Donnerstag, 29. September 2011

The Guard

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Drei Jahre nach Martin McDonaghs Kino-Erstling bringt Bruder John Michael seinen ins Kino. The Guard mag zwar nicht den Tiefsinn von In Bruges erreichen, begeistert aber mit einem Feuerwerk schwarzen irischen Humors – wahrscheinlich der lustigste Film des Jahres.

Sergeant Gerry Boyle (der fantastische Brendan Gleeson, siehe Kasten rechts) ist ein Polizist im verschlafenen Connemara-Gaeltacht, einer "Schutzzone" der gälischen Sprache, im Westen Irlands. Um seine eintönigen Tage etwas interessanter zu gestalten, unterhält Gerry gute Beziehungen zu Prostituierten und lässt sich auch den Drogenkonsum nicht schlecht reden. Als aber die Gerüchte über eine Ladung Drogen, die auf dem Wasserweg die grüne Insel erreichen soll, laut werden, kommt Bewegung in den Polizei-Alltag. Davon bleibt auch Gerry nicht verschont, dem der afroamerikanische FBI-Mann Wendell Everett (Don Cheadle) zur Seite gestellt wird. Während der Besucher Problem hat, sich bei der teilweise rassistischen Landbevölkerung verständlich zu machen, wird die Geduld des Iren durch die Gesetzestreue des "Yanks" schwer auf die Probe gestellt.

In einer Zeit, in der die meisten Komödien auf altbekannten Klischees beruhen, ist es erfrischend, jenen beizuwohnen, deren Humor auf Aspekten wie Lokalkolorit beruht. Die Kehrseite dieser Ausrichtung ist natürlich, dass sich gewisse Leute ausgeschlossen fühlen, wenn ein Film zu stark auf die Kenntnis lokaler Eigenheiten setzt. Diesen Vorwurf muss sich The Guard aber nicht machen lassen. Tatsache ist zwar, dass sich Kinogänger mit einem Vorwissen über Kultur und Gesellschaft Irlands über viele kleine "In-Jokes" amüsieren werden, doch John Michael McDonaghs Film grenzt niemanden aus. Jeder wird über Gerry Boyles naiven Rassismus herzlich lachen können, ebenso über Wendells Konversation mit einem Pferd, oder über die Frustration des Londoner Gangsters (gespielt vom umwerfenden Mark Strong, bekannt aus RocknRolla) über die in Sachen Drogen und Bestechung reichlich unerfahrenen irischen Polizisten. Wer sich jedoch etwas auskennt, wird auch an Dingen wie dem Poster des Schmusesängers Daniel O'Donnell, der vorrangigen Witzfigur des Landes, in Gerrys Schlafzimmer, dem irischen Idiom ("Gobshite!") oder der traditionellen Musik ("Carrickfergus", "Star of the County Down") seine helle Freude haben. Insofern erinnert der humoristische Einbezug der eigenen Kultur sehr an den des Judentums in A Serious Man der Coen-Brüder: Der kulturelle Hintergrund ist da, wird aber – zum Glück, da sonst die Authentizität verloren ginge – nicht erklärt.

Ritualmord oder Ablenkungsmanöver? Gesetzeshüter Gerry Boyle (Brendan Gleeson) begutachtet einen Tatort.
The Guard schafft es auch hervorragend, landesinterne Themen wie die "Alle gegen Dublin"-Mentalität, den momentanen Status der IRA oder die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Liberalisierung und katholischer Tradition auf die Schippe zu nehmen. Aber Irland wäre nicht Irland, wenn nicht auch die Tragödie – ganz nach dem "Come all ye"-Prinzip von Folksongs – ihren Platz bekäme. McDonagh findet sie in Gerrys sterbender Mutter und dem bittersüssen, aber auch überaus konsequenten Ende.

Jeder Freund des schwarzen Humors sollte John Michael McDonaghs erstem Langspielfilm etwas abgewinnen können; kaum eine Szene, die einem nicht einen lauten Lacher entlockt. The Guard ist ein Hochgenuss von einem "Fillum".

★★★★★½

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