Es beginnt mit der starken, von den
traditionellen Klängen Japans inspirierten Musik Masaru Satōs,
die einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Das erste
Bild ist unverkennbar eines von Kurosawa: eine karge, von
Nebelschwaden verhangene Landschaft, im Hintergrund zeichnet sich ein
Hügel ab, der Wind heult und ein gespenstischer Chor, begleitet von
Satōs
Score, führt mit einem Klagelied über Krieg, Verrat und Machtgier
ein in die nachfolgende Geschichte. Die Generäle Yoshiaki Miki
(Minoru Chiaki) und Taketoki Washizu (der legendäre Toshirō
Mifune) haben einen Aufstand wider Erwarten niedergeschlagen und
werden von Fürst Kuniharu Tsuzuki (Hiroshi Tachikawa) ins als
unneinnehmbar geltende Schloss im Spinnwebwald gebeten. Auf dem Weg
verlaufen sich die Freunde im dunklen Wald, welcher der Festung ihren
Namen gibt, und stossen auf einen von Skeletten umgebenen Geist
(Chieko Naniwa), der ihnen vorhersagt, beide Männer würden noch am
selben Tag befördert – Miki zum Herrn der Ersten Feste, Washizu
zum Vorsteher der nördlichen Befestigung – und Washizu würde in
naher Zukunft sogar so weit aufsteigen, dass er Tsuzuki als Fürst
des Spinnwebschlosses ablösen würde. Als die ersten Prophezeiungen
tatsächlich eintreten, drängt Washizus Frau Asaji (Isuzu Yamada)
ihren Ehemann dazu, Tsuzuki zu stürzen.
Chieko Naniwa als Waldgeist. |
Einer
der beachtlichsten Aspekte an Throne
of Blood ist
die Art, mit der hier drei unterschiedliche Theatertraditionen
zusammengeführt werden. Die euopäische Grundlage trifft auf die
fernöstlichen Kabuki- und Nō-Techniken, wodurch ein durch und durch
harmonisches Ganzes entsteht. Die Geschichte weicht zwar in einigen
Punkten von Shakespeares Original ab, bewahrt aber Sinn und Geist von
Macbeth ohne
jeglichen Verlust von Subtext. Das bedeutet jedoch nicht, dass der
Film kein eigenständiger ist. Im Gegenteil, das Motiv der Intrigen
unter den herrschenden Kasten fügt sich hervorragend ins Feudalwesen
des spätmittelalterlichen Japans ein, eines von Kurosawas
bevorzugten Settings, welches hier mit grossartiger Ausstattung und
elaborierten Kostümen rekonstruiert wird. Zudem ist Toshirō Mifune
zweifelsfrei einer der stärksten Macbeths, die man je auf der
Leinwand erleben durfte, auch wenn er hier Washizu heisst. Seine
Performance ist nuanciert, kraftvoll und wahrhaft bedrohlich. In
jeder Szene spiegeln seine sprichwörtlichen stechenden Augen Angst und
Verunsicherung wider; jedoch werden diese Gefühle stets
verschleiert, mal von Wut, mal von übertriebener Selbstsicherheit.
Die
formalen Elemente wiederum, jedes einzelne, zeugen von der
aussergewöhnlichen Gestaltungskraft des Regisseurs. Jede der meist langen
Einstellungen von Kameramann Asakazu Nakai hat ihren Zweck und wirkt
genauestens überlegt; die Ästhetik von Bildkomposition und Cadrage
sind, wie üblich bei Kurosawa, unübertroffen; die Inszenierung ist
magistral. Es wundert nicht, dass die ikonische, genial gemachte
Schlussszene mit Washizu im Pfeilregen häufig zu den besten, weil
eindringlichsten Todesszenen der Filmgeschichte gezählt wird.
Überdies kreiert Throne of Blood
mit
seinen fesselnden Bildern und der brillanten Montage eine kraftvolle,
gespenstische Atmosphäre. So erhalten vor allem die übernatürlichen
sowie die übernatürlich anmutenden Szenen eine äusserst
unheimliche Komponente – etwa wenn der Geist der Waldhexe, von
Chieko Naniwa herausragend gespielt, seine Vorhersagen macht, sei es
ruhig und scheinbar verträumt, worauf die Figur Boonsong in
Apichatpong Weerasethakuls Uncle
Boonmee Who Can Recall His Past Lives
zurückgreift, sei es wild und dämonisch wie in seinem letzten
Auftritt; oder wenn der Spinnwebwald in einer der beeindruckendsten,
obgleich einfachsten Einstellungen schlussendlich tatsächlich
wandert.
Der Macbeth-Charakter Washizu (Toshirō Mifune) kurz vor seinem Tod. |
Was
ist ein Meisterwerk? Ist es eine originelle Geschichte, meisterhaft
inszeniert und präsentiert? Ist es das einwandfreie, aber
gleichzeitig unabhängige Verfilmen von grandiosem Quellenmaterial?
Im Falle von Throne of Blood trifft
beides zu. Ob es sich dabei um Akira Kurosawas Besten handelt,
darüber liesse sich lange diskutieren; immerhin weist das Œuvre
des Regisseurs zahlreiche weitere Filme auf ähnlich hohem Niveau auf –
man denke an Seven Samurai,
Ikiru
oder Yojimbo.
Für sich alleine ist Kumonosu-jō
jedenfalls eine der bedeutendsten cineastischen
Shakespeare-Adaptionen sowie eines der grossen Werke des Kinos
selbst.
★★★★★★
★★★★★★
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