Ein Mond voller Überraschungen: Jake Sully (Sam Worthington) ist anfangs noch unvorsichtig, da er sich noch nicht an seinen Avatar, der ihm das Laufen ermöglicht, gewöhnt hat.
3 Sterne
Auch das Kino wird vom digitalen Zeitalter nicht verschont. Avatar, James Camerons neustes Werk, soll, das hat der Regisseur selber verlautbaren lassen, die Filmwelt verändern und den Menschen als technische Revolution in Erinnerung bleiben. Dazu hat sich der auf bombastische Inszenierungen spezialisierte Filmemacher - Alien, The Terminator, Titanic - auf die neue Technik des 3D-Films verlassen und ein Projekt realisiert, das zwar optisch zu überzeugen vermag, den an Story und echten Gefühlen interessierten Kinogänger aber mit den Schultern zucken lässt. Doch offenbar hat diese Strategie funktioniert, denn Avatar avancierte unlängst zum finanziell erfolgreichsten Film aller Zeiten. Unmengen an respektablen Kritikern, unter anderem Roger Ebert und Peter Travers, der aber immerhin einräumt, dass Camerons Blockbuster alles andere als ein Klassiker ist, haben sich von den schönen Bildern blenden lassen und den Streifen als Meisterwerk hochgejubelt. Nimmt man ihn allerdings etwas genauer unter die Lupe, bleibt vom ganzen Ruhm wenig übrig.
15 Jahre. So lange hat James Cameron angeblich gebraucht, um seine "visionäre" Idee von blauen Aliens auf einem erdähnlichen Mond weit draussen im All vollständig reifen zu lassen. Doch man muss sich schon die Frage stellen, ob er diese 15 Jahre nicht einfach damit verbracht hat, sich andere Filme anzusehen, um sich bei deren Storys zu bedienen. Denn wenn Avatar etwas nicht ist, dann ist es originell. Wer gerne Knobeleien hat, sollte einen Notizblock ins Kino mitnehmen und sich alle Filme notieren, bei denen hier abgekupfert wurde. Die Story ist eine platte Kopie von FernGully: The Last Rainforest, sie enthält sämtliche Elemente von Dances with Wolves, der vorgestellte Konflikt der Ideologien wurde in Mononoke-hime (Princess Mononoke) weitaus besser dargestellt, die Hauptfigur wurde direkt aus The Last Samurai importiert und jeder neuere Disney-Film - allen voran Pocahontas und Atlantis: The Lost Empire - verläuft nach dem gleichen Muster. Wer jetzt James Cameron verteidigen will und sagt, er habe diese Ideen trotzdem vor allen anderen gehabt, dann muss sich derjenige eben damit abfinden, dass andere beim Umsetzen ihrer Visionen schneller waren. "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.", sagte Michail Gorbachev.
Aber auch anderweitig gibt James Camerons Drehbuch nicht allzu viel her. Die zusammengebastelte Geschichte kommt nicht über plumpe Klischees und primitive Schwarz-Weiss-Malerei hinaus, die Figuren sind völlig eindimensional, ihre Handlungsweise widerspricht jeglicher Logik und die Plotlöcher sind einfach gigantisch. Man ahnte ja schon bei Titanic, dass Cameron keine glaubwürdige Geschichte erzählen kann, doch was er in Avatar abliefert, spottet jeglicher Beschreibung. Sein Versuch, den Irakkrieg satirisch aufs Korn zu nehmen, misslingt und resultiert in einen moralisierenden Öko-Kitsch, den man weder ernstnehmen noch billigen kann, da er quasi die Einstellung "Alles Menschliche ist böse" predigt. Wer will von einem Stück Unterhaltungskino, welches selber fast 250 Millionen Dollar gekostet hat, getadelt werden?! Immerhin ist die Story so angelegt, dass man ihr mit mildem Interesse folgt und in den ersten beiden Akten des Films einigermassen aufmerksam das Geschehen auf der Leinwand mitverfolgt. Der finale Kampf, der zum obligaten Happy End führt, ist imposant inszeniert, strotzt aber - wie der Rest von Avatar - vor Fehlern und vorhersehbaren Wendungen.
Die Schauspieler, die grösstenteils sowieso computergeneriert sind, sind kaum der Rede wert. Sam Worthington, der erst vor kurzem mit Terminator: Salvation, seinen Durchbruch geschafft hat, ist hölzern und verschafft seiner schlecht konzipierten Figur keinerlei Tiefe, wird aber vom grandiosen CGI vor der Lächerlichkeit gerettet. Zoe Saldanas Leistung is sicherlich nicht schlecht - sie verbringt den ganzen Film im Alien-Körper -, doch auch sie schafft es nicht, die Sympathie des Zuschauers auf ihre Seite zu bringen. Die einzige wirklich tragbare Darstellerin ist Sigourney Weaver, die hier ihre Erfahrung optimal einsetzt und aus dem beschränkt interessanten Charakter, den sie spielt, eine sympathische Nebenfigur macht. Den mit Abstand grössten schauspielerischen Unterhaltungswert haben Giovanni Ribisi - als Vertreter der fiesen, geldorientierten Firma - und Stephen Lang, der den ultramaskulinen Militär mimt. Ribisis Figur ist dermassen übertrieben ignorant, dass man nur über sie lachen kann, und auch der von Lang gespielte Colonel Miles Quaritch wirkt einfach nur lächerlich. Dass der Mann kein Testosteron schwitzt, grenzt an ein Wunder. Nehmen wir zu James Camerons Gunsten einmal an, dass er diesen Charakter absichtlich so stark überzeichnet hat, denn sonst müsste man sich doch fragen, wer diesen Bösewicht wirklich ernst nehmen könnte.
Avatar wurde ja von allen Seiten nicht nur wegen seiner Spezialeffekte, sondern auch wegen seiner fantasievollen und fotorealistischen Welt gelobt. Geht man mit diesen Lobeshymnen im Hinterkopf ins Kino, wird man herbe enttäuscht. Nicht nur ist die ganze Ökologie des Mondes Pandora ein Witz - man denke allein schon an die USB-Sticks, die die Ureinwohner in ihren Haaren haben -, auch die Artenvielfalt scheint eher kümmerlich ausgefallen zu sein. Wer mitgezählt hat, weiss, dass es auf Pandora gerade mal sieben - und erst noch evolutiv sehr fragwürdige - Lebensformen gibt. Überdies enthält diese Welt viel zu viele Dinge, die es, selbst im Realitätsrahmen des Films, dort nicht geben dürfte, die einem jedoch ohne jede Erklärung präsentiert werden. Zur Verteidigung des Films kann man immerhin sagen, dass die ganze Szenerie, so fehlerhaft und anorganisch sie auch sein mag, wirklich schön gestaltet ist. Es sind vor allem die unaufdringlichen Einstellungen des Kameramannes Mauro Fiore, der wahrscheinlich für seine Leistung einen Oscar gewinnen wird - dies verstehe, wer will -, die einem in ruhigen Momenten die Schönheit von Pandora näherbringen. Bei den Schlachtszenen liefert aber auch er nichts Neues.
Was Avatar halbwegs rettet, sind seine Spezialeffekte. So schlecht das Drehbuch auch ist, so fade die Figuren auch sind, die visuelle Arbeit ist wahrlich beeindruckend, dies kann man neidlos zugeben. Die Bilder sind hochauflösend, das CGI ist beinahe makellos und die am Computer entstandenen Aliens sehen verblüffend echt aus. Dass sie wie blaue Katzen aussehen, ist eine andere Geschichte. Aber genügt dies wirklich, um die Massen zufriedenzustellen? Offenbar. Es kommt anscheinend nicht mehr auf eine gute Story oder dreidimensionale Charaktere, mit denen man mitfühlen kann, an. Nein, es reichen schöne Bilder und der Rest kann einem egal sein. Es stimmt nachdenklich, dass ein derart seelenloses Konstrukt wie Avatar als erfolgreichster Film aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. Welchen Weg wird das Kino gehen, wenn das Credo "Form vor Inhalt" weiter triumphiert?
Ist Avatar die angekündigte Revolution? Jein. Visuell ist der Film eine Perle, inhaltlich bekommt man nichts Neues serviert. Muss man James Cameron Glauben schenken und annehmen, dass das Kino nie mehr dasselbe sein wird wie zuvor? Ja, aber das liegt nicht am Film an sich, sondern am Hype, der darum entstand. Geht man das Ganze sachlich an, muss man feststellen, dass Avatar nichts anderes als eine weitere mittelmässige Science-Fiction-Posse ist, die es jedes Jahr im Kino zu bestaunen gibt. Es ist natürlich jedem Filmfan unbenommen, daran Gefallen zu finden. Es ist aber zu hoffen, dass es beim kommerziellen Erfolg bleibt und Avatar nicht auch noch mit dem zu befürchtenden Oscarreigen "veredelt" wird.
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