Thriller zeichnen sich oft durch Gefühlskälte aus; man könnte denken, dass sich actionreiche Spannung nicht mit Emotionen vertrüge. Doch Regisseur Duncan Jones scheint entschlossen, dieser Ansicht entgegenzutreten: Mit Source Code bringt er einen zutiefst menschlichen Sci-Fi-Reisser ins Kino.
Duncan Jones' zweite Regiearbeit (nach dem hervorragenden Moon)
erzählt die Geschichte des in Afghanistan stationierten Piloten
Colter Stevens (ein ungemein sympathischer Jake Gyllenhaal), der sich
unter mysteriösen Umständen plötzlich in einem Zug mit Ziel
Chicago wiederfindet. Ihm gegenüber sitzt eine ihm unbekannte Frau
namens Christina (Michelle Monaghan), die ihn mit Sean anspricht;
sein Spiegelbild zeigt nicht ihn, sondern einen anderen; und nach
kurzer Zeit detoniert eine Bombe im Zug. Verwirrt wacht er in einem
dunklen Raum auf und wird von der uniformierten Goodwin (Vera
Farmiga) per Webcam darüber aufgeklärt, dass er sich in einem
Computerprogramm – dem "Source Code" – befindet, das einem
ermöglicht, die letzten Minuten im Leben eines Menschen immer wieder
zu durchleben. Was Colter erlebt hat, war ein Terroranschlag, der
sich vor wenigen Stunden zugetragen hat – aus der Sicht des dabei
ums Leben gekommenen Lehrers Sean Fentress. Mithilfe des Source Codes
muss er nun die letzten acht Minuten von Seans Leben durchstöbern,
um den Bombenleger finden, da dieser in der Realität einen noch
verheerenderen Coup plant: das Zünden einer radioaktiven Bombe im
Zentrum Chicagos.
"Groundhog
Day als Thriller"? Die Bezeichnung ist keineswegs verkehrt: Ben
Ripley hat sich beim Schreiben des Drehbuchs offensichtlich von
Harold Ramis' Komödienklassiker der 1990er Jahre inspirieren lassen,
vor allem was die Entwicklung des Protagonisten in der zeitlichen
Endlosschlaufe anbelangt. Colters graduelle Wandlung vom
verwirrt-destruktiven Antihelden zum souveränen Herrn der Lage
erinnert frappant an diejenige von Bill Murrays TV-Wetterfrosch Phil
Connors. Dies bedeutet aber nicht, dass Source Code ein plumpes
Derivat ist, das ausserdem mit seiner Thematik der multiplen Realität
noch ein wenig auf der Inception-Welle reitet. Im Gegenteil:
Wie schon in „Moon“ experimentiert Duncan Jones auch hier, wenn
auch etwas weniger radikal, mit den Beschränkungen und Konventionen
des Genres; so wird zum Beispiel der grösste Twist des Films wieder
sehr früh verraten. Man könnte nun denken, dass dieser Umstand,
zusammen mit der steten Wiederholung des gleichen Szenarios, zur
Folge hat, dass der Film auf Dauer langweilig werden könnte. Dem ist
aber nicht so, da Ripleys knackiges, temporeiches Skript immer wieder
mit verblüffenden Wendungen und originellen Ideen aufwartet, sodass
dauerhaft maximale Spannung erhalten bleibt. Dazu trägt sicherlich
auch die vergleichsweise knappe Laufzeit von „Source Code“ bei;
die höchst komplexe Geschichte wird in gut 90 Minuten abgewickelt,
was verhindert, dass sich das faszinierende Konzept wegen Überlänge
totläuft.
Colter (Jake Gyllenhaal) weiss nicht, wieso er sich plötzlich in
einem Zug befindet; sein Gegenüber (Michelle Monaghan) scheint ihn
aber zu kennen.
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Auch dramaturgisch weiss Source Code zu begeistern. Obwohl sich
die Erzählung um die actionreiche Suche nach dem Zug-Attentäter
dreht, verlieren Jones und Ripley niemals die menschliche Komponente
aus den Augen. Colters komplizierte, von Schuldgefühlen und
Konflikten geprägte Beziehung zu seinem Vater wird so subtil wie
dreidimensional angegangen; ebenso sein Beschützerinstinkt, der mit
jeder Zugexplosion stärker wird und der darin mündet, dass er die
unschuldigen Opfer des Anschlags wenigstens in der
Source-Code-Simulation retten will. Ausserdem beginnt er allmählich,
Gefühle für Christina zu entwickeln. Obwohl dieser Handlungsstrang
eher konventionell ist und auch hie und da etwas ins Süssliche
abrutscht, vermag er einen trotzdem zu berühren – wohl nicht
zuletzt dank Gyllenhaals und Monaghans vorzüglichen
schauspielerischen Leistungen – und verleiht dem eigenwilligen,
aber stimmigen Ende zusätzliche Resonanz.
Source
Code ist nicht Inception, noch ist er Groundhog Day
oder Moon. Er mag kleinere, für Sci-Fi-Thriller durchaus
typische Logiklöcher enthalten und ob der Schluss mit der inneren
Gesetzmässigkeit der Story kompatibel ist, hängt von der
Interpretation ab. Trotzdem ist Duncan Jones ein fesselnder Film
gelungen, der trotz ungewöhnlicher Prämisse, vieler Effekten und
Action auch das Herz anspricht und nicht vergisst, dass der Kern
einer auf- und anregenden Geschichte aus ihren Charakteren besteht.
Insofern ist Source Code ein Vorbild für andere Filmemacher,
die sich in diesem Genre versuchen.
★★★★½
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