Nick Cassidy (Sam Worthington), ehemals Polizist, zurzeit wegen
angeblichen Diamantenraubes auf der Flucht vor seinen alten Kollegen,
bezieht unter falschem Namen ein Zimmer im 21. Stock des berühmten
New Yorker Roosevelt Hotels, bestellt etwas zu essen, wischt alle von
ihm berührten Oberflächen gründlich ab – abgesehen vom
Fensterrahmen: ein grosses Plotloch – und steigt auf den
Fenstervorsprung. Es dauert nicht lange, bis Passanten ihn entdecken,
gefolgt von Polizei, Feuerwehr und Journalisten, darunter die rasende
Starreporterin Suzie Morales (Kyra Sedgwick). Als NYPD-Einsatzleiter
Jack Dougherty (Edward Burns) versucht, mit dem angehenden Springer
zu reden, würgt dieser das Gespräch ab und verlangt nach Lydia
Mercer (Elizabeth Banks), die auf Suizidfälle spezialisiert ist. Mit
ihr, welche nichts von der wahren Identität ihres Gegenübers ahnt,
beginnt Nick ein langes Gespräch, während im Gebäude nebenan ein
Raubüberfall mit Joey (Jamie Bell) und Angie (Génesis Rodríguez) im
Zentrum stattfindet, der mit dem Geschehen im Roosevelt Hotel eng
verknüpft ist.
Die
Qualität von Filmen mit nur einem Schauplatz hängt noch mehr als
andere stark vom Können des dahinter stehenden Filmemachers ab. Es
überrascht nicht, dass die mit diesem Genre verknüpften Regisseure
Polanski, Lumet und Buñuel heissen, denn ohne richtige Intuition und
erkennbare Vision hilft auch das beste Drehbuch wenig. Dass es sich
bei Man on a Ledge
erst um Asger Leths zweite Regiearbeit handelt, ist deutlich zu
spüren. Seine Inszenierung und auch Pablo Fenjves' Skript sind
geprägt von einer offenkundigen Unsicherheit – daran ändert auch
Paul Camerons ansprechende Kameraarbeit nichts. Es ist kein klarer
Rhythmus auszumachen; der Film schwankt zwischen erzähltechnischer
Trägheit auf Nicks Fenstersims und uninteressanten, bei weitaus
besseren Heist-Streifen abgekupferten Thriller-Momenten im begehbaren
Tresor des Antagonisten (der verschwendete, aber durch sein
Chargieren einigermassen unterhaltsame Ed Harris), welche mit
peinlich prominenten Aufnahmen von Génesis Rodríguez' Oberweite
"aufgepeppt" werden. Auch das sporadische Aufflackern von
Action vermag den dramaturgischen Leerlauf des Films nicht zu
brechen, entweder weil der Ausgang dieser Szenen schon feststeht –
etwa in einer uninspirierten Rückblende fünf Minuten nach
Filmgebinn – oder weil das Prinzip von "Suspension of
Disbelief" ein wenig zu stark ausgereizt wird – sehr schön
illustriert durch den völlig idiotischen Clou, bei dem jeglicher
Realismus bachab geht.
Es
gestaltet sich auch schwierig, sich eine Identifikationsfigur zu
suchen. Neil Cassidy, der diese Rolle eigentlich übernehmen müsste,
fehlt es an Tiefe und einer überzeugenden, feiner ausgearbeiteten
Hintergrundgeschichte. Dazu passt letztlich auch Sam Worthingtons
blutleere Performance, die zu keinem Zeitpunkt das Gefühl
vermittelt, es stehe für die Figur etwas auf dem Spiel. Diejenigen
Protagonisten, mit denen man zumindest eine Spur mitfühlen kann,
werden vom Drehbuch leider ziemlich schäbig behandelt; so wird die
traumatisierte Lydia Mercer, welche im letzten Akt, der in
disneyartigen Kitsch mündet, plötzlich zum zweidimensionalen
"Romantic Interest", während Nicks Ex-Partner und Freund
Mike, gespielt von Anthony Mackie (The Hurt Locker,
Night Catches Us),
sang- und klanglos von der Bildfläche verschwindet.
Am Abgrund: Der verzweifelte Nick (Sam Worthington) und die Psychologin Lydia (Elizabeth Banks). |
Und
obwohl sich Man on a Ledge als
kerniger Thriller präsentiert, hielten es die Macher offenbar für
nötig, sich an humoristischen Momenten zu versuchen. Diese
beschränken sich auf Slapstick und Wortgeplänkel zwischen Joey und
Angie, wobei immerhin die eine oder andere gute Zeile aufblitzt, und
Seitenhiebe auf die Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts. Doch was
Fenjves wie Sozialkritik erschienen sein muss, ist grösstenteils
kindische Pseudo-Satire, die sich in primitiven, Kamerahandys
schwenkenden Gaffern, zynischen Polizisten und eitlen und
skrupellosen Journalisten erschöpft. Das ist keine ironische
Überzeichnung mehr, sondern bemühtes Ausschlachten billiger
kulturpessimistischer Stereotypen, wie man sie seit Gregory Hoblits
lächerlichem Internetthriller Untraceable
kaum unglaubwürdiger gesehen hat.
Die Diamantenräuber Joey (Jamie Bell) und Angie (Génesis Rodríguez). |
Asger
Leths zweiter Film krankt an einer beträchtlichen Anzahl von Dingen:
schmerzhaften Komödieneinschlägen, farblosen Charakteren, einem
allzu liberalen Umgang mit den Gesetzen der Physik und mittelmässiger
Action. Diese Probleme tragen zwar allesamt ihren Teil zum Scheitern
des Projektes Man on a Ledge bei,
aber letzten Endes bringt es keines davon endgültig zu Fall. Diese
Rolle ist dem Umstand vorbehalten, dass der Film furchtbar langweilig
ist. Ohne diese cineastische Todsünde hätte man vielleicht sogar
über alles andere hinwegsehen können, wie man es mittlerweile bei
manchem Actionthriller tun muss – welch traurige Erkenntnis.
★★½
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen