Donnerstag, 2. Februar 2012

The Artist

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Technologie zu praktisch allem fähig ist, was sich ein Filmemacher wünschen kann, erobert ein nostalgischer Stummfilm aus Frankreich die Herzen von Publikum und Kritik: The Artist ist eine sehr charmante Liebeserklärung ans Kino.

Hollywood, 1927: Die Filmindustrie boomt, Kino reiht sich an Kino und in jedem läuft ein Stummfilm-Epos eines grossen Studios. Der Star der Stunde ist George Valentin (Jean Dujardin), unter Vertrag bei Studio-Mogul Al Zimmer (John Goodman), der mit seinem Hund (der hinreissende Uggie) die Kinogänger stets zu begeistern weiss. Einer seiner grössten Fans ist die junge Peppy Miller (Bérénice Bejo), die nach einer Premiere zufällig mit ihm auf ein Pressefoto gerät, welches bald ganz Los Angeles ins Rätseln bringt. Als sich Peppy und George auf dem Filmset wieder treffen – er als Hauptdarsteller, sie als Statistin –, funkt es zwischen ihnen. Das Problem: Er ist bereits verheiratet. Also gehen die beiden wieder getrennte Wege, aber nicht für lange: Mit dem Siegeszug des Tonfilms wird Peppy zum Star, während der am Stummfilm festhaltende George in der Versenkung verschwindet.

Der Grund, weshalb The Artist derzeit in aller Filmfans' Munde ist, dürfte darin liegen, dass der neue Film von Michel Hazanavicius schon jetzt als so gut wie uneinholbarer Oscar-Favorit gehandelt wird. Ob der Rummel verdient ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass heuer Filme im Rennen sind, welche besser, wagemutiger, anspruchsvoller sind – The Descendants oder Midnight in Paris etwa. Doch das kann natürlich nicht dem Film angekreidet werden. Dieser ist eine romantische Tragikomödie, die aus verschiedensten Versatzstücken des klassischen Hollywoodkinos zusammengesetzt ist. Hazanavicius spielt mit der Ästhetik des Tonfilms der Dreissiger- und Vierzigerjahre, zieht seinen Hut vor den Musicals mit Fred Astaire und Ginger Rogers und den Choreografien von Busby Berkeley und stellt Verbindungen zwischen seinen Figuren und echten Stars her – etwa zwischen dem seine Filme verbrennden George und Buster Keaton, der nach dem Tod des Stummfilms dasselbe mit seinen tat. Dass dabei auf gesprochenen Dialog verzichtet wird und stattdessen Zwischentitel eingesetzt werden, ist letztendlich nur das Tüpfelchen auf dem I.

Stoff für Spekulation: Die Filmfreundin Peppy Miller (Bérénice Bejo) trifft erstmals auf den Stummfilmstar George Valentin (Jean Dujardin).
Jedoch ist das Ganze keineswegs eine blosse Aneinanderreihung von Inspirationen; The Artist erzählt vielmehr eine vergnügliche Geschichte, welcher der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm zugrunde liegt. Insofern kann der Film wohl am besten genossen werden, wenn man auch die thematisch ähnlichen Sunset Boulevard und Singin' in the Rain gesehen hat. Getragen wird der Film vor allem vom herrlich aufspielenden Jean Dujardin. Dieser hat nicht nur das perfekt zur Ära passende Gesicht, sondern versteht sich auch sehr gut darauf, seiner Figur ohne Stimme eine Seele zu verleihen. An seiner Seite glänzt insbesondere der grossartig trainierte Terrier Uggie, der seinerseits Erinnerungen an Asta aus der Thin Man-Serie der 30er wach werden lässt.

The Artist in eine Reihe mit Stummfilm-Klassikern wie The Birth of a Nation oder La passion de Jeanne d'Arc zu stellen, wäre vermessen. Hazanavicius' Film ist eine elegante und kurzweilige Verneigung vor den Kindertagen Hollywoods und der stürmischen Übergangsphase zwischen Stummfilm und "Talkies".

★★★★☆☆

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