4.5 Sterne
In der Filmgeschichte gibt es eine nicht ganz kurze Epoche, die viele Filmfreaks erschauern lässt: die Komödienzeit der 80er- und 90er-Jahre. Die Filme dieser Zeit sind uns grösstenteils deshalb bekannt, weil sie immer mal wieder im Abendprogramm von RTL und VOX zu sehen sind. Zwar ist fast keiner der Filme so richtig schlecht - es finden sich sogar einige Perlen darunter (Groundhog Day, Trading Places, Planes, Trains and Automobiles) - doch anfreunden will man sich mit ihnen nicht so recht - dies mag unter anderem auch an den etwas antiquierten Synchronisationen liegen. Ein eher unauffälliger Film aus dieser Sparte - Wrestling Ernest Hemingway aus dem Jahre 1993 - passt perfekt in diese Reihe. Er ist nicht allzu ehrgeizig, aber dennoch einfühlsam und auf eine angenehme Weise absurd.
Nimmt man Wrestling Ernest Hemingway etwas genauer unter die Lupe, wird man sich zuerst wohl unweigerlich fragen, ob es sich beim Cast um einen Irrtum handelt. Man erblickt sofort Namen wie Robert Duvall, Richard Harris, Shirley MacLaine und Sandra Bullock, welche man allesamt nicht in einem derartigen Film erwarten würde. Sollten sich die inzwischen schön etablierten Vorurteile gegenüber 80er- und 90er-Jahre-Komödien etwa als falsch erweisen? Oder stellt Wrestling Ernest Hemingway - allein schon der Titel ist einen Schmunzler wert - die berühmte Ausnahme der Regel dar? Weder noch. Doch der Reihe nach: Die Darsteller sind ein Hingucker, ganz ohne Frage. Wrestling Ernest Hemingway bietet Schauspielleistungen auf höchstem Nieveau. Die beiden Hauptakteure - Richard Harris und Robert Duvall - spielen absolut glaubwürdig und verleihen ihren schrulligen Figuren den nötigen Charme und viel Charakter. Besonders Duvall besticht durch das glaubwürdige Spielen des naiven Walter, der sich in die für ihn viel zu junge Elaine (Sandra Bullock kurz vor ihrem Durchbruch mit Speed) verliebt. Doch auch Richard Harris ist ein Hochgenuss, besonders wenn er wieder angibt, wie viele Frauen er in seinem Leben bereits gehabt hat, oder zum hundertsten Mal wiederholt, wie toll seine Mütze ist.
Leider schürt der deutsche Titel des Films - Walter & Frank - Ein schräges Paar - die falsche Erwartung: Man erwartet einen Buddy-Dialogfilm à la The Odd Couple. Dabei ist Wrestling Ernest Hemingway ein bedächtiger Film, der auch nicht davor zurückschreckt tragische Seiten des Lebens aufzuzeigen - besonders das Leben älterer Herren, die sich langsam mit der Endlichkeit des Daseins auseinanderzusetzen haben. So werden etwa Themen wie Entfremdung und Schrulligkeit angesprochen, ohne jedoch auf die Tränendrüse zu drücken. Im Gegenteil: Auch ernstere Passagen sind mit gutem, zuweilen gar abstrusem Humor gespickt, welche einem selbst in der traurigsten Szene noch ein Lächeln bescheren können.
Drehbuchautor Steve Conrad hat seine Aufgabe, eine solide Tragikomödie zu schreiben sehr gut erfüllt, obwohl gesagt werden muss, dass einige Witzchen, die eher in die Kategorie "flau" fallen, zu stark strapaziert wurden, was bei 123 Minuten Laufzeit auch einen kleinen Überdruss zur Folge haben kann. Doch andererseits heben herrliche Dialoge zwischen Richard Harris und Robert Duvall oder Shirley MacLaine den Film in flacheren Momenten wieder auf ein höheres Niveau zurück. Wunderschön wurde überdies die Naivität von Walter beschrieben, der in seinen extremsten Momenten ein bisschen an Raymond Babbit aus Rain Man erinnert.
Wrestling Ernest Hemingway spielt im Rentnerparadies Florida, welches zwar von Routinier Lajos Koltai schön in Szene gesetzt wurde, aber in keinster Weise etwas Neues zu bieten hat. Es werden überwiegend sonnige und entspannte Bilder gezeigt, die sehr konventionell gemacht wurden, aber immerhin die Augen des Zuschauers zu erfreuen vermögen. Auf der anderen Seite passen die Bilder hervorragend zur kubanischen Musikuntermalung, welche einen den ganzen Film hindurch berieselt.
Man kann sich über die 80er- und 90er-Jahre-Komödien sagen, was man will, aber ihr Charme und ihr nostalgischer Wert ist nur schwer zu übetrumpfen. So ist auch Wrestling Ernest Hemingway ein vergnügliches Lehrstück über das Altern. Will man einmal zwei Stunden entspanntes (Heim-)Kino geniessen, dann empfiehlt sich Randa Haines' Film wirklich. Und nicht vergessen: Sollte es keine Specksandwiches auf der Speisekarte im Lieblingsrestaurant haben, dann kann man sich einfach die nötigen Zutaten bestellen und sich selbst eins machen.
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