Samstag, 28. Februar 2009

Doubt

Besprechung unter Nonnen: Schwester James (Amy Adams, links) weiss nicht, ob sie der konservativen Rektorin der Schule, Schwester Aloysius (Meryl Streep), Vertrauen schenken soll.

4.5 Sterne

Es gilt gemeinhin als heikel, Theaterstücke zu verfilmen. Angesprochen wurde dies hier bereits im Zusammengang mit Frost/Nixon, wo sich Peter Morgan die Mühe machte, sein Stück filmisch aufzubereiten. John Patrick Shanley ging mit Doubt sogar noch einen Schritt weiter: Er führte auch gleich selber Regie. Ein mutiger Versuch, da der gestandene Autor - er erhielt einen Oscar für sein Drehbuch für Moonstruck - erst einmal auf dem Regiestuhl sass (Joe Versus the Volcano) - mit zweifelhaftem Erfolg. Mit Doubt beweist Shanley zumindest, dass er im Genre des Dramas besser untergebracht ist als in jenem der Komödie. Aber er zeigt auch, dass es ihm offensichtlich schwerfiel, sich von seiner eigenen Vorlage zu lösen.

Doubt ist ein Kammerspiel erster Güte. Die Handlung beschränkt sich auf drei, etwas offener gesehen, auf vier Personen und deren Interaktion. Dass derartige Filme durchaus gefallen können, zeigte unlängst das viel als Western missverstandene Drama The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford, wo sich der Zuschauer grösstenteils mit den Gewissenskonflikten der beiden Titelfiguren auseinandersetzt. Der Schnittpunkt dieser beiden im Prinzip sehr unterschiedlichen Filme ist der Kameramann Roger Deakins, der zu den begabtesten und beliebtesten Vertretern seiner Zunft gehört. Setzte er in Andrew Dominiks Film über Jesse James auf atemberaubende Aussenaufnahmen, beschränkt er sich in Doubt auf bescheidene, zurückhaltende Bilder, die sehr zu John Patrick Shanleys Drehbuch passen. Allerdings ergibt sich mit ebendiesem Drehbuch ein filmisches Problem. Es wirkt nämlich so, als hätte Shanley sein Stück Wort für Wort auf die Leinwand übertragen. Der Film besteht aus sehr vielen langen Gesprächen, welche, nebenbei bemerkt, spannend und anspruchsvoll sind, die von guten Schauspielern vorgetragen werden. Gegen Dialogfilme ist nichts einzuwenden, doch dieses Subgenre des Dramas wurde in Doubt zu stark ausgereizt. Ausserdem ist Shanleys Skript übertrieben gefühlskalt. Sympathien für gewisse Figuren sind zwar vorhanden, aber richtig mitfiebern kann man nicht. Ansonsten aber zeigt sich Shanley von seiner guten Seite. Die Dialoge sind sauber geschrieben und das Ziel des Stücks wurde auch hier erreicht: Unsicherheit im Publikum schüren. Auch als Regisseur macht Shanley eine gute Figur. Seine Schauspieler gehen in ihren Rollen richtiggehend auf und beeindrucken mit lebensnahen Darstellungen. Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman sind würdige Gegner füreinander und spielen ihr Talent auf der ganzen Linie aus. Streep spielt die strenge Nonne gewohnt sicher und Hoffman seinerseits gibt den jovialen, lebenslustigen Priester mit viel Esprit. Und wenn er aufgebracht ist, donnert der Kinosaal von seiner durchdringenden Stimme. Kurz: Hoffman agiert wie immer sehr kraftvoll. Viola Davis hingegen macht für ihre Oscarnomination überraschend wenig - streng genommen macht sie nicht mehr als Weinen, aber auch das auf einem hohen Niveau. Schliesslich bliebe noch Amy Adams. Sie begeistert und zeigt einmal mehr ihre schauspielerische Kompetenz. Wenn sich die Frau in Zukunft von peinlichen Rollen wie Enchanted fernhält, dann könnte aus ihr sicherlich noch mehr werden. Sie hat hier zwar eine etwas tränenreiche Rolle erwischt, haucht dieser aber mit einer unglaublichen Virtuosität Leben ein. Für diese Leistung wäre ihr ein Oscar zu gönnen gewesen. Sie spielt dermassen überzeugend, dass sie problemlos mit Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman mithalten kann.

Die drei wichtigsten Darsteller - Streep, Hoffman, Adams - liefern sich einen vielschichtigen Kampf, der auch am Ende des Films nicht vorbei ist. Dies ist einer der vielen Vorzüge von Doubt. Der Zuschauer wird zum aktiven Mitdenken aufgefordert, sodass am Ende keine Enttäuschung vorhanden ist, wenn die effektive Frage nicht ganz geklärt wird. Der Film wirft ausserdem ein interessantes moralisches Dilemma auf. Eigentlich wäre man ja auf Philip Seymour Hoffmans Seite, da man seine Liberalisierungsversuche unterstützt, aber auf der anderen Seite könnte Meryl Streep mit ihrer Vermutung durchaus Recht haben. Der Witz von Doubt besteht hauptsächlich darin, dass man sich nicht sicher sein kann, welche Seite man einnehmen möchte. Man weiss, wen man sympathisch findet, aber dennoch muss sich jeder die Frage stellen, ob die Sympathieträger auch die sind, die richtig handeln. Natürlich, es bleibt die erwähnte emotionale Kälte, deren Existenz eine allzu überschwängliche Begeisterung verhindert, doch trotzdem ist es erstaunlich, mit welch einem simplen Szenario der Film über 100 Minuten lang spannend zu bleiben vermag. Es geht um zwei aufeinandertreffende Aussagen, die beide ihre Stärken und ihre Schwächen haben. Schlussendlich muss man sich die Frage stellen: Was ist naheliegender? Dass sich diese Frage nicht einfach beantworten lässt, dürfte jedem klar sein. Im Endeffekt lässt Doubt jegliche Interpretationen zu, was sehr für den Film spricht.

Will man sich ein Musterbeispiel eines verfilmten Theaterstücks ansehen, dann wird man mit Doubt enttäuscht. Dafür ist der Film zu sehr ans Original gebunden. Trotzdem überzeugt er in seiner Behandlung des moralischen Problems und wartet mit hochklassigen Schauspielern und spannenden Dialogen auf. Doubt gefällt zudem mit einer hervorragend konstruierten Atmosphäre, einem intimen Rahmen und einer Menge Nostalgie. Obwohl der Film quasi nur in der katholischen Schule spielt, ist er trotzdem historisch interessant und wird so manchen geschichtsinteressierten Kinobesucher erfreuen. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.

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