Sonntag, 1. März 2009

Defiance

Konflikt unter Brüdern: Zus (Liev Schreiber, links) hat genug von Tuvias (Daniel Craig) Politik. Er will sich den echten russischen Soldaten anschliessen.

4.5 Sterne

Der Zweite Weltkrieg ist ein beliebter Ideenlieferant für Hollywood. Doch in letzter Zeit ist immer weniger Interesse am klassischen Kriegsfilm vorhanden. Der Zuschauer ist nicht mehr am grossen Schlachtgetümmel, sondern an exemplarischen Einzelschicksalen interessiert. Entsprechend erfolgreich sind Filme wie der oscarprämierte Austria-Film Die Fälscher. In gewisser Weise knüpft Edward Zwick, der mit Blood Diamond vor wenigen Jahren einen Hit landete, an den österreichischen Streifen an. Doch da es sich um eine amerikanische Produktion handelt, kommt auch Defiance nicht um typische Kriegsfilmelemente herum.

Einer der heikelsten Punkte eines Kriegsfilms - besonders wenn er in einem nicht englischsprachigen Gebiet spielt - ist die Sprache. Wenn der Film in Deutschland oder in Polen spielt, wirkt die englische Sprache sehr unglaubwürdig. Ein Trend, der in Hollywood in den letzten Jahren Einzug hält, scheint aber zu funktionieren: Die Schauspieler reden gebrochenes Englisch und vermischen das mit der eigentlichen Landessprache. Was im Prinzip unausgewogen und seltsam klingen müsste, verleiht einem Film gleichzeitig Lokalkolorit und Verständlichkeit. So wurde auch in Defiance gearbeitet. Die Darsteller reden immer mal wieder Russisch untereinander und behalten ein rollendes R im Englischen bei. Hauptdarsteller Daniel Craig nimmt man so mühelos den Weissrussen Tuvia Bielski ab. Bielski führte eine stetig wachsende Gruppe von Juden jahrelang durch die Wälder Weissrusslands. Die Nazis stellten ihnen nach, konnten sie allerdings nie einfangen. Was aber Tuvia Bielski von einem Oskar Schindler unterscheidet, ist die Einstellung zur Gewalt. Bielski trainierte seine Kameraden im Umgang mit Schusswaffen, damit sie sich gegen etwaige deutsche Angriffe zur Wehr setzen konnten. Auf diese Weise hatten bis 1945 1'200 Juden überlebt, gleich viele wie durch Schindlers Unternehmen. Allerdings haben die Bielski-Partisanen auch unzählige Kollaborateure und Deutsche auf dem Gewissen, was die Frage aufwirft: Was darf man im Krieg? Eine Frage, die auch in Die Fälscher gestellt wird, dort jedoch im umgekehrten Sinne (Darf man mit dem Feind gemeinsame Sache machen, um sein Leben zu retten?). Dieser Frage wird in Defiance zunächst auch nachgegangen. Der Gewissenskonflikt wird durch den Bruderzwist zwischen Tuvia (Daniel Craig), Zus, ein hervorragender Liev Schreiber, Asael, Jamie Bell in einer ähnlichen Rolle wie in King Kong (!) und Aron Bielski, ein fast nicht präsenter und demnach auch nicht einfach zu bewertender George MacKay dargestellt. Zus will sich den professionellen Partisanen, einer Unterabteilung der Roten Armee, anschliessen, Tuvia will seine Schützlinge in Sicherheit bringen, wobei auch er Verluste nicht scheut, und Asael und Aron sehen sich zwischen ihren älteren Brüder hin- und hergerissen. Zus sagt sich auch bald von der Gruppe los, was im Film für einen Knick sorgt, der ihn ein Stück von der guten Ausgangslage wegbewegt. Dass dies früher oder später passieren muss, ist dem Zuschauer von der ersten Filmminute an klar. Zu gewalttätig ist die wahre Geschichte hinter Defiance, dass man auf Kriegsszenen verzichten könnte. Dennoch muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass das Drehbuch von Edward Zwick und Clayton Frohman, basierend auf Nechama Tecs Buch, nicht auf billige Effekthascherei setzt. Auch der Teil des Films, der eher an einen Kriegsfilm im klassischen Sinne erinnert, vermag zu überzeugen. Es kommt zwar zu mehr Explosionen, rasanten Schnitten und Kampfszenen, doch diese wurden vom sicheren Auge des Kameramannes Eduardo Serra, der unter anderem für die packenden Bilder von Blood Diamond verantwortlich ist, stimmig eingefangen. Dass in einer Szene auf das Szenario vom kurzzeitigen Tinitus geseztzt wird, ist verzeihlich. Vor allem weil Defiance, nicht zuletzt wegen des soliden Drehbuchs, ansonsten Klischees mit schöner Regelmässigkeit ausweicht. Die Liebesgeschichten werden nüchtern erzählt und sind teilweise sogar historisch korrekt. Es gilt auch nicht der Grundsatz: Frauen kämpfen nicht. Beim Kampf gegen die Nazis verlieren auch einige Frauen ihr Leben. Und Tuvia Bielski ist nicht ein selbstloser Übermensch, sondern jemand, der nicht zögert, einen Meuterer vor aller Augen zu erschiessen. Zu den Konventionen eines Kriegsfilms gehört normalerweise auch das Pathos. Wer darauf verzichtet, tut gut daran. Clint Eastwood und Steven Spielberg taten dies bei Flags of Our Fathers und fuhren dafür mit beeindruckenden Panoramaaufnahmen (Tom Stern hinter der Kamera) auf, Edward Zwick ersetzt Pathos mit - so unglaublich es klingen mag - Musik. Der oscarnominierte Score von James Newton Howard untermalt weder Zeitlupenbilder noch wilde Verfolgungsjagden. Seine Orchestrierung geht vielmehr auf die Gefühle der Personen ein.

So gut derartige Dinge ankommen, so unzureichend kaschieren sie doch den Niedergang des Dramas während des zweiten Teils. Das ursprünglich angestossene Thema flammt nur noch am Rande auf und muss einigen Kampfszenen Platz machen, die zwar schön eingefangen wurden, im Ganzen aber zu konventionell sind, um wirklich zu packen.

Man kann geteilter Meinung über Defiance sein. Aber er gehört sicherlich zu den besseren Projekten über den Zweiten Weltkrieg, die uns in letzter Zeit vorgesetzt wurden. Das Thema über den fast vergessenen Kampf der Juden gegen die Nazis wurde spannend angegangen, verwandelt sich aber nach und nach leider in einen handelsüblichen Kriegsfilm, der sich aber nichtsdestoweniger auf einem ansprechenden Niveau halten kann. Und Edward Zwick hält sich an ein Konzept, welches sich auch in Stefan Ruzowitzkys Die Fälscher bestens bewährt hat: Lass den Zuschauer am Grundsatzproblem teilhaben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen