Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Nein, Der Sandmann, Peter Luisis neuer Film, ist keine
Verfilmung von E.T.A. Hoffmanns klassischer Novelle gleichen Namens.
Es ist eine verquere Liebesgeschichte, die in der Schweizer
Filmhistorie ihresgleichen sucht. Doch leider bleibt die Absurdität
nur der Prämisse vorbehalten.
Der arrogante Philatelist Benno (Fabian Krüger) lebt in einer
schönen Wohnung über dem Café des Mauerblümchens Sandra (Irene
Brügger alias "Frölein da Capo"), die von einer Karriere als
Musikerin träumt. Darum übt sie jede Nacht lautstark, was Benno
schier in den Wahnsinn treibt. Obendrein dringt Sandra auch
allmählich in seine Träume ein, woraufhin er jeweils Sand in seinem
Bett findet. Nach und nach wird das Problem akuter, bis der Sand fast
pausenlos aus Bennos Ärmeln und Hosenbeinen herausrieselt. Dies
bringt einerseits seinen pingeligen Chef (ein masslos übertreibender
Beat Schlatter) auf die Palme; andererseits ist es auch gefährlich,
da jeder, der den Staub einatmet, sofort in Tiefschlaf versetzt wird.
Letztendlich erkennt Benno, dass nur die von ihm verachtete Sandra
helfen kann.
Irene Brügger hat in einem Interview gesagt, sie habe beim Lesen von
Peter Luisis Drehbuch mehrfach pausieren müssen, um die hochgradige
Absurdität der Story zu verdauen. Wenn diese Anekdote sinnbildlich
für etwas steht, dann dafür, dass die Schweiz als Kinoland ihren
Sinn fürs Absurde, der sich in Filmen wie HD Läppli oder
sogar Luisis eigenem Verflixt verliebt bester Gesundheit
erfreute, verloren zu haben scheint. Ja, die Prämisse des Films ist
unüblich und gewitzt abseitig. Der Film als Ganzes jedoch ist immer
noch stark im helvetischen Konformismus verwurzelt. Es fehlt der Mut, Der Sandmann mehr sein zu lassen als ein Film, dessen Synopsis
Kopfkratzen verursacht. Der Grund dafür mag bei den Produzenten zu
suchen sein; ein allzu grosses Risiko könnte sich eben negativ auf
das Einspielergebnis auswirken.
Die Wüste lebt: Benno (Fabian Krüger) verliert Sand und muss
herausfinden, wie er dem Problem entgegenwirken kann.
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Immerhin, Luisis Drehbuch ist – für das, was es ist – gelungen.
Er spielt seine Stärken einmal mehr aus: Das Konzept wird sehr
gekonnt von einer hübschen Idee in einen durchaus anregenden Film
übersetzt, die Witze sind nicht schlecht und für verrückte
Nebenfiguren ist gesorgt – so etwa der herrliche Dimitri (oder etwa
doch Hanspeter?), ein osteuropäischer Mike-Shiva-Verschnitt. Das
einzige richtig grosse Manko der Erzählung ist die Liebesgeschichte,
die zwischen Benno und Sandra konstruiert wird. Luisi orientierte
sich offenbar an Filmen wie Groundhog Day oder Le mari de la
coiffeuse, scheitert letzten Endes aber an zwei Dingen: Zum einen
ist da Fabian Krüger, dessen farblose, ziemlich hölzerne Darbietung
nicht zu überzeugen vermag. Zum andern muss man sich fragen, ob es
wirklich notwendig war, Irene Brügger, die beste Schauspielerin im
Bunde, ihre Frölein-da-Capo-Masche abziehen zu lassen. So wirkt der
Film nämlich stellenweise wie eine Werbung für Brüggers
Bühnenshow. Und mal ehrlich; so toll ist die Figur nun auch wieder
nicht.
Luisi mag in seinem dritten Spielfilm zwar die Qualität von Verflixt verliebt nicht erreichen, übertrifft den
fehlgeleiteten Love Made Easy aber mühelos. Der Sandmann
ist ein witziger, gut gelaunter und sympathischer Film, der für
ordentliche Unterhaltung sorgt, einen aber nie vergessen lässt, dass
er viel mehr hätte sein können.
★★★½
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