Spitzzüngige Singles: Harvey (Dustin Hoffman) und Kate (Emma Thompson) kommen in einer Bar das erste Mal ins Gespräch - indem sie sich gegenseitig necken.
3.5 Sterne
Liebesgeschichten, in welchen nicht junge, sondern etwas angejahrte Paare im Mittelpunkt stehen, sind eine Strategie, die Hollywood in letzter Zeit gerne verfolgt. Die Produzenten dieser Filme dürfen sich dann nämlich damit rühmen, einen Film gemacht zu haben, der "anders" oder gar "aussergewöhnlich" ist. Natürlich treffen derartige Bezeichnungen auf einige dieser Filme tatsächlich zu, so beispielsweise auf The Bridges of Madison County, wobei man den nicht direkt mit Hollywood gleichsetzen sollte. Joel Hopkins, ein knapp 40-jähriger Brite hat sich nun entschlossen, ebenfalls sein Glück mit dem zweiten Frühling zu versuchen - mit der zurückhaltenden Tragikomödie Last Chance Harvey.
Last Chance Harvey ist ein Film, der knapp 90 Minuten dauert, keine Längen hat, immer seinen Charme behält, aber weder beeindruckt, noch besonders bewegt. Das ist im Prinzip schon die ganze Rezension, denn mehr gibt Joel Hopkins' Streifen nicht her. Nun gut, es gibt Aspekte, die man trotz dieses sehr knappen Verdikts noch genauer beleuchten könnte. Zum Beispiel die Schauspieler. Das Golden-Globe-Komitee hat mit Dustin Hoffman und Emma Thompson die Richtigen nominiert. Dustin Hoffman, bekannt dafür, dass er schauspielerisch alle Register ziehen kann - siehe seine Paraderolle in Rain Man - überrascht mit einer leisen, beinahe schon schüchternen Darstellung von Harvey Shine, einem Mann, dessen grösste Gefühlsregung tränenverhangene Augen zu sein scheinen. Hoffman spielt routiniert und verzieht sein Gesicht mehrmals zu einem derart ungelenken Grinsen, dass er die Sympathien des Publikums mühelos gewinnt. Doch auch Emma Thompson zeigt, dass sie mehr ist als bloss die Zynikerin in mittleren Jahren, als die sie immer mal wieder agieren darf. Sie und Hoffman harmonieren sehr gut miteinander. Dies liegt nicht zuletzt am Drehbuch, welches zwar kein Meisterwerk an sich ist, hie und da aber doch mit guten Dialogen glänzt. Ansonsten ist Last Chance Harvey aber leider etwas ereignislos geraten. Zwar nicht langweilig, aber eben auch nicht besonders spannend. Dass dabei zu viele Klischees aus gängigen Rom-Coms übernommen wurden, macht das Ganze auch nicht besser. Um wirklich Substanz zu zeigen, braucht es mehr als das hübsche Gesichtchen von Liane Balaban, die Harveys Tochter, der zuviel Platz eingeräumt wird, mimt. Besser ist Joel Hopkins der winzige Nebenplot mit Kates Mutter, wunderbar gespielt von Eileen Atkins, gelungen, der fast ohne Worte auskommt und sich traut, etwas absurd und karikiert zu sein. Sehr gut macht sich auch die Figur Oonagh, die resolute Freundin von Kate. Bronagh Gallagher, die Irin aus dem Bilderbuch, verkauft sich hervorragend und sorgt sogar für ein paar Lacher, die der Film gut brauchen kann, da es ansonsten nicht richtig witzig zu- und hergeht.
Joel Hopkins' Film ist alles andere als neu. Im Grunde werden in Last Chance Harvey lediglich die typischen Anhaltspunkte der Liebeskomödie des 21. Jahrhunderts auf ein etwas reiferes Paar übertragen. Dadurch wirkt der Film zwar sympathischer, doch gleichzeitig bringt es ihn auch um die Originalität. Der Zuschauer erlebt während der ganzen Laufzeit keine einzige echte Überraschung und das retardierende Moment, welches zum Schluss noch eingefädelt wird, wirkt nur noch fadenscheinig. Das "Finale" von Last Chance Harvey macht den Anschein, als ob Hopkins dringend noch eine Reibung zwischen den Hauptfiguren hervorrufen wollte. Ganz offensichtlich ist der Regisseur noch zu unerfahren, um wirklich einen dichten Film zu schreiben. Er bemüht sich zu stark, möglichst viele Themen anzusprechen und verliert dabei manchmal etwas sein Hauptanliegen aus den Augen. Es überrascht überhaupt nicht, dass Hopkins hat vor Last Chance Harvey erst zwei Filme gemacht hat.
Ein kleines Kompliment sollte dem Kameramann John de Borman gemacht werden. Zwar würde man diverse Bilder von ihm eher in einem Arthouse-Film vermuten, doch trotzdem bindet er London, in welchem ungewohnt schönes Wetter herrscht, sehr gekonnt in die Geschichte ein.
Last Chance Harvey ist auf eine Art ein sehr seltsames Stück Film. Er plätschert vorbei, doch es passiert etwas. Es geht mehr oder weniger romantisch zu und her, doch bewegt wird man kaum. Es geht um ein nicht mehr ganz junges Paar, doch es kommen überdurchschnittlich viele junge Leute vor. Aber möglicherweise ist der Autor dieses Textes schlicht und ergreifend zu jung, um Last Chance Harvey richtig zu deuten.
Mit Last Chance Harvey ist die Jahreszeit der Rom-Coms lanciert. Der Kinozuschauer wird sich nun auf einige flaue Monate einstellen müssen. Joel Hopkins' Film ist nett, aber nichts für die Ewigkeit. Ein anspruchsloser Streifen sieht anders aus, doch viel steckt nicht in Last Chance Harvey. Er muss leider auf die Stufe einer guten Hollywood-Romanze gestellt werden. Doch wer weiss? Der eine oder andere Zuschauer verguckt sich vielleicht sogar in das schöne Setting oder die Idee der Liebe, die jedem Widerstand trotzt. Frühlingsgefühle ahoi!
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