Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Zu den bekanntesten Spiongeschichten der britischen Literatur zählen
neben den James-Bond-Romanen Ian Flemings die Bücher John le Carrés.
Mit Tinker Tailor Soldier Spy, einem intellektuellen Thriller
erster Güte, adaptierte Tomas Alfredson einen von le Carrés
grössten Erfolgen.
Es ist eine Welt von Verschwörungen, Geheimplänen und Decknamen, in
die man da als Zuschauer hier eingetaucht wird. Das Jahr ist 1973,
der Kalte Krieg ist in vollem Gange. Und in dieser heissen Phase
leistet sich "Control" (John Hurt), der Chef des "Circus" –
dem MI6, Grossbritanniens Geheimdienst – einen schweren Fehler. Der
Agent Jim Prideaux (Mark Strong) soll in Budapest ermitteln, gerät
aber in einen Hinterhalt und bekommt eine Kugel in den Rücken,
woraufhin Control und sein Assistent, der schweigsame George Smiley
(Gary Oldman), auf die Strasse gestellt werden. Ein neuer Vorstand
rückt nach, bestehend aus Roy Bland (Ciarán Hinds), Toby Esterhase
(David Dencik), Bill Haydon (Colin Firth) und Percy Alleline (Toby
Jones), dem neuen Alphatier. Doch Smiley ist nicht lange ohne Arbeit,
denn bald schon wird er zurück in den MI6 beordert, wo er als
verdeckter Ermittler einen sowjetischen Spitzel, einen "Mole"
(Maulwurf), entlarven soll, der sich angeblich in die neue Garde
eingeschlichen hat. Dabei leisten ihm besonders Peter Guillam
(Benedict Cumberbatch) und der des Verrats angeklagte Ricki Tarr (Tom
Hardy) wertvolle Dienste.
Der neue Film des Schweden Tomas Alfredson, dem Regisseur des
Horrordramas Let the Right One in, eignet sich keinesfalls für
einen Kinobesuch, dessen Ziel es ist, sich zurückzulehnen und zu
entspannen. Tinker Tailor Soldier Spy jongliert mit mehreren
Handlungsebenen, benutzt zahlreiche Rückblenden, stellt ungeahnte
Verbindungen zwischen Charakteren her und setzt darauf, dass der
Zusehende sich die Bedeutungen diverser Geheimdienstbegriffe selber
zusammenreimt. Kurz: Alfredson und das zurecht für den Oscar
nominierte Autorenehepaar Peter Straughan und Bridget O'Connor,
welche 2010 starb, verlangen die geistige Mitarbeit ihres Publikums.
Belohnt wird man dafür mit einem ruhigen, verzwickten, vielleicht
etwas zu unterkühlt inszenierten Krimi, in dem jede Figur ein
dunkles Geheimnis birgt und man in jedem der sachlich-nüchternen
Gespräche zwischen den Zeilen lesen muss.
Der einsame Spion: Agent George Smiley (Gary Oldman) im
Besprechungsraum des MI6.
|
Zum Gelingen des Unternehmens tragen neben dem intelligenten Skript
auch die Schauwerte bei: Maria Djurkovics Ausstattung und Jacqueline
Durrans Kostüme bilden die Siebziger so authentisch nach, dass man
sich tatsächlich in einem Film wähnt, der zu jener Zeit entstand.
Eingefangen wurde das Ganze von Kameramann Hoyte van Hoytema, der mit
grandiosen Detailaufnahmen und Retro-Kniffen wie dem Teleobjektiv
operiert. Abgerundet wird Tinker Tailor Soldier Spy durch seine
vorzüglichen Schauspieler – von den Nebendarstellern sind Colin
Firth, John Hurt, Toby Jones und Benedict Cumberbatch besonders famos
–, angeführt vom zurückhaltenden, aber nichtsdestoweniger
eindringlichen Gary Oldman, der sich als schweigsamer George Smiley
seine erste Oscarnomination redlich verdient hat.
Mit optischer und inhaltlicher Virtuosität sowie gekonnter
Subtilität inszenierte Alfredson ein spannendes Figurenschachspiel. Tinker Tailor Soldier Spy ist eine Perle des britischen
Thrillerkinos, das den Intellekt wohltuend herausfordert – "jolly
good"!
★★★★★☆
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen