"Du hast es gut hier, hier ist es besser als im Gefängnis",
pflegt Anstaltsleiter Bestyrer (Stellan Skarsgård) bei Gesprächen
mit seinen Schützlingen zu sagen. Einer davon ist Neuankömmling
Erling (Benjamin Helstad), der im Jahre 1915 auf der Insel einsitzt –
angeblich wegen Mordes – und resozialisiert werden soll. Fortan
heisst er C19 und verbringt seine Tage im Bastøyer C-Block mit
harter Arbeit. Sein Schicksal teilen unter anderen der fragile Ivar
(Magnus Langlete) und der Musterhäftling Olav (Trond Nilssen), der
schon seit sechs Jahren auf der Insel lebt und bald in die
Gesellschaft zurückkehren kann. Da er aber als Blockleiter für den
immer wieder rebellierenden Erling verantwortlich ist, droht ihm
Bestyrer mit dem Entzug dieser Chance. Derweil missbraucht der
Aufseher Bråthen (Kristoffer Joner) Ivar sexuell, was diesen in den
Selbstmord treibt und die ohnehin gereizte Stimmung unter den
Jungdelinquenten vollends eskalieren lässt.
Das
auf eine reiche, bis zu den Anfängen des Mediums zurückreichende
Tradition aufgebaute Kino Nordeuropas hat über die Jahre hinweg eine
ganz eigene Ästhetik des Kargen entwickelt. Dieser hat sich auch
Marius Holst in King of Devil's Island verschrieben.
Zwar erinnert die titelgebende Insel selbst etwas an das kafkaeske
Setting von Martin Scorseses unterbewertetem Psychothriller Shutter
Island; ansonsten aber evoziert
die von Autor Dennis Magnusson und Regisseur Holst sehr effektiv
konstruierte Geschichte von unzähligen Beschwernissen, denen die
Gefangenen ausgesetzt sind, Jan Troells epischen Zweiteiler The
Emigrants / The New
Land (Utvandrarna
und Nybyggarna)
oder Bille Augusts Pelle
the Conqueror (Pelle
Erobreren).
Mit äusserster Schlichtheit – bei den ungemein atmosphärischen
Bildern von Kameramann John Andreas Andersen herrschen Weiss-, Blau-
und Grautöne vor – wird der Arbeitsalltag auf Bastøy geschildert,
womit auch der Zuschauer nach und nach mit den Mechanismen der
Anstalt vertraut wird.
Es
ist Holst überdies hoch anzurechnen, dass er es nicht für nötig
hielt, seinem Film die für Gefängnisdramen üblichen Klischees
aufzuzwängen. Diese hätten sich vor allem in der zweiten Hälfte,
in welcher sich die Angelegenheit enorm verdichtet, angeboten. Doch
auch der aufkeimende Widerstand gegen das Regime von Bestyrer und
insbesondere Bråthen besticht durch seinen Naturalismus, seinen
Verzicht auf Überdramatisierung und falschen Heroismus. Als das
Pulverfass Bastøy schlussendlich explodiert, ist der Wunsch nach
Freiheit nur der sekundäre Wunsch der Aufrührer. Zuerst soll die
brutale Rache, deren Inszenierung dem Aufstand der Soldaten in Akira
Kurosawas Throne
of Blood nicht
unähnlich ist, am herrischen, aber letztlich auch psychisch kranken
Bråthen erfolgen.
Die Wut der auf Bastøy festgehaltenen Jugendlichen eskaliert. |
Es
überrascht dementsprechend nicht, dass von den Schauspielern vor
allem der starke Kristoffer Joner im Gedächtnis hängenbleibt. Seine
Figur ist zutiefst hassenswert, ohne Frage, ist aber dennoch kein
unrealistisches Monster in Menschenverkleidung. Nicht nur in den
Insassen des Jugendheims spiegelt sich die "Teufelsinsel"
wider; auch Bråthen ist die Qual, seit Jahren auf einer kalten,
einsamen Insel festzusitzen, fernab jeglicher Zivilisation und
beruflicher Aufstiegsmöglichkeiten, anzusehen. Doch die Kollegen
Joners wissen in ihren Rollen ebenso zu gefallen. Auch Benjamin
Helstads Erling, dessen Hintergrund auf Ishmael aus Herman Melvilles
Moby Dick
anspielt, ist ein dreidimensionaler Charakter, der mit guten wie
schlechten Eigenschaften ausgestattet ist. Helstad spielt ihn mit all
seiner jugendlichen Naivität und Aggression famos. Und Stellan
Skarsgård glänzt wieder einmal in seiner Paraderolle als
ambivalenter, fast schon Shakespeare'scher Nebenantagonist.
Filme
über Gefängnisse und Gefängnisaufstände gibt es viele. Insofern
betritt King of
Devil's Island kein
Neuland. Doch Marius Holst ist es gelungen, das Genre mit einem
packenden, sorgfältig inszenierten und von düsterem Naturalismus
geprägten Eintrag zu bereichern.
★★★★★☆
★★★★★☆
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen