Kann es einem TV-Regisseur wie Richard J. Lewis gelingen, ein Buch
von Mordecai Richler, einem der grössten kanadischen Literaten,
würdig zu verfilmen? Es scheint so. Barney's Version mag
unstet und überlang sein, doch es gelingt dem Film tadellos, das
Herz des Zuschauers zu erobern.
Der wohlhabende kanadische Seifenoper-Produzent Barney Panofsky (Paul
Giamatti), Sohn eines jüdischen Polizisten (der herrliche Dustin
Hoffman), hat in seinem Leben viel erlebt. Alles begann 1974 in Rom,
als sich Barney spontan mit der Künstlerin Clara (Rachelle Lefevre)
verheiratete, bald aber einen Rückzieher machte, woraufhin sich
seine Angetraute das Leben nahm. Es folgten "die zweite Mrs. P."
(Minnie Driver), eine selbstgefällige, aber gut aussehende Jüdin,
und Miriam (Rosamund Pike), mit der Barney zwei Kinder hat und die er
immer noch abgöttisch liebt. Doch diese ist nun mit Blair (Bruce
Greenwood) verheiratet. Nun ist Barney partnerlos, langweilt sich und
muss feststellen, dass sein Gedächtnis immer schlechter wird. Als
eines Tages ein Buch erscheint, das ihn des Mordes an seinem besten
Freund Boogie (Scott Speedman) bezichtigt, sieht er sich gezwungen,
seine Version seiner Vita zu erzählen.
Rostet alte Liebe doch? Der an Alzheimer erkrankte Barney (Paul
Giamatti) trifft sich mit seiner Ex-Frau und „wahren Liebe“
Miriam (Rosamund Pike).
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Paul Giamatti erhielt für seine grandiose Darstellung Barney
Panofskys bei den Golden Globes 2011 verdientermassen die
Auszeichnung für "Bester Hauptdarsteller (Komödie/Musical)".
Doch die Frage lohnt sich, ob Barney's Version tatsächlich in
die Kategorie der Komödien gehört. Es stimmt zwar, dass der Film
den typischen jüdischen Humor der Vorlage so hervorragend einfängt,
dass Erinnerungen an Neil Simon und Woody Allen, insbesondere dessen Annie Hall, wach werden; doch Richard J. Lewis und Autor
Michael Konyves räumten der Tragödie ebenso viel Platz ein. Kaum
ein Lacher wird ohne tragische Gegendarstellung gelassen. So wirkt
der mit 134 Minuten Laufzeit etwas zu lang geratene Film zwar nicht
sonderlich ausbalanciert, wodurch die Geschichte von Barneys Leben
aber auch eine eindrückliche Lebensnähe und damit besondere
emotionale Tiefe erhält.
Vor allem der dritte Akt, in welchem Barneys Alzheimererkrankung zum
Thema wird, vermag zu begeistern. Dieser gehört zum Traurigsten, was
man in jüngerer Zeit im Kino gesehen hat. Kudos für Paul Giamatti,
der den Alzheimer-Patienten in seiner ganzen Frustration, Verwirrung
und, in guten Zeiten, Seligkeit sehr zurückhaltend und ohne
Übertreibung spielt. Aber selbst in dieser Lage behält Richard J.
Lewis den Blick für den Silberstreifen am Horizont und gewährt
Barney letzten Endes die innere Erlösung – Adam Elliots thematisch
verwandtem Animations-Kurzfilm Harvie Krumpet nicht unähnlich.
Wie aktuell schon Beginners dreht sich Barney's Version um das Leben und seine Beziehungen, wobei hier
explizit auf die Ehen in Barneys Lebensgeschichte eingegangen wird.
Entsprechend ist die inoffizielle Titelmelodie des Films auch Leonard
Cohens Song "Dance Me to the End of Love" – eine
Soundtrack-Entscheidung, wie sie passender nicht sein könnte.
Barney's
Version ist einer der Filme, die einen nicht trotz, sondern wegen
ihrer Unvollkommenheit berühren. Allein schon seine letzte halbe
Stunde sorgt dafür, dass einen das Gesehene nach Filmschluss noch
lange beschäftigen und bewegen wird.
★★★★½
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