Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Nach fünf kleineren Verfilmungen wurden die Tim &
Struppi-Comics des Belgiers Georges Remi, besser bekannt als
Hergé, nun erstmals von Hollywood aufgegriffen. The Adventures of
Tintin ist herrlich nostalgisches Abenteuerkino für alle
Altersklassen.
Auf einem Flohmarkt in Brüssel stösst der junge Reporter Tintin
(Jamie Bell) auf ein Modell des legendären Segelschiffs "Unicorn"
aus dem 17. Jahrhundert. Kaum gekauft, schon buhlen zwielichtige
Gestalten darum. Als das prächtige Modell tatsächlich verschwindet,
ruft das die beiden schusseligen Detektive Thomson und Thompson
(Simon Pegg/Nick Frost) auf den Plan, die dem Fall aber nicht
gewachsen scheinen. Also beschliesst Tintin, der Sache mit seinem
treuen Hund Snowy selbst auf den Grund zu gehen. Es stellt sich
heraus, dass die "Unicorn" der Schlüssel zu einem sagenhaften
Schatz ist, der irgendwo verborgen liegt. Zusammen mit dem
trinkfesten Captain Haddock (Andy Serkis) begeben sich Tintin und
Snowy auf ein halsbrecherisches Abenteuer.
Das Universum, das Hergé in seinen Comics geschaffen hat, ist in
vielen Punkten nicht nur ein Produkt seiner Entstehungszeit – den
Dreissiger- und Vierzigerjahren –, sondern auch eine romantische
Rückbesinnung auf das, rückblickend zumindest so interpretierte,
abenteuerlustige 19. Jahrhundert, wie es in den Romanen Robert Louis
Stevensons, Herman Melvilles und Jules Vernes geschildert wurde.
Demnach ist das Altmodische ein Faktor, der bei jeder filmischen
Adaption vorhanden sein muss. Dies haben die Produzenten Kathleen
Kennedy, Peter Jackson und Steven Spielberg, der auch gleich auf dem
Regiestuhl sass, in The Adventures of Tintin hervorragend
umgesetzt. Die Geschichte um verlorene Schätze, berüchtigte
Piraten, versteckte Hinweise sowie die Suche danach bis in die
exotischsten Ecken der Erde – entsprechend finden sich zahlreiche
Reminiszenzen an Spielbergs Indiana Jones-Reihe – wird, mit
Ausnahme der von James Camerons Avatar salonfähig gemachten
Performance-Capturing-Technik, von der Moderne "gestört". Selbst
der Titelvorspann erweist dem klassischen Zeichentrickfilm seine
Reverenz.
Schatzsuche ahoi: Der bärbeissige Captain Haddock (Andy Serkis) und
der junge Tintin (Jamie Bell) trotzen im Beiboot den Gefahren der
Hochsee.
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Doch obwohl der Film durch seine mitreissenden, aufregend gefilmten
Actionszenen, John Williams' Musik und seinen Retro-Charme besticht,
ist er doch nicht ohne Mängel. So fällt etwa die Exposition eine
Spur zu temporeich und gehetzt aus; Tintins ewige Kommentare nerven
mitunter etwas; das 3D wäre nicht unbedingt nötig gewesen; und das
Ganze hinterlässt, bei aller Nostalgie, kaum einen bleibenden
Eindruck. Die Ausnahme stellt Andy Serkis' Performance als Captain
Haddock dar. Serkis, der dieses Jahr schon als Affe Caesar in Rise
of the Planet of the Apes brillierte, verdient sich hier –
einmal mehr – einen Platz im Pantheon der grossartigen
Motion-Capture-Schauspielleistungen. Mit seinem mal bedrohlichen, mal
melancholischen, mal freundlichen, aber immer virtuosen Knurren (in
perfektem schottischem Dialekt) verleiht er dem Film einige
willkommene Ecken und Kanten.
Eine bessere Hollywood-Verfilmung von Hergés Geschichten hätte man
sich wohl nicht wünschen können. The Adventures of Tintin
bleibt dem originalen Material treu, wird aber auch Uneingeweihte
problemlos überzeugen können. Spielberg bietet wieder einmal bestes
Unterhaltungskino alter Schule.
★★★★½
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