Fast die ganze Radio-Rock-Crew (v.l.): Simon (Chris O'Dowd), Dave (Nick Frost), Quentin (Bill Nighy), Kevin (Tom Brooke), Felicity (Katherine Parkinson), Gavin (Rhys Ifans), Harold (Ike Hamilton), The Count (Philip Seymour Hoffman), John (Will Adamsdale) und Angus (Rhys Darby). Let's rock!
3 Sterne
Spielt ein Film in den 1960er Jahren, zieht er fast sicher viele Zuschauer an, da diese an ihre Kindheit erinnert werden möchten. Dass dies einige Filmemacher zur Schlampigkeit verleitet, ist eine logische Folge. Richard Curtis' Hommage an die Piratenradios, die damals in der Nordsee ihr Unwesen trieben, ist auf der gleichen Wellenlänge. Über die Schauspieler und den Soundtrack wurde nicht hinausgedacht. Was passiert? Es entsteht ein überlanger Film, der sehr darum bemüht ist, nostalgisch zu wirken, dabei aber eine kohärente Story völlig ausser Acht lässt. Jugenderinnerung hin oder her, lieber Richard Curtis, aber auch dieses Thema ist kein Selbstläufer.
Als sich The Boat That Rocked dem Ende zuneigt, stellt eine Figur die Frage "Which news first? The bad news or the good news?", worauf geantwortet wird "Good news!". Um dem Film gerecht zu werden, sollen auch hier zuerst die positiven Aspekte von Curtis' Film besprochen werden. Das offensichtlichste und zugleich am einfachsten zu erhaltende Lob ist Verneigung vor dem Soundtrack. Leute, die in den 60ern aufwuchsen werden aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommen, wenn sie Songs wie "Jumpin' Jack Flash" oder "Father and Son" hören. Doch auch dort gibt es Einschränkungen. Es fehlen essentielle Melodien à la Beatles oder Bob Dylan, was zwar an den Lizenzen liegen wird, den Musikfreund aber dennoch enttäuscht. Wie dem auch sei, der Soundtrack von The Boat That Rocked böte die ideale Grundlage für einen Nostalgietrip in die wilden 60er. Auch die schrägen Figuren hätten als Nährboden für einen wirklich tollen Musikfilm in Richtung High Fidelity dienen können. Auch die Schauspielleistungen würden stimmen. Philip Seymour Hoffman und Bill Nighy machen sich souverän zum Affen. Entsprechend begeistern die beiden arrivierten Schauspieler am meisten. Unterstützt werden sie von erstklassigen Nebendarstellern, die fast ausnahmslos ihre Sache sehr gut machen. Angeführt werden diese von einem Rhys Ifans, der als Kult-DJ Gavin Kavanagh alle Register zieht. Und Nick Frost fühlte sich in seiner Rolle offensichtlich wohl, so wohl, dass er mehrfach oben ohne zu sehen ist. Für einen Mann seines Umfangs ist dies eine mutige Sache. Auch Kenneth Branagh bringt eine witzige Performance, wobei seine Gestik und Mimik sehr an John Cleese erinnern, was einen denken lässt, dass dieser auch eine gute Wahl gewesen wäre. Doch spätestens nach Branaghs zweitem Auftritt ist man mit ihm ebenso zufrieden, wie man es mit Cleese gewesen wäre.
Soviel zu den guten Seiten des Films. Die Negativpunkte sind schnell zusammengefasst. Die grösste Schwäche von The Boat That Rocked ist sein Drehbuch. Die Dialoge und die Musikanspielungen wären ja noch ganz passabel, doch Richard Curtis versteht offenbar nichts vom Entwickeln einer einigermassen sinnvollen Story. 100 lange Minuten ist kein Hauptplot erkennbar, ausser vielleicht Carls (Tom Sturridge) gescheiterte Versuche, entjungfert zu werden. Garniert wird das Ganze mit kleinen Einschüben, die zwar nett anzusehen, aber komplett nutzlos sind. So füllt eine hanebüchene Mutprobe, die sich The Count und Gavin liefern, ganze fünf Minuten, ohne dass diese Szene eine besondere Bewandtnis hätte. Immerhin kommt in der letzten halben Stunde noch so etwas wie eine Geschichte auf, die aber auf unerklärliche Weise die Form eines Katastrophenfilms annimmt. Wenigstens finden sich in dieser Phase des Films die besten Sprüche, sodass man auf den plötzlichen Genrewechsel gelassen reagieren kann. The Boat That Rocked passt storytechnisch hervorragend in Curtis' bisheriges Werk. Auch seine Hits Four Weddings and a Funeral und Love Actually zeichneten sich nicht gerade dadurch aus, dass sie eine gute Story hatten. Ein fast noch grösseres Problem stellt der Humor in The Boat That Rocked dar. Man hätte erwarten dürfen, dass in einem derartigen Film viel britischer Humor steckt. Weit gefehlt! Es gibt kaum je richtig etwas zu lachen. Auch ist der Streifen dafür, dass ein rebellisches Radioteam, welches 24 Stunden am Tag Rock'n'Roll sendet, im Mittelpunkt steht, schlichtweg zu brav. Biss oder Satire sind kaum vorhanden. Die diesbezüglich beste Szene ist die Gegenüberstellung von Weihnachten auf dem Boot und Weihnachten im Haus des Ministers Dormandy, die aber leider viel zu schnell vorbei ist. The Boat That Rocked ist bunt, laut, verfehlt aber auf der humoristischen Ebene das Ziel total. Wie bereits Krabat oder The Chronicles of Narnia: Prince Caspian ist Curtis' Film ein Ausbund an Gemütlichkeit, dem aber entscheidende Elemente zu einem richtig guten Film fehlen. Auch technisch ist der Film bei weitem nicht perfekt. Cutterin Emma E. Hickox pappte mehrmals Bilder der gleichen Einstellung zusammen, was stellenweise ziemlich amateurhaft aussieht.
The Boat That Rocked ist eine vergebene Chance. Die Musik, die Figuren, die Schauspieler - alles hätte gepasst. Doch dieser todsichere Treffer wurde durch ein fades Drehbuch und eine für britische Verhältnisse erschreckende Humorarmut verhindert. So bleibt am Ende lediglich die Freude an den Songs, den Anspielungen und den diversen Schauspielern, die einem teilweise über den schalen Rest hinweghilft. So hat die Nostalgie zumindest ein wenig ihr Ziel erreicht. The Boat That Rocked lässt sich mit einem Zitat von Reverend Timothy Lovejoy aus den Simpsons am besten zusammenfassen: "This sounds like Rock and/or Roll!"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen