4 Sterne
Es ist eine traurige Tatsache, dass die Schweiz als Filmland keinen besonders hohen Status besitzt. Ausländische Filmcrews drehen zwar gerne in unseren Bergen, doch schaut man sich mal die heimische Eigenproduktionen an, dann ist man sehr schnell am Boden der Tatsachen angekommen. Was für einen Stellenwert haben Filme wie Max & Co., Tell, Grounding, Achtung, Fertig Charlie oder Mein Name ist Eugen - von der Qualität ganz zu schweigen? Ausnahmen wie Sternenberg, Jeune Homme oder Chrigu sind viel zu selten. Darf man Happy New Year zu diesen angenehmen Ausnahmen zählen? Immerhin sind zwei der aufgezählten Filme auch von Regisseur Christoph Schaub. Naja. Keine Ausnahme, aber wenigstens eine angenehme Überraschung.
Im Zusammenhang mit Happy New Year wurde häufig der Vergleich mit Magnolia bemüht. Die Parallelen springen einem sofort ins Auge: Beide Filme erzählen die Geschichte verschiedenster Menschen in nebeneinander verlaufenden Bahnen, sie sind beide stark vom Zufall abhängig und in beiden Fällen dreht sich das Ganze um eine Stadt - bei Paul Thomas Anderson um Los Angeles, bei Christoph Schaub um Zürich. Doch wie stellt er dieses Zürich dar? Gar nicht, wenn man ehrlich ist. Von Zürich sind ein paar Strassen zu sehen sowie hie und da mal ein bisschen Skyline. Happy New Year ist ganz offensichtlich auf die Charaktere zugeschnitten, die Stadt hält nur als Schauplatz hin und hat keine tiefere Bedeutung, was ja auch nicht immer sein muss. Die Charaktere ihrerseits variieren von sehr schön dargestellt bis fantasielose Fliessbandarbeit. Doch der Reihe nach: Was ein echter Schweizer Film sein will, muss natürlich auch ein paar gute, schweizerische Darsteller zu bieten haben. Wobei beim Casting zu Happy New Year wohl "gut" mit "bekannt" verwechselt wurde. In Schaubs Film finden sich nämlich eklatante Fehlbesetzungen wie Joel Basman, Elisa Plüss oder Katharina von Bock. Während Basman einmal mehr zeigt, dass er nicht schauspielern kann, gehen einem von Bock und Plüss einfach nur gehörig auf die Nerven. Zwar sind die Figuren beider wohl so angelegt worden, dass man sie nicht begeisternd findet, doch etwas mehr Engagement für die Aufgabe hätte den beiden Frauen dennoch gut zu Gesicht gestanden. Positive Eindrücke vermitteln Jörg Schneider, Irene Fritschi, Johanna Bantzer und Pascal Holzer, die zwar teilweise etwas Mühe mit der Figurenzeichnung bekunden, sich dem Zuschauer aber insgesamt gut verkaufen. Auch Denise Virieux zeigt eine recht gute Leistung. Mit seiner Rolle in Happy New Year für eine kleine Überraschung gesorgt hat Nils Althaus, der einem folgendes Gefühl gibt: "Hey, der kann ja schauspielern!". Nach seinen eher durchzogenen Auftritten in Breakout und Räuberinnen spielt er hier einen sympathischen jungen Taxifahrer, den er sehr gut verkörpert. Schlichtweg hinreissend ist Bruno Cathomas, der den eigensinnigen Pascal gibt. Alles, was zu dieser Rolle gehört, wird von Cathomas - Preisträger des Schweizer Filmpreises 2008 (Bester Darsteller, Chicken Mexicaine) - in jeder Hinsicht abgeklärt und professionell interpretiert, sei es die Verbitterung, die Unsicherheit oder die Entwicklung.
Ein weniger positiver Aspekt von Happy New Year ist das von Grischa Duncker, Thomas Hess und Christoph Schaub selbst verfasste Drehbuch, welches gängige Klischees nicht zu umgehen vermag. Wie erwähnt überzeugt auch die Figurenzeichnung nicht zu 100% und besonders unvorhersehbar sind die fünf Geschichten auch nicht. Hinzu kommt die gestellte und künstliche Jugendsprache, die der talentierten Jungschauspielerin Annina Euling in den Mund gelegt wird.
Dennoch kann einen Happy New Year durchaus berühren. So vorhersehrbar die Geschichten auch sind, eine emotionale Anbindung ist zu jeder Zeit da. Man hat Mitleid mit den Polizisten, die an Silvster die Drecksarbeit machen, man leidet mit dem eigensinnigen Modellbauer Pascal mit, man will den Hund von Herbert und Anne-Marie finden. Und auch wenn das Finale etwas zu einfach herbeigeführt wird, kann dieses den grundsätzlich positiven Eindruck des Films nicht zerstören, zu vertraut ist der Zuschauer mittlerweile mit den Figuren. Ein Kunststück, welches den Drehbuchautoren trotz aller Mängel auch gelungen ist, ist der waghalsige Spagat zwischen Drama und Komödie - teilweise sogar innerhalb desselben Segments. Eine derart differenzierte Konstruktion hätte man dem Schweizer Filmbusiness gar nicht mehr zugetraut. In ein- und derselben Szene lacht man etwas verschmitzt über die Freundin von Kaspar (Nils Althaus), die ihn verlässt, weil er zuviel Simpsons schaut - spontaner Gedanke: "Da sollte ich aufpassen!" - findet sich aber gleich darauf in einem Konflikt zwischen Jörg Schneider und Irene Fritschi. Und das Erstaunliche daran ist, dass derartige Übergänge vollkommen sauber vonstatten gehen, ohne dem Zuschauer ein unnötiges Wechselbad der Gefühle zuzumuten.
"Für einen Schweizer Film..." ist für die Skeptiker unserer heimischen Filmemacherlandschaft eine beliebte Bewertungsformel. Wenn man kann, sollte man sie umgehen, doch bei Happy New Year drängt sie sich beinahe schon auf. Und deshalb meint dieser Schreiberling: Für einen Schweizer Film ist Happy New Year gelungen. Der Film hat zwar seine Mängel und sogar seine etwas peinlichen Stellen, kann aber als Ganzes einigermassen überzeugen. Das liegt an einigen höchst sympathischen Charakteren und gewissen - nicht besonders überraschenden - Wendungen, die einem aber doch ans Herz gehen. Und seien wir ehrlich: Von einem Film, der den Titel Happy New Year trägt, erwarten wir nichts anderes.
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