Evelyn (Judi Dench) hat soeben ihren Mann verloren, der ihr nichts
als Schulden hinterlassen hat; Madge (Celia Imrie) hat mehrere Ehen
hinter sich und ist es leid, von ihrer Tochter herumkommandiert zu
werden; Norman (Ronald Pickup) ist trotz seines Alters noch eifrig
auf der Suche nach schönen Frauen; Graham (Tom Wilkinson) geht nach
einer langen Karriere als Richter in Rente; Douglas (Bill Nighy) und
Jean (Penelope Wilton) können sich in England keine
zufriedenstellende Wohnung leisten; und Muriel (Maggie Smith) braucht
ein neues Hüftgelenk. Aus diesem und jenen Grund stossen alle diese
Menschen aus der Altersgruppe "65 plus" im Internet auf die
Website des in der indischen Metropole Jaipur gelegenen Best Exotic
Marigold Hotel, wo der junge Besitzer Sonny (Dev Patel) den "Älteren
und Schönen" eine luxuriöse Unterkunft verspricht. Bald schon
finden sich alle Beteiligten vor dem Etablissement ein, wo sie
allerdings feststellen müssen, dass Sonny den Zustand seines Hotels
etwas beschönigt hat. Doch Indien ist kein Land, wo man mit Sturheit
weiterkommt, also macht die Mehrheit der sieben Rentner das Beste aus
der Situation und passt sich an das Leben im heissen, lauten und
bunten Subkontinent an – allen Vorurteilen zum Trotz.
Warten auf das neue Leben: Die englische Rentnertruppe am Flughafen. |
Komödien und komisch angehauchte Dramen machen gerne von einer
speziellen Taktik Gebrauch: Gelingt es ihnen nämlich, charmant und
sympathisch zu wirken, ist das Publikum eher geneigt, über gewisse
Schwächen hinwegzusehen. In den schlechtesten Fällen macht das
einen Film nur noch erbärmlicher, da der Versuch allzu
offensichtlich ist. In den besten jedoch können ganze Projekte
dadurch gerettet werden. Während es sicher vermessen wäre, The
Best Exotic Marigold Hotel zur Gruppe der Letzteren zu zählen,
hat John Maddens neunter Film dem Charme seiner Darsteller sicherlich
einiges zu verdanken. Die Charaktere, welche in die sehr simpel
gestrickte Geschichte geworfen werden, sind fast ausnahmslos
liebenswert und amüsant, wenn auch etwas unausgewogen. Es finden
sich zwar Figuren mit einer gewissen Tiefe – insbesondere Tom
Wilkinsons Graham –, doch es sind die Stereotypen, die hier in der
Überzahl sind. Darin zeigt sich jedoch auch die Klasse der einzelnen
Mimen: Selbst wenn sie sich mit einer klischierten Charakterisierung
konfrontiert sehen, nehmen sie die Herausforderung an und arbeiten
mit beachtlicher Grazie damit – vor allem Maggie Smith, die aus dem
Rollenmuster der "rassistischen alten Dame" ein Maximum an
Glaubwürdigkeit herausholt. Allerdings zeigen ihre Mitstreiter
ebenso, warum sie zur Elite der britischen Schauspielerriege gehören:
Judi Dench verleiht ihren gestelzt-philosophischen Voice-Overs die
nötige Prise Würde und Bill Nighy überzeugt als angestaubter
Beamter, hin- und hergerissen zwischen Alltagstrott und Aufbruch.
Leider bleibt der Charme des Films aber primär den Charakteren und
der grossartigen Szenerie, brillant eingefangen von Ben Davis,
vorbehalten. Das Drehbuch zeichnet sich zwar durch einen guten
Erzählfluss – die 124 Minuten Laufzeit ziehen überraschend
schnell vorüber – und ein paar wirklich gute Linien aus ("A
place for old people!" – "Like the Costa Brava?" –
"Yeah, but with more elephants"; "Mr. Maruthi..."
– "Please! Call me Bhanuprakash!"), es krankt aber an
seinen abrupten Verschiebungen des Tonfalls und seinen vorhersehbaren
Entwicklungen und Botschaften, die, obwohl richtig und wichtig, alles
andere als neu sind. Dass man Menschen und Orte nicht pauschal
verurteilen sollte; dass es im Leben manchmal einen radikalen
Schritt, einen Bruch braucht; dass Liebe das Recht hat, mit
Traditionen zu brechen – das alles sind Botschaften, die man als
Zuschauer schon unzählige Male zuvor gelernt hat und inzwischen
auswendig aufsagen kann. Auch gelingt es Ol Parker nur ansatzweise,
die verschiedenen Handlungsstränge zu Ende zu führen. Dabei stören
weniger die finalen Entscheidungen als die kitschige Art, mit der die
ohnehin etwas süsslichen Schlusspunkte gesetzt werden.
Angekommen im Getümmel: Evelyn (Judi Dench) entdeckt Jaipur auf eigene Faust. |
The
Best Exotic Marigold Hotel ist
insofern ein interessanter Film, als er im Grunde genommen nicht viel
Neues bietet, dafür aber mit gut aufgelegten Darstellern und
herrlichen Bildern punkten kann. John Madden lädt ein zu einer
visuell anregenden, inhaltlich aber nicht sonderlich anspruchsvollen
Indienreise, auf die man sich aber letztendlich gerne einlässt. Es
gibt schlechtere Arten, zwei Stunden zu verbringen.
★★★
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