Auf der Flucht: Jackson (John Cusack) flieht mit seiner Familie (im Bild: Tochter Lilly (Morgan Lily)) vor dem drohenden Weltuntergang. In China sind angeblich Rettungsschiffe versteckt.
1.5 Sterne
Godzilla, Independence Day, The Day After Tomorrow - man kann nicht sagen, Roland Emmerichs Katastrophenfilme seien, gemessen an der Thematik, nicht vielfältig. Was den Inhalt betrifft, ist der in die USA ausgewanderte Deutsche jedoch ideenlos und untalentiert. Der Film über die japanische Kult-Killerechse war zum Haareraufen hirnlos, die Alien-Invasion vom 4. Juli langweilte die Massen und die moralisierende Klimaschutzlektion war zwar akzeptabel, krankte aber vor allem daran, dass, trotz des aktuellen Themas, Glaubwürdigkeit gar nicht aufkam. So gesehen passt der gigantischste Film in Emmerichs Œuvre, der bombastische 2012, sehr gut ins Gesamtbild. Ein annehmbarer Katastrophenstreifen ist das Resultat, könnte man denken. Falsch. Das aufgegriffene Motiv, das angebliche Ende der Welt am 21. Dezember 2012, basierend auf dem Kalender der Maya, wird so bearbeitet, dass es jedweden Intellekt beleidigt und eigentlich nur zu Sarkasmus taugt.
Die Annahme, die Welt komme zur Wintersonnenwende 2012 an ihr Ende, ist inkorrekt, das sei schon einmal verraten. Neuste Nachforschungen haben ergeben, dass sich die Wissenschaftler, die den kryptischen Maya-Kalender entschlüsselt zu haben glauben, um 208 Jahre vertan haben. Zudem halten die meisten respektierten Wissenschaftler, die etwas diesbezüglich zu sagen haben, die Erklärung, den Maya sei einerseits die Mathematik zu kompliziert, andererseits die ganze Vorhersagerei zu mühsam geworden, für die wahrscheinlichste. Allein mit diesen Fakten im Kopf, erscheint einem 2012 auf den ersten Blick gar nicht einmal so besonders an den Haaren herbeigezogen, denn die Prophezeiung spielt während des Films so gut wie keine Rolle. Selbst das Datum des 21. Dezembers wird auf halbem Wege über Bord geworfen. Vielmehr nahmen Roland Emmerich und Harald Kloser in ihrem Drehbuch eine bestimmte Planetenkonstellation, die in drei Jahren eintreten wird, als Grundlage. Diese wird tatsächlich geschehen, wird aber aller Voraussicht nach nur minimale Effekte auf unseren Planeten haben. Und da fangen die Probleme von 2012 an. Der Zuschauer wird ins kalte Wasser geworfen und muss sich gleich zu Beginn mit einer für Katastrophenfilme typischen Unart, dem unter jüngeren Filmspezis liebevoll "Random Scientific Crap" genannten Stilmittel, herumschlagen. Man fühlt sich wie in einer langweiligen Chemielektion, wenn sich die ersten fünf Minuten des Films um solare Gasexplosionen und physikalisch reagierende Neutrinos drehen. Dabei ist dieses pseudowissenschaftliche Gefasel nichts anderes als Blendwerk. Dass das Konzept von 2012 natürlich völliger Quatsch ist, hat sogar Roland Emmerich selber zugegeben. Dies schützt ihn aber nicht vor kritischer Betrachtung seines Streifens. 1'500 Meter hohe Wellen, die den Himalaya problemlos unter Wasser setzen? Ein schmelzender Erdkern? Menschen überleben eine Vulkan-Aschewolke? Auch ein zur Unterhaltung produzierter Actionreisser sollte sich an ein paar Grundregeln halten. Ausgeschlossen davon sind Faktoren wie minutenlanges Luftanhalten und das unbeschadete Überstehen jeglicher Gefahrensituation; das sind offenbar Standardprämissen, die man in derartigen Filmen hinnehmen muss. Sieht man von diesen gigantischen Plotlöchern ab, bleiben noch die erzählte Geschichte und die Dialoge, die das Drehbuch retten könnten. Tun sie es? Die Antwort lautet - oh Wunder - nein. Schlimmer noch, die resultierende Moral stinkt nach unterschwelligem Zynismus. Nicht nur wird darin quasi ein ganzer Erdteil verkauft, nein, es wird indirekt die Frage gestellt, was denn so schlimm an Milliarden von Toten sei, solange die klassische amerikanische Familie Wiedervereinigung feiern darf. Vorbereitet wird die Moral durch eine löchrige Story, die, mit Ausnahme eines Staatsangestellten, gespielt von Oliver Platt, mit platten Charakteren, deren Konflikte auf die banalste Weise gelöst werden, massenweise Klischees und endlos ausgeschlachteten Actionsequenzen garniert ist. Positiv anzumerken sind ein paar gelungene Anspielungen auf aktuelle Politiker, etwa der augenzwinkernde Arnold-Schwarzenegger-Verschnitt, der italienische Staatschef, der sich ideologisch nicht mehr von Silvio Berlusconi unterscheiden könnte, oder die Karikatur der englischen Queen und ihrer geliebten Hunde.
Unter den drögen Figuren lassen sich wenigstens noch ein paar einigermassen befriedigende Schauspielleistungen entdecken. John Cusack rennt so würdevoll wie er nur kann durch die haarsträubend formelhafte Geschichte, Danny Glover wehrt sich bewundernswert gegen das Ertrinken in der schablonenhaften Einfältigkeit seiner Figur, des volksnahen Präsidenten der USA, und Woody Harrelson ist als wissender, liebenswerter Besessener - ein in Katastrophenstreifen schon zigmal bemühter Protagonist -, ein willkommener Farbtupfer in einem ansonsten absolut farblosen Film. Doch auf jedes Mitglied dieses Trios kommen zahlreiche unnötige Personen und schwache Schauspieler. Zlatko Buric unterhält das Publikum mit markigen Sprüchen des Bilderbuch-Russen, was sein hölzernes Spiel in einem besseren Licht erscheinen lässt, aber Morgan Lily, Liam James, Amanda Peet - John Cusacks Filmfamilie - sowie Zlatko Burics Filmfrau Tamara (Beatrice Rosen) würde man am liebsten im Yellowstone-Vulkan versinken sehen. Schliesslich wären noch Thomas McCarthy, John Cusacks Rivale in Liebesdingen, Thandie Newton, die emotional verwirrte Präsidententochter, und Chiwetel Ejiofor, der unbedeutende Wissenschaftler, dem die zweifelhafte Ehre zukommt, den Reichen der Welt zu sagen, dass nur sie gerettet werden - das versteht Emmerich wohl unter Sozialkritik -, erwähnt werden, die allesamt schauspielerisch nicht stattfinden. Naja, vielleicht findet sich im nächsten Teil der Twilight Saga ein Part für sie, dort wären sie sicherlich hervorragend aufgehoben.
Fassen wir kurz zusammen: 2012 ist hirnlose, recycelte Dosenkost mit zynischen Untertönen, die mit einem selbstzufriedenen Grinsen jedwede Logik über den Haufen wirft. Sind aber wenigstens die Actionszenen beeindruckend genug? Nun ja, anfangs erfreuen schöne Bilder vom ausbrechenden Yellowstone-Supervulkan das Auge des Zuschauers. Auch die Zerstörung von L.A. hat optisch durchaus ihren Reiz, doch in der Folge wiederholen sich die Vernichtungen nur noch. Das Ganze wird noch langweiliger als es eh schon ist und der Zuschauer muss sich um inkonsistente Familienverhältnisse kümmern. Genau das, was man in einem Film, in dem angeblich die Welt untergeht, sehen will, oder? Zudem ist das CGI bei weitem nicht über jeden Zweifel erhaben. Insbesondere die Risse im Boden, die im ersten Akt ihre Wirkung als Spannungsaufbau grandios verfehlen, sehen arg verpixelt aus. Die anderen Spezialeffekte sehen so aus, als wären sie 1:1 aus anderen, weniger miesen Filmen kopiert worden.
Mehr gibt es wirklich nicht zu sagen. 2012 ist - ganz in der Tradition von Armageddon oder The Core - ein lachhafter Film für die breite Masse, die zufrieden ist, wenn sie eine Abwandlung dessen, was sie schon x-mal mit angesehen haben, zu Gesicht bekommt. Dem Film fehlt es an jeglichem Feingefühl und erzählerischer Finesse, die Effekte haben sich nach 45 Minuten totgelaufen und die zarten Denkanstösse, die das Ende vermitteln soll, werden durch die schiere Idiotie auf der Leinwand im Keim erstickt. 2012 ist nichts anderes als profitorientierte Geldmacherei und die Produzenten machen keinen Hehl daraus. Sollte die Erde sich 2012 wider Erwarten tatsächlich in ihre Einzelteile zerlegen, dann wäre es um derartige Machwerke nicht schade.