Vor Toy Story 3 fiel es sicherlich schwer, sich die Pixar-Werke auf der gleichen Stufe wie Citizen Kane, Psycho oder The Bridge on the River Kwai vorzustellen. Aber das zweite Sequel des ersten vollständig am Computer entstandenen Films packt uns da, wo wir am empfindlichsten sind: an unserer Nostalgie. Und genau deshalb ist Toy Story 3 die Perfektion der Pixar-Magie.
Wieso ist Pixar seinen grossen Konkurrenten FOX und DreamWorks überlegen? Das Herz allein kann es nicht sein, denn wenn nur Herz die Kinokarten verkaufen würde, dann hätte Avatar nicht einmal die 10-Millionen-Dollar-Grenze geknackt. Nein, der Grund ist beim Zuschauerbild zu suchen. Im Gegensatz zu den meisten FOX- und DreamWorks-Kinderfilmen nimmt Pixar sein Publikum ernst. Wie Don Bluth in den 1980er Jahren zeigt das Studio aus Emeryville entschlossen Themen wie Tod oder die Grausamkeit der Zeit auf, während die Konkurrenz - man ist versucht, sie mit dem Disney der 1980er Jahre zu vergleichen - diese unschuldig pfeifend übergeht. Und dort endet die Kunst von Pixar nicht. Denn im selben Atemzug wird jeweils auf eine einzigartige Weise demonstriert, wie wunderbar die Welt doch sein kann - und das aus der Sicht von Ratten, Robotern, Ameisen, Fischen und, nicht zuletzt, Spielzeugen.
Toy Story wird leider nicht von allen Pixar-Fans geliebt. Heute lässt man sich gerne von den stellenweise etwas kruden Computeranimationen, vor allem wenn es um das Design der Menschen geht, ablenken, anstatt sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Denn Toy Story und Toy Story 2 waren beide subtile, urkomische und gleichzeitig tragische Parabeln auf ein sich veränderndes Leben und Freundschaft. Ja, die Kapazität der Lebensnähe der Animationen steckte noch in den Kinderschuhen, aber der für Pixar inzwischen so typische Tiefgang war von Anfang an da. Und auch das ist ein Problem von DreamWorks: Die Animationen sind meistens so gut wie makellos, doch die Storys lassen doch stark zu wünschen übrig. Und wenn die Produzenten einmal eine einigermassen gelungene Geschichte haben (Shrek, How to Train Your Dragon), dann runieren sie diese mit unzähligen Fortsetzungen.
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Natürlich darf auch nicht die hervorragende Arbeit, die die Herren Lasseter, Stanton und Unkrich bei der Story geleistet haben, vergessen werden. Einmal mehr stellen sie Woody vor eine Wahl - Andy oder seine Freunde -, bei der es keinen Kompromiss gibt. Zudem verwandeln sie die scheinbar friedliche Kinderkrippe in ein brutales Spielzeug-Gefängnis, das sehr bewusst an POW-Filme über den Zweiten Welt- oder den Vietnamkrieg erinnert. Und selbstverständlich kommt der hoch geschätzte Pixar-Subtext auch nicht zu kurz. Nicht nur ist Toy Story 3 ein Film über Treue, Veränderung und Freundschaft wie seine Vorgänger; nein, er hält sich auch nicht zurück, die moderne Konsumgesellschaft anzuprangern. Dies ist zwar nicht ganz so offensichtlich gemacht wie in WALL-E, obwohl die finalen Szenen auf der Mülldeponie ganz offensichtlich darauf anspielen - es fehlte nur noch das "Buy n Large"-Logo auf den Lastwagen -, aber die Seitenhiebe sind doch sehr gut erkennbar, etwa wenn sich ein Charakter daran erinnert, wie der Bösewicht einst ein "besonderes Stofftier" war, verloren ging und anschliessend ganz einfach ersetzt wurde.
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Gleichermassen beeindruckend ist aber auch der dreidimensionale Bösewicht, Lotso, überragend gesprochen von Ned Beatty. Zwar erinnert seine Überzeugung, dass Kinder letzten Endes Spielzeuge nur zerstören, stark an diejeinge Stinky Petes aus dem zweiten Teil, aber im Gegensatz zu diesem ist Lotso ein wirklich handelnder Charakter, der sich mit brutalen Schergen umgibt. Einer dieser Schergen, Ken, der von einem sehr witzigen Michael Keaton vertont wurde, liefert zusammen mit Barbie einen herrlichen Subplot, der mehr als nur einmal seine heterosexuelle Fassade in Frage stellt. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Figurenzeichnung, wie die Geschichte, fliessend von Komödie zu Tragödie und umgekehrt übergeht.
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Ein weiteres Überbleibsel aus den Vorgängern von Toy Story 3 ist Randy Newman, der für die Musik verantwortlich war. Erwartet man von ihm etwas anderes als gute Arbeit? Nein. Und das ist auch nicht nötig. Sein Score untermalt die rasanten, die dramatischen und die tragischen Momente jeweils optimal. Ihn nicht auszuwechseln war eine gute Entscheidung.
Der letzte objektive Aspekt, auf den hier eingegangen werden soll, ist die Animation. Wie jeder weiss, hat Pixar seit 1995 in dieser Beziehung grosse Schritte nach vorne gemacht. Mittlerweile stehen FOX und DreamWorks auch bei dieser Disziplin hinten an. Die Menschen in Toy Story 3 sehen, für Animationsfilm-Verhältnisse, verblüffend real aus, die Settings sind enorm detailverliebt und überzeugen zu hundert Prozent, und das dabei verwendete 3D ist alles andere als aufdringlich, sondern dient lediglich dazu, Raumtiefen hervorzuheben und den Zuschauer ins Geschehen miteinzubeziehen.
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In den letzten drei Jahren hat Pixar jedes Jahr verdientermassen den Oscar für den besten Animationsfilm eingeheimst. Und sie hätten es immer noch nicht verdient, dass diese Serie reisst, denn alles andere als mindestens dieser ein Academy Award für Toy Story 3 wäre ein Skandal. Der Film ist beinahe perfekt und begeistert Kinder und Erwachsene gleichermassen. Das Studio mit der Lampe ist mit seinem neuesten Streich endgültig auf dem Olymp der Kinowelt angekommen und hat seinen Ruf als bestes Animationsstudio der Welt einmal mehr gerechtfertigt. Dass Toy Story 3 noch zwei Verneigungen an den grössten der legitimen Verfolger, das japanische Studio Ghibli, beinhaltet (ein Totoro-Plüschtier und ein "Special Thanks" für Hayao Miyazaki), macht es uns nur noch sympathischer. Film on, Pixar, film on.
★★★★★★
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