Eine ungewöhnliche Liebe: Benjamin Button (Brad Pitt) und Daisy (Cate Blanchett) altern aufeinander zu und
erleben während ihres Lebens sämtliche Höhen und Tiefen.
erleben während ihres Lebens sämtliche Höhen und Tiefen.
5.5 Sterne
Es war Hollywood schon lange ein Anliegen, F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte The Curious Case of Benjamin Button zu verfilmen. Doch etliche Regisseure und Produzenten schreckten immer wieder vor dem Stoff zurück, da sie nicht wussten, wie das kleine, schnell gelesene Büchlein auf Zelluloid gebannt werden könnte. Verschiedene Probleme stellten sich: Mehrere Darsteller würden die Glaubwürdigkeit mindern, wie würde man den trockenen Erzählstil hinbekommen und welcher Filmschaffende würden dieses Risiko überhaupt eingehen? Dank der Tricktechnik des 21. Jahrhunderts wurde das Problem der Glaubwürdigkeit gelöst und mit David Fincher als Regisseur wurde ein visuelles Genie engagiert.
Wie oft wurde The Curious Case of Benjamin Button vorgeworfen, er sei zu kitschig? Kaum je, obwohl die filmische Umsetzung der satirischen Novelle von Fitzgerald wohl die romantischste Grossproduktion aus Hollywood seit Titanic ist. Es lässt sich allerdings darüber streiten, ob Titanic wirklich dermassen romantisch ist. Ist es nicht so, dass der sogenannte "Human Interest" im Oscar-Abräumer von 1998 hauptsächlich aus Kitsch besteht? Viele Leute, der Schreibende inklusive, werden die Frage mit Ja beantworten. Was also macht den Unterschied zwischen Titanic und The Curious Case of Benjamin Button aus? Man könnte sagen, dass es an den Personen, die den Regisseur ausgewählt haben, liegt. Zwar ist auch James Cameron keine Liebesfilm-Koryphäe, aber das Aufgebot von David Fincher überrascht noch viel mehr. Was hat die Produzenten veranlasst, für die grösste Romanze der letzten Jahre, den so ziemlich unromantischsten Regisseur Hollywoods zu nehmen? Warum den Zyniker und Pessimisten David Fincher, der mit Filmen wie Fight Club oder Se7en düstere Meilensteine der Filmgeschichte geschaffen hat? Nun, die Produzenten werden erkannt haben, dass das Skript von Eric Roth und Robin Swicord stellenweise gefährlich nahe an kitschige Fahrwasser à la Forrest Gump, ebenfalls nach einem Drehbuch von Eric Roth, herankommt. Kurz gesagt: Fincher war nötig, damit The Curious Case of Benjamin Button rührend, aber nicht rührselig wird. Und dafür verdiente er eigentlich den Regieoscar. Doch ob dies Wirklichkeit werden wird, steht in den Sternen. Der Film hat zwar die meisten Oscarnominationen vorzuweisen - 13 an der Zahl - wird aber schon jetzt als grösster Verlierer gehandelt, da sich angeblich in fast jeder Kategorie ein besserer Kandidat befindet. Kann schon sein, dennoch muss festgehalten werden, dass The Curious Case of Benjamin Button ein begeisterndes Stück Film ist, welches zu keinem Zeitpunkt enttäuscht. Dies fängt bei der wunderschönen Ausstattung an (Oscar her!) und hört bei der stimmigen und epischen Kameraführung von Claudio Miranda, dem schlicht und ergreifend brillanten Score von Alexandre Desplat und dem Schauspiel auf. Brad Pitt verkörpert die Titelrolle zurückhaltend und gekonnt. Dies gibt seiner Schauspielpartnerin Cate Blanchett, deren Performance für eine Oscarnomination geeigneter gewesen wäre als diejenige von Taraji P. Henson, genug Freiraum, ihre Figur darzustellen. The Curious Case of Benjamin Button ist zwar nicht Schauspielkino per Definition, hat aber trotzdem keine grossen schauspielerischen Schwächen. Bei Taraji P. Henson könnte man sich zwar fragen, ob sie sich wie Brad Pitt etwas zurückhalten könnte, doch stören tut sie letzten Endes auch nicht. Eine spezielle Erwähnung verdienen überdies die Nebendarsteller Elle Fanning, die einmal mehr zeigt, dass sie talentierter als ihre Schwester Dakota ist, Jason Flemyng, Mahershalalhashbaz Ali, Tilda Swinton, Rampai Mohadi und Jared Harris, welche alle ihren Teil dazu beitragen, dass The Curious Case of Benjamin Button so begeistert.
Wer denkt, dass der Stoff des Films David Fincher keinen Platz für eigene Kniffe liess, der irrt. Immer mal wieder bricht ein Markenzeichen von David Fincher durch - etwa die kindliche Freude an der Absurdität, dargestellt durch den Mann, der in seinem Leben schon siebenmal vom Blitz getroffen wurde, oder sein Hang zum Detail, ersichtlich, als sehr lange beschrieben wird, wie es zum Unfall von Daisy (Cate Blanchett) kam. Natürlich trägt zu derartigen Dingen auch das Drehbuch bei. Eric Roth schrieb es nach dem gleichen Leitfaden wie dasjenige von Forrest Gump, was nicht jeden Zuschauer begeistern wird. Dass es an David Fincher liegt, dass in The Curious Case of Benjamin Button kein Platz für Kitsch ist, darf als sicher angesehen werden. Dennoch hat Eric Roth beim Skript ganze Arbeit geleistet, wohl auch durch die Hilfe von Robin Swicord, mit dem er die Geschichte entwickelte. Das Duo hat es fabelhaft geschafft, der Geschichte einen gewissen satirischen Ton zu lassen, sie aber mehr auf die Liebe auszurichten. Einzig die sporadisch auftretende Rahmenhandlung erweist sich hie und da als spannungshemmend. Doch das Drehbuch sollte man allein schon für die vielen kleinen Details lieben. Die Anekdoten über Mr. Gateau und Captain Mikes Vater oder der Role Call gegen Ende des Films muten mehr als nur sympathisch an - sie geben dem Film die nötige Substanz.
Dass der Film fast drei Stunden lang die Aussage "Auch jung aussehen macht nicht glücklicher!" darstellt - nein, nicht predigt - ist kein Störfaktor. Im Gegenteil, The Curious Case of Benjamin Button ist ein Film, der einerseits zu Tränen rührt, und in den man andereseits richtiggehend eintauchen kann, um am Ende das Gefühl zu haben, selten so dermassen schöne drei Stunden verbracht zu haben. Dass der Film in der Schweiz nur mit Pausen läuft, ist schade.
David Fincher zeigt dem Kinopublikum einmal mehr ein Meisterwerk erster Güte. Er versuchte sich mit The Curious Case of Benjamin Button zwar auf einem ihm bisher nicht allzu vertrauten Gebiet, meistert die Herausforderung aber virtuos. Der Film wird allem Anschein nach kein Abräumer bei den Oscars sein, aber die eine oder andere Goldstatuette würde man ihm doch gönnen. Das Filmjahr 2009 ist noch jung, aber mit Filmen wie diesem, Slumdog Millionaire oder Gran Torino lässt sich zuversichtlich in die Zukunft schauen. Ob man dabei altert oder jünger wird, spielt keine Rolle.
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