4.5 Sterne
Es regt sich etwas im Land der Kinofans. Woody Allen, Regisseur aus Leidenschaft, hat wieder einen Streifen gedreht und diesmal ist es kein reines Drama wie Cassandra's Dream oder Match Point, sondern eine hintergründige, lakonisch-frivole Mischung aus Romanze, Drama und Komödie. Natürlich spielt Allens neuste Muse Scarlett Johansson wieder mit und der Zuschauer wird wieder in eine bezaubernde Stadt versetzt - Barcelona diesmal. Alles wie immer? Oder: Neue Stadt, neues Glück?
Woody Allen ist nicht zuletzt wegen seinen Drehbüchern beliebt. Seine Skripts sind witzig, haben aber dennoch dramtische Stellen und enden in der Regel für die Protagonisten ziemlich fies. So auch bei Vicky Cristina Barcelona, ein Film, welcher sich um ein unterschiedliches Vierergespann dreht und das Leben, Lieben und Leiden der Personen mit der malerischen Kulisse von Barcelona verbindet. Entsprechend vergnüglich ist das Endprodukt. Offensichtliche Probleme wie zum Beispiel die Verständigung zwischen zwei Spaniern werden mit eleganten Kniffen behoben - im angeführten Beispiel mit Javier Bardems Catchphrase "Speak English", weil Cristina sonst nichts versteht. Nicht besonders raffiniert, aber wirkungsvoll. Irritiert ist man allerdings am Anfang des Films etwas, wenn die Charaktere von einem auktorialen Erzähler (Christopher Evan Welch) erklärt werden. "Wie plump", könnte man sich denken, doch nach und nach stört einen die Stimme nicht mehr - im Gegenteil, man empfindet sie als äusserst hilfreich. Es liegt nicht zuletzt am Erzähler, dass man samtweich durch die Handlung von Vicky Crsitina Barcelona getragen wird. Da macht man sich auch keine Gedanken darüber, dass Woody Allen keine exzeptionell tiefgründige Geschichte erzählt, sondern sich mehr um die Liebesspielchen von Juan Antonio, Maria Elena, Vicky und Cristina kümmert. Dass man damit keine Probleme hat, dafür sorgen die herausragenden Schauspieler. Javier Bardem spielt hier, nachdem er in No Country For Old Men einen kaltblütigen Killer spielte, einen heissblütigen Ladykiller. Seine Rolle wird einem Schritt für Schritt sympathischer, aber die anfängliche Aufdringlichkeit hemmt die vollständige Begeisterung. Hier ist die Welt bezüglich Charakterdarstellung noch in Ordnung. Anders verhält es sich mit Vicky und Cristina. Obwohl es zwar dem Lauf der Geschichte förderlich ist, ist die Unterscheidung der beiden Freundinnen etwas gar einfach ausgefallen. Beide mögen dieselben Dinge, nur ihre Auffassung von Liebe ist unterschiedlich. Diese fast schon schwarz-weisse Auseinanderhaltung löst sich zwar im Laufe des Films etwas auf, scheint aber trotzdem etwas zu viel der Vereinfachung zu sein. Dennoch brillieren Scarlett Johansson (Cristina) und Rebecca Hall (Vicky) in ihren Rollen und helfen einem so über die stark vereinfachte Charakterzeichnung hinweg. Begeisternd ist Maria Elena, gespielt von Penélope Cruz. Cruz setzt ihr Image der hinreissenden Femme fatale sehr geschickt ein und hat den Zuschauer gleich nach ihrem ersten Auftritt fest im Griff. Eine weitere Darstellerin, die man nicht vergessen sollte, ist natürlich die Stadt Barcelona. Selbstverständlich erleben wir hier ein Touristen-Barcelona, welches sich nicht in die dunklen Seiten der Stadt hineinwagt wie etwa Todo sobre mi madre - übrigens auch mit Penélope Cruz - doch Woody Allen versteht es wunderbar, eine Geschichte in ein so wunderbares, sommerliches Setting einzuweben. Vergleichbar dazu wäre möglicherweise Martin McDonaghs Meisterstück, in In Bruges Brügge den Tonfall des Films angeben zu lassen. Unterstrichen wird das wunderschöne Setting durch das immer wiederkehrende Lied "Barcelona" von Giulia y los Tellarini, dessen Klänge auch in tiefstem Winter noch nachhallen, und die stimmungsvolle Kameraarbeit von Javier Aguirresarobe.
Vicky Cristina Barcelona weist gegen Ende zwar ein paar Längen auf, macht diese aber mit einem für Woody Allen typischen gemeinen Schluss wett und entlässt den Zuschauer mit einem Lächeln ins kalte Winterwetter. Man weiss, dass man gerade keine grosse Filmkunst, aber immerhin eine frivole Tragikomödie im Stile von Ernst Lubitsch oder Billy Wilder gesehen hat. Und man ist überzeugt, dass Barcelona die Bezeichnung "Stadt der Liebe" mehr vedienen würde als Paris.
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