Filme über Teenager gibt es viele. So viele, dass die seriöseren
davon sogar ein eigenes Genre bilden: den Coming-of-Age-Film. Dass
die Auseinandersetzung mit diesem speziellen Lebensabschnitt immer
wieder neu begeistern kann, beweist Submarine – ein
eigensinniges kleines Meisterstück.
Der 15-jährige Oliver Tate (Craig Roberts) gehört nicht zu den
beliebtesten Schülern in seiner Schule. Man munkelt, er sei
homosexuell, Mädchen schenken ihm wenig bis gar keine Beachtung und
sein Interesse an Literatur (J.D. Salinger, Friedrich Nietzsche und
die "reiferen" Werke Shakespeares, zu denen Hamlet offenbar
nicht gehört) bringt ihm auch keinen Respekt ein. Doch als er eines
Tages – als Mitläufer – unabsichtlich dazu beiträgt, dass die
übergewichtige Zoe die Schule wechselt, ändert sich sein Leben
zumindest in einem Bereich: Die eigenbrötlerische Jordana (Yasmine
Paige), auf die Oliver ein Auge geworfen hat, interessiert sich
plötzlich für ihn. Aber auch mit Freundin ist für ihn noch nicht
alles perfekt. Seine Eltern Jill (Sally Hawkins, bekannt aus Happy-Go-Lucky) und Lloyd (Noah Taylor) entfremden sich immer
mehr voneinander, und zu seinem Entsetzen zieht nebenan auch noch
Jills charismatischer Ex-Freund Graham (Paddy Considine) ein. Oliver
ist fest entschlossen, das Familienleben der Tates zu retten.
Allerdings kommt bei dieser Rettungsaktion Jordana etwas zu kurz, was
ihr gar nicht gefällt.
Was an Submarine sofort auffällt, ist Regisseur Richard
Ayoades (Kult-Nerd Moss aus der TV-Serie The IT Crowd) Liebe
für die Filmhistorie. Immer wieder wird subtil auf bekannte Werke
angespielt – etwa auf den berühmt-berüchtigten Twist von Nicolas
Roegs Don't Look Now; oder sie nehmen sogar selber einen Platz
in der Erzählung ein, wie im Falle von Le samouraï und La
passion de Jeanne d'Arc. Nichtsdestoweniger ist die Verfilmung von
Joe Dunthornes Roman desselben Namens ein lupenreines Original.
Selbst der im Grunde alltägliche Plot wird durch Ayoades raffinierte
Inszenierung in etwas Einmaliges verwandelt. In Submarine wird
viel experimentiert, viel stilisiert, viel nur angeschnitten. So
werden beispielsweise keine schwarzen Szenenübergänge benutzt,
sondern nur blaue und rote; das Setting ist ein Enigma: Der Film
spielt zwar im walisischen Swansea, doch ob das Jahr nun 1985 oder
2011 ist, muss jeder für sich selbst herausfinden; und wenn Oliver,
der als Erzähler fungiert, einen neuen Charakter vorstellt, geht er
stark ins Detail und liefert zahlreiche Hintergrundinformationen, nur
um schnell wieder zur Hauptstory zurückzukehren und die aufgezählten
Eigenheiten der beschriebenen Figur weitgehend unkommentiert zu
lassen. Dass dabei niemals das Gefühl aufkommt, der Film sei
anmassend, ist dem herrlich selbstkritischen Tonfall zu verdanken.
Wenn zum Beispiel zitiert wird, dann lässt einen Submarine in
seiner eigenen ironischen Art, wissen, dass es sich dabei nicht um
Angeberei handelt, sondern um einen Versuch, Filmfreunde schmunzeln
zu lassen.
Zwei Aussenseiter haben sich gefunden: Oliver (Craig Roberts) und
Jordana (Yasmine Paige) pflegen eine exzentrische Beziehung.
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Aber trotz, oder vielleicht gerade wegen, der fast schon dylanesken
Verschrobenheit von Richard Ayoades Film ist er wahrhaftiger als so
mancher andere Coming-of-Age-Film – vielleicht sogar noch mehr als
Lone Scherfigs (zu Recht) viel gelobter An Education, der
immerhin auf einer realen Geschichte beruhte. Die Geschichte stellt
eine Teenager-typische Achterbahnfahrt der Gefühle dar, die man als
Zuschauer mit Oliver unternimmt. Dessen Gefühle wirken bekannt;
ebenso seine Handlungen, die mal clever, mal kindisch-naiv sind.
Einen derartigen Charakter sympathisch bleiben zu lassen, ist nicht
leicht; Kudos an den exzellenten Craig Roberts und an die
gleichermassen talentierte Yasmine Paige, die eine noch
exzentrischere Figur zu spielen hat. Auch visuell wussten Ayoade und
sein Kameramann Erik Wilson den Geist des Teeenagerseins hervorragend
umzusetzen. Die Liebesgeschichte zwischen Oliver und Jordana – auch
sie genial in ihrem von schwärmerischer Romantik gebrochenen
Realismus – wäre ohne die Gegenüberstellung des jugendlichen
Überschwangs mit der grauen, etwas heruntergekommenen Industriestadt
Swansea wohl nur halb so kraftvoll.
Submarine
ist ein erfrischender und trotz seines Retro-Chics moderner
Indie-Film der besonderen Art. Der Film vereint Romantik, Drama und
trockenen, schwarzen, unverkennbar britischen Humor in sich und
versteht es hervorragend, das Teenagersein zu beschreiben –
skurril, aber stimmig. Ein besseres Langspielfilm-Regiedebüt hätte
Richard Ayoade kaum abliefern können. Nicht nur ist Submarine
der beste Coming-of-Age-Film seit Jahren, er ist einer der bisherigen
Höhepunkte im Kinojahr 2011.
★★★★★½
Fand ich dem Trailer entsprechend, aber dadurch auch ziemlich langatmig/langweilig. 5.5 Punkte sind schon okay, aber eben - man muss wissen worauf man sich einlässt. ;)
AntwortenLöschenSõprus ftw!
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