der gewohnt sicher agiert, Aaron Eckhart, der im dritten Akt des Films das einzige Comicelement darstellt, Morgan Freeman, den man in gar keiner anderen Rolle als der des netten, aber ironischen Mentors mehr sehen will, Maggie Gyllenhaal, die wohl als Element für einen dritten Teil benutzt wurde, und schliesslich noch Altstar Michael Caine, der - trotz sichtlicher Alterung - immer noch die besten Sprüche auf Lager hat.
Und damit wären wir beim Drehbuch angelangt, welches den Film-Gourmet die flachen Skripts anderer Comicverfilmungen vergessen lässt. Die Balance zwischen Thriller und Drama wird gut gehalten und hie und da darf auch gelacht werden. Das Brüderpaar Jonathan und Christopher Nolan hat in diesem Bereich ganze Arbeit geleistet, obwohl man die eine oder andere Szene hätte weglassen können. The Dark Knight begeistert zwar durch unglaubliche Spannung und Dichte, wirkt aber hie und da sinnlos in die Länge gezogen.
Ein Punkt, der während des Films sehr positiv auffällt, ist der Umgang mit Actionsequenzen. Diese sind interessant geschnitten und - wie der ganze Film - atemberaubend gefilmt. Kameramann Wally Pfister versteht sein Fach fürwahr. Die grosse Actionszene dauert gefühlte 20 Minuten, schafft es jedoch, nicht zu langweilen und am Ende klammert man sich an den Kinosessel vor Anspannung, wenn der Joker auf der Strasse steht und ruft: "Come on! Hit me! I want you to hit me! Hit Me!!!"
The Dark Knight erfüllt sämtliche Erwartungen, die man hegte und begeistert durch Virtuosität in allen Bereichen. Einigen Zuschauern wird der Schlussmonolog von Gary Oldman vielleicht übertrieben pathetisch vorkommen, doch es handelt sich dabei um die logische Folge aus den vergangenen zweieinhalb Stunden. So geht es mit dem Film - (fast) jede Szene hat eine Bewandtnis und das Eine folgt logischerweise aus dem Anderen. Kritikern, die denken, Comicverfilmungen sollten sich nicht an die heiligie Kuh des Thrillers heranwagen, sei folgendes Joker-Zitat vorzulegen: "Why so serious?!"
Für DC-Comicfans war 2005 ein wichtiges Jahr: Christopher Nolan, gefeierter Regisseur von düsteren Thrillern wie Memento oder Insomnia, machte sich an eine Neuinterpretation von Batman. Sein Batman Begins sollte das Ansehen von Realspielfilmen über den dunklen Rächer von Gotham wieder etwas aufpolieren, denn Batman Forever entsprach überhaupt nicht dem Gusto der Kinozuchauer und wurde kurzerhand als Schrott abgestempelt. Nolan erfüllte seinen Auftrag, indem er dem Flattermann fast alle Comicelemente nahm und die tragische Geschichte von Bruce Wayne in einen ernsten Thriller verwandelte. Und nun - drei Jahre später - kommt The Dark Knight ins Kino, das wohl am ärgsten herbeigesehnte Sequel in jüngerer Zeit. Und siehe da: Christopher Nolan hat es geschafft, sich selbst zu übertreffen.
Wenige Wochen vor dem Start von The Dark Knight war die Vorfreude schon überall zu spüren. In den Kinos scharten sich Filminteressierte um die düster und bedrohlich aussehenden Filmplakate, um zu sehen, welchen mitspielenden Star man noch nicht entdeckt haben könnte, und man rätselte über die Performance des im Januar verstorbenen Schauspielers Heath Ledger (R.I.P. an dieser Stelle), der das schwere Erbe von Jack Nicholson antrat, den Bösewichten Joker zu spielen. Noch bevor der Film von Christopher Nolan überhaupt über die Leinwand flimmerte, war der neue, noch verrücktere Joker zur Kultfigur geworden, gehypt natürlich durch den Tod des Schauspielers. Doch die Leistung von Heath Ledger bedarf eigentlich keines Hypes, denn er kann hier sein ganzes schauspielerisches Talent in eine - zugegeben, sehr dankbare - Rolle stecken. Er lebt den Joker, er erschreckt den Kinogänger, er verstört ihn und - so traurig es klingt - er bringt uns zum Lachen. Wieso er diesen Effekt erzielt, vermag eigentlich keiner zu sagen. Der Joker ist ein hochintelligenter, psychopathischer Chaostheoretiker und -praktiker, der nur eines will: Gotham Citys geordnetes Leben ins - Nomen est Omen - Chaos stürzen. Doch er bringt in seinen Taten und Reden so viel Zynismus und teils sogar Selbstironie unter, dass man manchmal wirklich über die Gräuel hinwegsehen kann. Man kann Heath Ledger nicht genug loben, er hat sich mit dieser Rolle sicherlich ein Denkmal geschaffen. Es ist aber zum Glück nicht so, dass neben ihm die anderen Schauspieler untergehen. Hauptdarsteller Christian Bale spielt seine Janus-Figur souverän. Dem Batman nimmt man beide Seiten seines Charakters ab. Den Playboy bei Tag, den dunklen Ritter bei Nacht. Unterstützt wird er dabei von Gary Oldman, der gewohnt sicher agiert, Aaron Eckhart, der im dritten Akt des Films das einzige Comicelement darstellt, Morgan Freeman, den man in gar keiner anderen Rolle als der des netten, aber ironischen Mentors mehr sehen will, Maggie Gyllenhaal, die wohl als Element für einen dritten Teil benutzt wurde, und schliesslich noch Altstar Michael Caine, der - trotz sichtlicher Alterung - immer noch die besten Sprüche auf Lager hat.
Und damit wären wir beim Drehbuch angelangt, welches den Film-Gourmet die flachen Skripts anderer Comicverfilmungen vergessen lässt. Die Balance zwischen Thriller und Drama wird gut gehalten und hie und da darf auch gelacht werden. Das Brüderpaar Jonathan und Christopher Nolan hat in diesem Bereich ganze Arbeit geleistet, obwohl man die eine oder andere Szene hätte weglassen können. The Dark Knight begeistert zwar durch unglaubliche Spannung und Dichte, wirkt aber hie und da sinnlos in die Länge gezogen.
Ein Punkt, der während des Films sehr positiv auffällt, ist der Umgang mit Actionsequenzen. Diese sind interessant geschnitten und - wie der ganze Film - atemberaubend gefilmt. Kameramann Wally Pfister versteht sein Fach fürwahr. Die grosse Actionszene dauert gefühlte 20 Minuten, schafft es jedoch, nicht zu langweilen und am Ende klammert man sich an den Kinosessel vor Anspannung, wenn der Joker auf der Strasse steht und ruft: "Come on! Hit me! I want you to hit me! Hit Me!!!"
The Dark Knight erfüllt sämtliche Erwartungen, die man hegte und begeistert durch Virtuosität in allen Bereichen. Einigen Zuschauern wird der Schlussmonolog von Gary Oldman vielleicht übertrieben pathetisch vorkommen, doch es handelt sich dabei um die logische Folge aus den vergangenen zweieinhalb Stunden. So geht es mit dem Film - (fast) jede Szene hat eine Bewandtnis und das Eine folgt logischerweise aus dem Anderen. Kritikern, die denken, Comicverfilmungen sollten sich nicht an die heiligie Kuh des Thrillers heranwagen, sei folgendes Joker-Zitat vorzulegen: "Why so serious?!"
Montag, 15. September 2008
The Bank Job
Der Trend der sogenannten Heist-Movies ist leider etwas abgeflacht. Filme wie Ocean's Eleven (2001) oder A Fish Called Wanda (1988) erfreuten jeweils den Zuschauer mit perfekten Plänen, kleinen Fehlern in der Ausführung und gegebenenfalls einem Herzschlagfinale. The Bank Job reiht sich zwar auch in diese Art Film ein, doch diesmal basiert die Geschichte auf wahren Begebenheiten und man sollte eigentlich einen Thriller oder einen spannenden Krimi erwarten. Doch wenn Briten hinter dem Projekt stehen, darf auch gelacht werden. Und wie.
Hauptdarsteller Jason Statham kennen wir bereits aus einem Gangsterfilm – dem kultigen Snatch (2000) von Guy Ritchie. Überhaupt hat der böse dreinblickende Mann ein Flair für etwas andere Filme, die gängige Konventionen über den Haufen werfen – man erinnert sich an Crank (2006) oder The Transporter (2002). Und nun steht also The Bank Job von Roger Donaldson auf dem Programm. Dieser hat einen Film gedreht, der sich zwar einige künstlerische Freiheiten erlaubt, sich aber dennoch an die Grundstruktur des berühmten Baker-Street-Coups hält.
The Bank Job vermag wirklich zu begeistern. Natürlich fragt man sich teilweise, warum jetzt eine Figur zu Tode gefoltert wird oder warum immer wieder etwas zu viel nackte Haut gezeigt wird, doch so etwas kommt in den besten Filmen vor. Nein, der Film besticht vor allem durch eine ausgeklügelte, der Wirklichkeit entlehnten Story und grandiosen Darstellern, die – mit Ausnahme von Jason Statham, der den zeitlosen britischen Arbeiter mimt – herrlich ins Setting vom London der Siebzigerjahre passen. Dies betrifft nicht nur Frisuren und Kleidung, sondern auch ihre Art zu sprechen, ihre Verhaltensweisen und ihren wunderbaren trockenen Humor, den man in einem Film von der Insel sehen will. Einen Kontrast dazu bildet in gewisser Weise Statham, dessen Figur unter dem grössten psychischen Stress zu leiden hat und sich einige Male zu herrlich zynischen Bemerkungen hinreissen lässt.
Die unübliche Art, einen Thrillerstoff zu erzählen ist ein weiterer Vorzug von The Bank Job. Er schafft es zwar nicht immer, den typischen Klischees auszuweichen, doch trotzdem nimmt sich Roger Donaldsons Film nie zu ernst und schafft eine Atmosphäre, welche die Balance zwischen britischer Komödie und Gangsterfilm immer zu halten versteht. So stört es auch nicht, wenn Gewaltszenen quasi nahtlos in den nächsten unterhaltsamen Dialog übergehen. Deshalb soll an dieser Stelle auch gleich den Drehbuchschreibern Dick Clement und Ian La Frenais ein Kompliment gemacht werden, die den Figuren die lustigsten Sprüche in den Mund legen (Lord Mountbatten: "This is the most exciting thing since the end of the war!"). Gleichzeitig aber wird viel Wert darauf gelegt, dass die politische Brisanz des Themas erhalten bleibt. Diesbezügliche Gespräche – manchmal auch etwas intensivere – runden das Skript sehr schön ab.
Zu guter Letzt sollte auch noch auf die spannende Bildsprache und die gelungenen Schnitte eingegangen werden. Vor allem dem Kameramann Michael Coulter ist es gelungen, die spezifische Grundstimmung einer Szene ideal in Bilder zu fassen – immer im leicht körnigen Bildstil der Siebzigerjahre. Auch der Schnitt von John Gilbert trägt zum positiven Gesamtbild von The Bank Job bei.
Hoffentlich ist The Bank Job der Anstoss zu einer neuen Welle von Heist-Filmen. Denn so unterhaltsam, temporeich und spannend hat man in jüngster Zeit selten einen Krimi gesehen. Man ist Roger Donaldson zu tiefstem Dank verpflichtet, dass er den Bankraub in der Baker Street von 1971 mit einem derart gelungenen Film aufzugreifen wusste.
★★★★
Hauptdarsteller Jason Statham kennen wir bereits aus einem Gangsterfilm – dem kultigen Snatch (2000) von Guy Ritchie. Überhaupt hat der böse dreinblickende Mann ein Flair für etwas andere Filme, die gängige Konventionen über den Haufen werfen – man erinnert sich an Crank (2006) oder The Transporter (2002). Und nun steht also The Bank Job von Roger Donaldson auf dem Programm. Dieser hat einen Film gedreht, der sich zwar einige künstlerische Freiheiten erlaubt, sich aber dennoch an die Grundstruktur des berühmten Baker-Street-Coups hält.
The Bank Job vermag wirklich zu begeistern. Natürlich fragt man sich teilweise, warum jetzt eine Figur zu Tode gefoltert wird oder warum immer wieder etwas zu viel nackte Haut gezeigt wird, doch so etwas kommt in den besten Filmen vor. Nein, der Film besticht vor allem durch eine ausgeklügelte, der Wirklichkeit entlehnten Story und grandiosen Darstellern, die – mit Ausnahme von Jason Statham, der den zeitlosen britischen Arbeiter mimt – herrlich ins Setting vom London der Siebzigerjahre passen. Dies betrifft nicht nur Frisuren und Kleidung, sondern auch ihre Art zu sprechen, ihre Verhaltensweisen und ihren wunderbaren trockenen Humor, den man in einem Film von der Insel sehen will. Einen Kontrast dazu bildet in gewisser Weise Statham, dessen Figur unter dem grössten psychischen Stress zu leiden hat und sich einige Male zu herrlich zynischen Bemerkungen hinreissen lässt.
© Lionsgate |
Zu guter Letzt sollte auch noch auf die spannende Bildsprache und die gelungenen Schnitte eingegangen werden. Vor allem dem Kameramann Michael Coulter ist es gelungen, die spezifische Grundstimmung einer Szene ideal in Bilder zu fassen – immer im leicht körnigen Bildstil der Siebzigerjahre. Auch der Schnitt von John Gilbert trägt zum positiven Gesamtbild von The Bank Job bei.
Hoffentlich ist The Bank Job der Anstoss zu einer neuen Welle von Heist-Filmen. Denn so unterhaltsam, temporeich und spannend hat man in jüngster Zeit selten einen Krimi gesehen. Man ist Roger Donaldson zu tiefstem Dank verpflichtet, dass er den Bankraub in der Baker Street von 1971 mit einem derart gelungenen Film aufzugreifen wusste.
★★★★
Montag, 8. September 2008
The Nanny Diaries
4 Sterne
Eine neue Liebeskomödie made in Hollywood? Sofort alle Alarmglocken auf Rot! Denn dieses Genre ist so frisch wie ein verfaulter Apfel und so geniessbar wie eine Flasche Lebertran - zumindest heutzutage. Dass der Streifen auch noch als halbe Satire verkauft wird, kann die Sache ja wohl kaum aufwerten! Und dann spielt auch noch das hübsche Gesichtchen Scarlett Johansson mit! Nein, diesen Film will man nicht sehen! Oder?
Wenn man am 31. Dezember 2008 während den Silvesterfeierlichkeiten das Kinojahr Revue passieren lässt, dann wird man bei der Sparte "Überraschung des Jahres" unweigerlich auf The Nanny Diaries stossen. Denn der neue Film von Shari Springer Berman und Robert Pulcini - Regisseure von American Splendor - vermag mit einer unterhaltsamen Story, passablen Schauspielern und einer guten Portion Zynismus zu überzeugen.
Selbstverständlich hat The Nanny Diaries mit Problemen zu kämpfen, die eine Rom-Com so mit sich bringt. Sprich: die Übertreibung der Nanny-Kind-Beziehung und der übermässige Charme des Traummannes. Doch der Film unterhält mit anderen Werten. Beispielsweise mit seiner Hauptdarstellerin Scarlett Johansson, die einmal mehr beweist, dass sie eine ernstzunehmende Schauspielerin ist, die ihre Aufgaben jeweils sehr genau nimmt. Sie spielt Annie mit viel Motivation und macht die Figur unglaublich sympathisch. Unterstützt wird sie von einer sehr bösen Laura Linney und einem Paul Giamatti, den man selten so gesehen hat. Wer es auf berühmte Namen abgesehen hat, wird noch mit der etwas uninspiriert dazugepappten Alicia Keys bedient. Immerhin offenbart die Musikerin ein gewisses schauspielerisches Talent, was einem die Peinlichkeit eines schlecht gespielten Auftritts erspart.
Wie gut ist aber die angekündigte Satire? Besonders in der ersten Hälfte überwiegen bissige Kommentare, gepaart mit einigen lustigen Dialogen zwischen Annie und ihrem Schützling Grayer. Doch leider werden satirische Einschübe immer seltener, je länger der Film dauert. Am Ende muss man sich als Zuschauer mit einer Rede von Scarlett Johansson begnügen. Doch diese Rede ist unglaublich befriedigend, denn für einmal nervt man sich nicht wegen des Happy Ends.
The Nanny Diaries ist zwar ein typischer Hollywoodfilm, der erst noch viele Ähnlichkeiten mit The Devil Wears Prada aufweist - Kunststück, die Romanvorlagen wurden beide von Direktbetroffenen verfasst - doch immer wieder überrascht der Streifen durch witzige Einfälle, absurde Situationen und zynische Sprüche. Keine hohe Filmkunst, aber dennoch ein Film zum Wohlfühlen.
Eine neue Liebeskomödie made in Hollywood? Sofort alle Alarmglocken auf Rot! Denn dieses Genre ist so frisch wie ein verfaulter Apfel und so geniessbar wie eine Flasche Lebertran - zumindest heutzutage. Dass der Streifen auch noch als halbe Satire verkauft wird, kann die Sache ja wohl kaum aufwerten! Und dann spielt auch noch das hübsche Gesichtchen Scarlett Johansson mit! Nein, diesen Film will man nicht sehen! Oder?
Wenn man am 31. Dezember 2008 während den Silvesterfeierlichkeiten das Kinojahr Revue passieren lässt, dann wird man bei der Sparte "Überraschung des Jahres" unweigerlich auf The Nanny Diaries stossen. Denn der neue Film von Shari Springer Berman und Robert Pulcini - Regisseure von American Splendor - vermag mit einer unterhaltsamen Story, passablen Schauspielern und einer guten Portion Zynismus zu überzeugen.
Selbstverständlich hat The Nanny Diaries mit Problemen zu kämpfen, die eine Rom-Com so mit sich bringt. Sprich: die Übertreibung der Nanny-Kind-Beziehung und der übermässige Charme des Traummannes. Doch der Film unterhält mit anderen Werten. Beispielsweise mit seiner Hauptdarstellerin Scarlett Johansson, die einmal mehr beweist, dass sie eine ernstzunehmende Schauspielerin ist, die ihre Aufgaben jeweils sehr genau nimmt. Sie spielt Annie mit viel Motivation und macht die Figur unglaublich sympathisch. Unterstützt wird sie von einer sehr bösen Laura Linney und einem Paul Giamatti, den man selten so gesehen hat. Wer es auf berühmte Namen abgesehen hat, wird noch mit der etwas uninspiriert dazugepappten Alicia Keys bedient. Immerhin offenbart die Musikerin ein gewisses schauspielerisches Talent, was einem die Peinlichkeit eines schlecht gespielten Auftritts erspart.
Wie gut ist aber die angekündigte Satire? Besonders in der ersten Hälfte überwiegen bissige Kommentare, gepaart mit einigen lustigen Dialogen zwischen Annie und ihrem Schützling Grayer. Doch leider werden satirische Einschübe immer seltener, je länger der Film dauert. Am Ende muss man sich als Zuschauer mit einer Rede von Scarlett Johansson begnügen. Doch diese Rede ist unglaublich befriedigend, denn für einmal nervt man sich nicht wegen des Happy Ends.
The Nanny Diaries ist zwar ein typischer Hollywoodfilm, der erst noch viele Ähnlichkeiten mit The Devil Wears Prada aufweist - Kunststück, die Romanvorlagen wurden beide von Direktbetroffenen verfasst - doch immer wieder überrascht der Streifen durch witzige Einfälle, absurde Situationen und zynische Sprüche. Keine hohe Filmkunst, aber dennoch ein Film zum Wohlfühlen.
Sonntag, 7. September 2008
Shotgun Stories
4.5 Sterne
Es gibt ein paar Filme, die trotz ihrer Langsamkeit nicht wirklich langweilig sind. Down By Law wäre ein solcher Film, The Band's Visit ein anderer. Und nun kommt das Slow-Motion-Werk von Jeff Nichols: Shotgun Stories - ein Film, der die Langsamkeit nicht als Abstraktion verwendet, sondern gezielt auf ein Stimmungsbild aus dem kargen US-Staat Arkansas aus ist. Und obwohl der Film im Zeitlupentempo voranschleicht, obwohl einem die 95 Minuten Laufzeit wie eine Ewigkeit vorkommen, beeindruckt Nichols' Film mit hervorragenden Darstellern und einer greifbar wütenden Grundstimmung.
Fürwahr, schenkt man Shotgun Stories Glauben, dann würde man sich hüten jemals einen Fuss in den Staat Arkansas setzen - so öd, unwirtlich und gottverlassen wird der Südstaat beschrieben. Zwar werden einem die Bewohner des Staates nicht als Hinterwäldler dargestellt - dieses Bild bekamen die Kinozuschauer von Georgia in Deliverance serviert - doch die konstante Anspannung und die angestaute Wut sind ganz klar zu spüren. Ein zusätzlicher Grund, warum einem Shotgun Stories trist vorkommt, ist sicher auch die Filmart: Es wurde nämlich auf Cinemascope gesetzt - das Ultrabreitbild, in dem Leerräume vorprogrammiert sind. Der Grossmeister Sergio Leone füllte diese Räume mit Grossaufnhamen, bei Jeff Nichols bleiben sie leer - er benutzt die Filmart, um das karge Bild von Arkansas zu unterstreichen.
Doch wer lebt in einer solchen Einöde? Die Hauptakteure sind White Trash erster Güte: Sie leben in älteren Häusern, Zelten und Wohnwagen, während die Antagonisten einen relativ luxuriösen Lebensstil pflegen, der aber auch nicht über die Einsamkeit hinwegtäuschen kann. Nein, wer in diesem Teil von Arkansas lebt - die Hauptstadt Little Rock hat immerhin mehrere hunderttausend Einwohner - ist wirklich zu bemitleiden. Gespielt werden die Unglücksseligen von einem starken Cast, wo man aber - wenn man ehrlich ist - keinen Namen so richtig kennt. Michael Shannon kennt man zwar vom Sehen als Nebendarsteller in diversen Filmen (zuletzt in Before the Devil Knows You're Dead), doch wer bitteschön sind Douglas Ligon oder Barlow Jacobs? Doch diese Wissenslücke tut eigentlich nichts zur Sache, denn jetzt kennt man die Schauspieler und das ist gut so. Die Darsteller in Shotgun Stories sind eine Geschichte für sich. Besonders hervorzuheben ist sicherlich Michael Shannon, der die Hauptfigur Son mit überzeugender Intensität spielt. In mancher ruhiger Szene ist sein wütendes Atmen, sein Schnauben das einzig Hörbare. Er ist so gut wie omnipräsent und verkörpert den typischen Loser aus dem Süden sehr gewissenhaft. Kaum je kommt ein Lächeln über seine Lippen und die Rede am Grab des Filmvaters ist dermassen eindringlich, dass man das Gefühl hat, sie sei im Grunde viel zu kurz. Doch auch Douglas Ligon und Barlow Jacobs machen ihre Sache mehr als gut. Beide überzeugen in ihren Rollen und bilden mit ihren jeweils etwas traurigen oder verlorenen Gesichtsausdrücken einen gelungenen Kontrast zur zornigen Grimasse von Michael Shannon. In weiteren Nebenrollen sind Lynnsee Provence, Michael Abbott Jr., David Rhodes und Travis Smith als Gegner der drei Protagonisten zu sehen. Diese Gegner sind zwar nicht allzu häufig zu sehen, doch wenn sie an der Reihe sind, überzeugen alle restlos.
Shotgun Stories ist ein Autorenfilm und Jeff Nichols hat glücklicherweise das Talent, ein stimmiges Drehbuch zu schreiben. Zwar übertreibt er es in der ersten Hälfte vielleicht etwas mit Charakterstudien und führt den Hauptplot etwas zu spät ein, doch die vereinzelt vorkommenden und sehr kurzen Dialoge enthalten viel Zunder und behandeln bisweilen auch philosophische Ansichten über das Leben am Arsch der Welt. Obwohl die Filmlänge nur knapp 95 Minuten beträgt, lässt sich der Film sehr viel Zeit, auf die verschiedenen Figuren einzugehen und zu zeigen, wie jede einzelne Person etwas tut, um den Tag hinter sich zu bringen. Und sei es, eine inoffizielle Basketballmannschaft mit Jugendlichen zusammenzustellen oder an einem alten Wohnwagen rumzutüfteln.
Wie bereits erwähnt, kommt der Film nur schleppend in Fahrt und wird erst etwa ab der Hälfte richtig spannend. Was folgt, ist ein halbstündiger, ruhiger und dichter Showdown, welcher in ein ungewöhnliches Ende mündet, das den einen oder anderen Kinobesucher enttäuschen dürfte. Doch dieser Kinogänger würde wohl schon vorher enttäuscht werden, denn der Titel weist zwar auf einen Film à la A History of Violence hin, doch richtig gewalttätig wird es kaum je. Und wenn, dann sind keine Schrotflinten involviert.
Interessierten sei ans Herz gelegt, sich den Film mit Untertiteln anzusehen. Die Originalversion ist aufgrund des zwar moderaten, aber dennoch schwer verständlichen Südstaatenakzents sowieso Pflicht, doch die Akteure nuscheln teilweise doch ziemlich, was das Verständnis zusätzlich behindert.
Shotgun Stories ist ein bedächtiger und intensiver Film, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Massen nicht ins Kino lockt. Dennoch ist das Erstlingswerk von Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols ein gelungenes Porträt von Arkansas und seinen Bewohnern - zu denen Nichols selbst gehört - geworden. Zwar wird man nicht von Beginn an hingerissen, doch bald schon wird man sich der Tiefe und der packenden Geschichte von Shotgun Stories bewusst. Doch nach Arkansas will man nun wirklich beim besten Willen nicht ziehen - trotz überwältigender Bilder in Cinemascope.
Es gibt ein paar Filme, die trotz ihrer Langsamkeit nicht wirklich langweilig sind. Down By Law wäre ein solcher Film, The Band's Visit ein anderer. Und nun kommt das Slow-Motion-Werk von Jeff Nichols: Shotgun Stories - ein Film, der die Langsamkeit nicht als Abstraktion verwendet, sondern gezielt auf ein Stimmungsbild aus dem kargen US-Staat Arkansas aus ist. Und obwohl der Film im Zeitlupentempo voranschleicht, obwohl einem die 95 Minuten Laufzeit wie eine Ewigkeit vorkommen, beeindruckt Nichols' Film mit hervorragenden Darstellern und einer greifbar wütenden Grundstimmung.
Fürwahr, schenkt man Shotgun Stories Glauben, dann würde man sich hüten jemals einen Fuss in den Staat Arkansas setzen - so öd, unwirtlich und gottverlassen wird der Südstaat beschrieben. Zwar werden einem die Bewohner des Staates nicht als Hinterwäldler dargestellt - dieses Bild bekamen die Kinozuschauer von Georgia in Deliverance serviert - doch die konstante Anspannung und die angestaute Wut sind ganz klar zu spüren. Ein zusätzlicher Grund, warum einem Shotgun Stories trist vorkommt, ist sicher auch die Filmart: Es wurde nämlich auf Cinemascope gesetzt - das Ultrabreitbild, in dem Leerräume vorprogrammiert sind. Der Grossmeister Sergio Leone füllte diese Räume mit Grossaufnhamen, bei Jeff Nichols bleiben sie leer - er benutzt die Filmart, um das karge Bild von Arkansas zu unterstreichen.
Doch wer lebt in einer solchen Einöde? Die Hauptakteure sind White Trash erster Güte: Sie leben in älteren Häusern, Zelten und Wohnwagen, während die Antagonisten einen relativ luxuriösen Lebensstil pflegen, der aber auch nicht über die Einsamkeit hinwegtäuschen kann. Nein, wer in diesem Teil von Arkansas lebt - die Hauptstadt Little Rock hat immerhin mehrere hunderttausend Einwohner - ist wirklich zu bemitleiden. Gespielt werden die Unglücksseligen von einem starken Cast, wo man aber - wenn man ehrlich ist - keinen Namen so richtig kennt. Michael Shannon kennt man zwar vom Sehen als Nebendarsteller in diversen Filmen (zuletzt in Before the Devil Knows You're Dead), doch wer bitteschön sind Douglas Ligon oder Barlow Jacobs? Doch diese Wissenslücke tut eigentlich nichts zur Sache, denn jetzt kennt man die Schauspieler und das ist gut so. Die Darsteller in Shotgun Stories sind eine Geschichte für sich. Besonders hervorzuheben ist sicherlich Michael Shannon, der die Hauptfigur Son mit überzeugender Intensität spielt. In mancher ruhiger Szene ist sein wütendes Atmen, sein Schnauben das einzig Hörbare. Er ist so gut wie omnipräsent und verkörpert den typischen Loser aus dem Süden sehr gewissenhaft. Kaum je kommt ein Lächeln über seine Lippen und die Rede am Grab des Filmvaters ist dermassen eindringlich, dass man das Gefühl hat, sie sei im Grunde viel zu kurz. Doch auch Douglas Ligon und Barlow Jacobs machen ihre Sache mehr als gut. Beide überzeugen in ihren Rollen und bilden mit ihren jeweils etwas traurigen oder verlorenen Gesichtsausdrücken einen gelungenen Kontrast zur zornigen Grimasse von Michael Shannon. In weiteren Nebenrollen sind Lynnsee Provence, Michael Abbott Jr., David Rhodes und Travis Smith als Gegner der drei Protagonisten zu sehen. Diese Gegner sind zwar nicht allzu häufig zu sehen, doch wenn sie an der Reihe sind, überzeugen alle restlos.
Shotgun Stories ist ein Autorenfilm und Jeff Nichols hat glücklicherweise das Talent, ein stimmiges Drehbuch zu schreiben. Zwar übertreibt er es in der ersten Hälfte vielleicht etwas mit Charakterstudien und führt den Hauptplot etwas zu spät ein, doch die vereinzelt vorkommenden und sehr kurzen Dialoge enthalten viel Zunder und behandeln bisweilen auch philosophische Ansichten über das Leben am Arsch der Welt. Obwohl die Filmlänge nur knapp 95 Minuten beträgt, lässt sich der Film sehr viel Zeit, auf die verschiedenen Figuren einzugehen und zu zeigen, wie jede einzelne Person etwas tut, um den Tag hinter sich zu bringen. Und sei es, eine inoffizielle Basketballmannschaft mit Jugendlichen zusammenzustellen oder an einem alten Wohnwagen rumzutüfteln.
Wie bereits erwähnt, kommt der Film nur schleppend in Fahrt und wird erst etwa ab der Hälfte richtig spannend. Was folgt, ist ein halbstündiger, ruhiger und dichter Showdown, welcher in ein ungewöhnliches Ende mündet, das den einen oder anderen Kinobesucher enttäuschen dürfte. Doch dieser Kinogänger würde wohl schon vorher enttäuscht werden, denn der Titel weist zwar auf einen Film à la A History of Violence hin, doch richtig gewalttätig wird es kaum je. Und wenn, dann sind keine Schrotflinten involviert.
Interessierten sei ans Herz gelegt, sich den Film mit Untertiteln anzusehen. Die Originalversion ist aufgrund des zwar moderaten, aber dennoch schwer verständlichen Südstaatenakzents sowieso Pflicht, doch die Akteure nuscheln teilweise doch ziemlich, was das Verständnis zusätzlich behindert.
Shotgun Stories ist ein bedächtiger und intensiver Film, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Massen nicht ins Kino lockt. Dennoch ist das Erstlingswerk von Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols ein gelungenes Porträt von Arkansas und seinen Bewohnern - zu denen Nichols selbst gehört - geworden. Zwar wird man nicht von Beginn an hingerissen, doch bald schon wird man sich der Tiefe und der packenden Geschichte von Shotgun Stories bewusst. Doch nach Arkansas will man nun wirklich beim besten Willen nicht ziehen - trotz überwältigender Bilder in Cinemascope.
Donnerstag, 4. September 2008
In Bruges
6 Sterne
Was haben Brügge und Martin McDonagh gemeinsam? Kaum jemand kennt sie. Und das darf nicht so bleiben! Brügge ist eine wunderschöne belgische Stadt mit 100'000 Einwohnern, Martin McDonagh ein oscarprämierter Regisseur (Oscar 2006 in der Kategorie "Best Short Film, Live Action" für Six Shooter). Mit In Bruges ist dem Iren hoffentlich endgültig der Durchbruch gelungen, denn sein erster Langspielfilm ist ein meisterhafter Film, der geschickt mit den Gefühlen des Zuschauers spielt. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass In Bruges ein Film ist, dem alles gelingt, was Quentin Tarantino nie gelungen ist. Er ist cool, witzig, aber dennoch gehaltvoll.
Gewalt, Humor, Dramatik und Absurdität sind Begriffe, die in In Bruges zu einem einzelnen, noch nie dagewesenen Genre verschmelzen. Dialogwitz, Theaterelemente, Shakespear'sche Twists und rohe Gewaltszenen reihen sich hier aneinander und ergeben schlussendlich einen nahezu perfekten Film. Es ist sinnlos, hier objektiv zu bleiben. In Bruges ist der Inbegriff eines gelungenen Films. Die Schauspielleistungen sind berauschend - Ralph Fiennes und Brendan Gleeson zeigen einmalige Leistungen, die man allerdings in der Zwischenzeit von ihnen gewohnt sein dürfte. Schlichtweg überragend ist Colin Farrell, den man noch nie besser gesehen hat und den man wohl nie mehr besser sehen wird. Er lebt Ray und ist in jeder noch so dramatischen Szene überzeugend und Herr der Lage. Jeder einzelne Schauspieler verkörpert seine Rolle perfekt. Jede Figur ist hervorragend ausgearbeitet und unglaublich kompliziert - es wäre ohne weiteres möglich, über jede Figur einen eigenen Film zu drehen. Der Film dreht sich zwar vor allem um Gleeson und Farrell, doch trotzdem geht bei diesem Duo die geniale Performance von Ralph Fiennes nicht unter, der den chloreischen Harry mit viel Herzblut spielt.
Und wenn die Schauspieler hervorragend spielen, kann man sich als Zuschauer auch an dem brillant geschriebenen Drehbuch erfreuen, wo beinahe in Machine-Gun-Dialogue-Manier sehr lustige, aber teilweise auch sehr derbe Witze gerissen werden. Überhaupt ist In Bruges allzu feinfühligen Leuten nicht zu empfehlen, da doch sehr viel Blut fliesst und dies auch explizit zu sehen ist. Allerdings muss zur Verteidigung des Films gesagt werden, dass jeder Tote einen Sinn hat. Hier werden nicht der Unterhaltung zuliebe wahllos Leute abgeschlachtet, sondern jeder einzelne Schuss trägt seinen Teil zur überwältigenden Symbolkraft von In Bruges bei. Präsentiert Martin McDonagh Brügge zunächst noch als malerisches Touristenstädtchens, kippt der Eindruck des Ortes in der zweiten Hälfte des Films, wo das Düstere und Bedrohliche, das Mittelalterliche hervorgestrichen wird.
Wer in Filmgeschichte einigermassen bewandert ist, wird sich mit Schaudern an Filme erinnern, die in der Hälfte von Komödie zu Drama übergelaufen sind (Good Morning, Vietnam ist ein Musterbeispiel). In Bruges ist in dieser Beziehung die willkommene Ausnahme von der Regel. Es lässt sich zwar genau feststellen, wo das Dramatische Überhand nimmt, doch kein Akt des Films ist nur komisch oder nur tragisch. Es herrscht immer eine genaue Balance zwischen den beiden Tönen.
Abschliessend zu loben ist auch der Soundtrack. Die Orchesterstücke, die sanften Lieder und die paar moderneren Songs verbinden sich perfekt mit den Bildern - besonders beeindruckend ist das Bild des leeren, morgendlichen Brügges, begleitet von Andreas Schmidt, der ein Klavierlied von Schubert zum Besten gibt.
In Bruges ist ein Meisterwerk, wie man es selten gesehen hat. Der Film besticht durch brillantes Schauspiel, knackige und spassige Dialoge und ein Finale, welches man so schnell nicht vergisst. Martin McDonagh hat eindeutig den Film des Jahres gemacht. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Komödie und Drama wurden selten so gelungen vermischt.
Was haben Brügge und Martin McDonagh gemeinsam? Kaum jemand kennt sie. Und das darf nicht so bleiben! Brügge ist eine wunderschöne belgische Stadt mit 100'000 Einwohnern, Martin McDonagh ein oscarprämierter Regisseur (Oscar 2006 in der Kategorie "Best Short Film, Live Action" für Six Shooter). Mit In Bruges ist dem Iren hoffentlich endgültig der Durchbruch gelungen, denn sein erster Langspielfilm ist ein meisterhafter Film, der geschickt mit den Gefühlen des Zuschauers spielt. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass In Bruges ein Film ist, dem alles gelingt, was Quentin Tarantino nie gelungen ist. Er ist cool, witzig, aber dennoch gehaltvoll.
Gewalt, Humor, Dramatik und Absurdität sind Begriffe, die in In Bruges zu einem einzelnen, noch nie dagewesenen Genre verschmelzen. Dialogwitz, Theaterelemente, Shakespear'sche Twists und rohe Gewaltszenen reihen sich hier aneinander und ergeben schlussendlich einen nahezu perfekten Film. Es ist sinnlos, hier objektiv zu bleiben. In Bruges ist der Inbegriff eines gelungenen Films. Die Schauspielleistungen sind berauschend - Ralph Fiennes und Brendan Gleeson zeigen einmalige Leistungen, die man allerdings in der Zwischenzeit von ihnen gewohnt sein dürfte. Schlichtweg überragend ist Colin Farrell, den man noch nie besser gesehen hat und den man wohl nie mehr besser sehen wird. Er lebt Ray und ist in jeder noch so dramatischen Szene überzeugend und Herr der Lage. Jeder einzelne Schauspieler verkörpert seine Rolle perfekt. Jede Figur ist hervorragend ausgearbeitet und unglaublich kompliziert - es wäre ohne weiteres möglich, über jede Figur einen eigenen Film zu drehen. Der Film dreht sich zwar vor allem um Gleeson und Farrell, doch trotzdem geht bei diesem Duo die geniale Performance von Ralph Fiennes nicht unter, der den chloreischen Harry mit viel Herzblut spielt.
Und wenn die Schauspieler hervorragend spielen, kann man sich als Zuschauer auch an dem brillant geschriebenen Drehbuch erfreuen, wo beinahe in Machine-Gun-Dialogue-Manier sehr lustige, aber teilweise auch sehr derbe Witze gerissen werden. Überhaupt ist In Bruges allzu feinfühligen Leuten nicht zu empfehlen, da doch sehr viel Blut fliesst und dies auch explizit zu sehen ist. Allerdings muss zur Verteidigung des Films gesagt werden, dass jeder Tote einen Sinn hat. Hier werden nicht der Unterhaltung zuliebe wahllos Leute abgeschlachtet, sondern jeder einzelne Schuss trägt seinen Teil zur überwältigenden Symbolkraft von In Bruges bei. Präsentiert Martin McDonagh Brügge zunächst noch als malerisches Touristenstädtchens, kippt der Eindruck des Ortes in der zweiten Hälfte des Films, wo das Düstere und Bedrohliche, das Mittelalterliche hervorgestrichen wird.
Wer in Filmgeschichte einigermassen bewandert ist, wird sich mit Schaudern an Filme erinnern, die in der Hälfte von Komödie zu Drama übergelaufen sind (Good Morning, Vietnam ist ein Musterbeispiel). In Bruges ist in dieser Beziehung die willkommene Ausnahme von der Regel. Es lässt sich zwar genau feststellen, wo das Dramatische Überhand nimmt, doch kein Akt des Films ist nur komisch oder nur tragisch. Es herrscht immer eine genaue Balance zwischen den beiden Tönen.
Abschliessend zu loben ist auch der Soundtrack. Die Orchesterstücke, die sanften Lieder und die paar moderneren Songs verbinden sich perfekt mit den Bildern - besonders beeindruckend ist das Bild des leeren, morgendlichen Brügges, begleitet von Andreas Schmidt, der ein Klavierlied von Schubert zum Besten gibt.
In Bruges ist ein Meisterwerk, wie man es selten gesehen hat. Der Film besticht durch brillantes Schauspiel, knackige und spassige Dialoge und ein Finale, welches man so schnell nicht vergisst. Martin McDonagh hat eindeutig den Film des Jahres gemacht. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Komödie und Drama wurden selten so gelungen vermischt.
Mittwoch, 3. September 2008
Before the Devil Knows You're Dead
5.5 Sterne
51 Jahre ist es her, seit Sidney Lumet seinen ersten Kinofilm gedreht hat. 1957 kam der heute als Klassiker angesehene 12 Angry Men in die Kinos. 50 Jahre später - 2007 - brachte der Altstar einen Film heraus, der ebenfalls das Zeug zu einem Klassiker hat: Before the Devil Knows You're Dead, ein schweres Familiendrama, ganz im Stile der klassischen griechischen Tragödie. Lumet zeigt, dass er auch im Alter von 84 Jahren das Zeug zu hochspannenden und mitunter gar bitterbösen Filmen hat. Nur dem Cutter hätte man rechtzeitig etwas den Wind aus den Segeln nehmen sollen.
Wenn das Positive überwiegt, soll man ja mit dem Negativen beginnen. Denn danach kann man ohne Hemmungen schwärmen. Nun: Before the Devil Knows You're Dead ist höchst seltsam geschnitten. Die Storyline ist zwar nicht chronologisch aufgebaut, aber die Zeitsprünge hätten auch anders, als mit zersplitternden Bildern umrahmt werden können. Dies verschafft dem Film etwas Effekthascherisches und das verdient Before the Devil Knows You're Dead nicht. Soviel zu den Dingen, die nicht hundertprozentig überzeugen. Will man die positiven Faktoren von Before the Devil Knows You're Dead aufzeigen, muss man schon etwas weiter ausholen. Man beginnt vielleicht mit dem Titel: Dieser leitet sich nämlich aus dem alten irischen Trinkspruch "May you have food and raiment, a soft pillow for your head; may you be 40 years in heaven, before the devil knows you're dead." ab. Sobald der Film zu Ende ist, fällt einem die Genialität hinter der Titelwahl sofort auf, doch das Ende sei hier nicht verraten.
Before the Devil Knows You're Dead wartet ebenfalls mit einer beeindruckenden Schauspielerliste auf. Neben den Hauptdarstellern Ethan Hawke und Philip Seymour Hoffman glänzen auch Albert Finney und Marisa Tomei in ihren Rollen. Es wird auch bald klar, dass der Film ganz auf dieses Quartett fixiert ist. Daran ändern auch die Kurzauftritte von Michael Shannon und Amy Ryan nichts. Hinter dem Spiel der Hauptakteure findet man ganz klar die hervorragende Regiearbeit des alten Hasen Sidney Lumet. Jeder einzelne Schauspieler - Philip Seymour Hoffman an vorderster Front - verschwindet hinter seiner Figur und verleiht dem Film eine einzigartige Atmosphäre. Das eindringliche und intensive Spiel ist hier eindeutig die halbe Miete.
Ein weiteres Highlight ist das Drehbuch. Kelly Masterston hat eine geniale, aber auch sehr komplexe Story mit hervorragenden Twists geschaffen. Die knackigen und stimmigen Dialoge tragen ihren Teil dazu bei, dass Before the Devil Knows You're Dead ein schweres Psychodrama der besten Sorte ist.
Eigentlich müsste man über den Film viel mehr schreiben, doch leider müssten dazu wichtige Twists und Plot-Details verraten werden. Also muss für dieses mal das Wort des Kritikers genügen: Before the Devil Knows You're Dead in ein Meisterwerk sondergleichen. Der Film ist brillant geschrieben und gespielt, einzig der Schnitt kann einem auf die Nerven gehen. doch das vergibt man Sidney Lumet, vor allem auch wenn man bedenkt, dass bereits seine nächste Regiearbeit - Getting Out - angekündigt ist. Wir danken es ihm.
51 Jahre ist es her, seit Sidney Lumet seinen ersten Kinofilm gedreht hat. 1957 kam der heute als Klassiker angesehene 12 Angry Men in die Kinos. 50 Jahre später - 2007 - brachte der Altstar einen Film heraus, der ebenfalls das Zeug zu einem Klassiker hat: Before the Devil Knows You're Dead, ein schweres Familiendrama, ganz im Stile der klassischen griechischen Tragödie. Lumet zeigt, dass er auch im Alter von 84 Jahren das Zeug zu hochspannenden und mitunter gar bitterbösen Filmen hat. Nur dem Cutter hätte man rechtzeitig etwas den Wind aus den Segeln nehmen sollen.
Wenn das Positive überwiegt, soll man ja mit dem Negativen beginnen. Denn danach kann man ohne Hemmungen schwärmen. Nun: Before the Devil Knows You're Dead ist höchst seltsam geschnitten. Die Storyline ist zwar nicht chronologisch aufgebaut, aber die Zeitsprünge hätten auch anders, als mit zersplitternden Bildern umrahmt werden können. Dies verschafft dem Film etwas Effekthascherisches und das verdient Before the Devil Knows You're Dead nicht. Soviel zu den Dingen, die nicht hundertprozentig überzeugen. Will man die positiven Faktoren von Before the Devil Knows You're Dead aufzeigen, muss man schon etwas weiter ausholen. Man beginnt vielleicht mit dem Titel: Dieser leitet sich nämlich aus dem alten irischen Trinkspruch "May you have food and raiment, a soft pillow for your head; may you be 40 years in heaven, before the devil knows you're dead." ab. Sobald der Film zu Ende ist, fällt einem die Genialität hinter der Titelwahl sofort auf, doch das Ende sei hier nicht verraten.
Before the Devil Knows You're Dead wartet ebenfalls mit einer beeindruckenden Schauspielerliste auf. Neben den Hauptdarstellern Ethan Hawke und Philip Seymour Hoffman glänzen auch Albert Finney und Marisa Tomei in ihren Rollen. Es wird auch bald klar, dass der Film ganz auf dieses Quartett fixiert ist. Daran ändern auch die Kurzauftritte von Michael Shannon und Amy Ryan nichts. Hinter dem Spiel der Hauptakteure findet man ganz klar die hervorragende Regiearbeit des alten Hasen Sidney Lumet. Jeder einzelne Schauspieler - Philip Seymour Hoffman an vorderster Front - verschwindet hinter seiner Figur und verleiht dem Film eine einzigartige Atmosphäre. Das eindringliche und intensive Spiel ist hier eindeutig die halbe Miete.
Ein weiteres Highlight ist das Drehbuch. Kelly Masterston hat eine geniale, aber auch sehr komplexe Story mit hervorragenden Twists geschaffen. Die knackigen und stimmigen Dialoge tragen ihren Teil dazu bei, dass Before the Devil Knows You're Dead ein schweres Psychodrama der besten Sorte ist.
Eigentlich müsste man über den Film viel mehr schreiben, doch leider müssten dazu wichtige Twists und Plot-Details verraten werden. Also muss für dieses mal das Wort des Kritikers genügen: Before the Devil Knows You're Dead in ein Meisterwerk sondergleichen. Der Film ist brillant geschrieben und gespielt, einzig der Schnitt kann einem auf die Nerven gehen. doch das vergibt man Sidney Lumet, vor allem auch wenn man bedenkt, dass bereits seine nächste Regiearbeit - Getting Out - angekündigt ist. Wir danken es ihm.