Trotz
einer Filmografie von nur fünf Filmen zählt Terrence Malick zu den
grossen Filmästheten Hollywoods und wurde eben
mit der Palme d'Or in Cannes für The
Tree of Life
ausgezeichnet. Darin stellt er die Frage nach dem Sinn des Lebens und
zeigt einmal mehr, dass sein Stil Geschmackssache ist.
In
seinem neuesten Werk gibt der enigmatische Kultregisseur Terrence
Malick (The Thin
Red Line,
The New World)
auf epische Art und Weise seine gottesfürchtige, pantheistisch
anmutende Interpretation des Lebens zum Besten: Einerseits geht er
auf das scheinbar idyllische Leben der texanischen
50er-Jahre-Vorstadtfamilie O'Brien ein, in dem der Konflikt zwischen
Sohn Jack (Hunter McCracken) und dem herrischen Vater (Brad Pitt)
schwelt, der Jack schliesslich dazu bewegt, Gottes Existenz
anzuzweifeln. Andererseits lässt er in der Jetztzeit einen
erwachsenen Jack (Sean Penn) sich auf die Suche nach spiritueller
Erlösung begeben, da dieser von der Erinnerung an seinen im
Vietnamkrieg gefallenen Bruder gequält wird. Zwischen diesen teils
traumartigen Sequenzen – wunderschön gefilmt von Emmanuel Lubezki
– finden sich ausufernde, teilweise sogar atemberaubende
HD-Einstellungen von Galxien, Sternennebeln und irdischen
Naturwundern wie Wasserfällen sowie (nicht sonderlich gut
animierten) Dinosauriern. Nur leider genügen diese nicht als Ersatz
für eine emotional wie intellektuell anregende Geschichte.
Anstatt
seine philosophischen Ambitionen in eine Erzählung einzubetten –
wie zum Beispiel ein Jim Jarmusch in The
Limits of Control
– belässt Malick es bei seinen Markenzeichen, denen er alles
unterordnet: Szenen relativ lose aneinander zu reihen, Dialoge
grossflächig durch geflüsterte Voiceovers zu ersetzen, symbolische
Naturbilder in den Film zu integrieren und Charaktere nur sporadisch
agieren zu lassen. Vor allem Letzteres ist dem Genuss des Films
abträglich. Obwohl die Entwicklung der O'Briens en détail
geschildert wird, angefangen bei der Geburt des ältesten der drei
Söhne, hat man als Zuschauer keine emotionale Beziehung zu ihr, da
sie einem nur schemenhaft bekannt ist. Auch Sean Penns
Handlungsstrang vermag diesbezüglich nicht zu überzeugen: Penn
verbringt seine spärliche Screentime vor allem damit, Lift zu fahren
und mehr oder minder ziellos durch gläserne Bürogebäude und
felsige Küstenlandschaften zu laufen. Dass dahinter kalkulierter
Symbolismus steckt, ist offensichtlich, stärkt aber das Interesse
des Kinogängers, der kein Malick-Fan ist, am Schicksal des
erwachsenen Jack O'Briens nicht.
Mr. O'Brien (Brad Pitt) beschäftigt sich mit seinen Söhnen. |
Diese
Art des Erzählens geht stellenweise sogar so weit, dass The
Tree of Life mehrmals
wie die Parodie eines Autorenfilms wirkt. Dies liegt wohl auch daran,
dass Malick sich in seiner Mission, das Leben, ja die Existenz von
Zeit und Raum an sich, darzustellen, absolut ernst nimmt und sich
konsequent gegen das Aufkommen jeglichen Humors und jeglicher Ironie
stemmt. Dass das durchaus möglich wäre, haben die Brüder Joel und
Ethan Coen vor gut einem Jahr mit A
Serious Man
bewiesen, der, genauso wie The
Tree of Life,
die Gottesfrage stellte. Doch Malick scheint sich in seiner Rolle als
visionärer und tiefgründiger Filmkünstler zu sehr zu gefallen, um
Leichtigkeit zuzulassen. Sporadische Lacher sind eher unfreiwilliger
Natur und werden entweder durch eine der übertrieben
bedeutungsschwangeren, mit esoterischem Gesang unterlegten Aufnahmen
des Tierreichs oder die allzu gesuchte Symbolik provoziert.
In
einigen Punkten weiss The
Tree of Life durchaus
zu gefallen. Obwohl seine Story das Interesse des Zuschauers nicht
wirklich zu wecken vermag, hat Terrence Malick in seinem Drehbuch
einen angenehm fliessenden Rhythmus hinbekommen, welcher dafür
sorgt, dass der Film, ausser in den letzten zehn Minuten, nie richtig
langweilt. Von den Schauspielern bleibt vor allem Brad Pitt in
Erinnerung, der als autoritärer Vater der 1950er Jahre, der seine
Kinder dazu erzieht, ihn "Sir" zu nennen, vollends überzeugt und
so wohl endgültig sein Schönling-Image abgelegt haben dürfte.
Bei
The
Tree of Life trifft
der
Spruch "Über Geschmack lässt sich nicht streiten" fast noch
mehr als bei anderen Filmen zu. Wer ein Freund von Terrence Malicks
Filmen ist oder sich zumindest mit seinen religiösen und
philosophischen Ansichten identifizieren kann, wird seinem Opus
magnum bestimmt einiges abgewinnen können. Sonst aber ist der
Gewinner der Goldenen Palme 2011 nicht viel mehr als ein prätentiöser
Egotrip eines polarisierenden Regisseurs. Mit Dinosauriern und
Sternennebeln.
★★½
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