Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Der neue Film des spanischen Oscar-Preisträgers Fernando Trueba
(Belle époque) ist einer seiner grossen Leidenschaften, der
lateinamerikanischen Musik, gewidmet. Mit beschwingten Klängen
unterlegt, erzählt Chico & Rita eine berührende
Geschichte im Stil des Boleros.
Im Jahre 1948 ist Havanna das wohl beliebteste Reiseziel der Karibik.
Reiche amerikanische Touristen tummeln sich in den Luxushotels und im
weltberühmten Tropicana Club, während die Einheimischen es sich in
den Hinterhöfen der kubanischen Hauptstadt gut gehen lassen.
Darunter befinden sich auch der junge Pianist Chico (Stimme: Eman Xor
Oña) und sein Freund Ramón (Mario Guerra). Eines Nachts tritt in
einer der Freiluftkneipen die schöne Rita (Limara Meneses) auf,
deren Stimme Chico total verzückt. Nach einigen fehlgeschlagenen
Annäherungsversuchen finden die beiden zueinander. Doch ihre Liebe
wird stets durch das Leben und seine Wendungen unterbrochen: Während
Rita als Sängerin und Schauspielerin in den USA erfolgreich ist,
tourt Chico mit den grossen Jazz-Combos seiner Zeit um die Welt.
Obwohl die turbulente, von Rückschlägen und Enttäuschungen
geprägte Beziehung zwischen Rita und Chico das Zentrum von Chico
& Rita bildet, ist sie nicht der alleinige Fokus des Films.
Die Regisseure Fernando Trueba, Tono Errando und Javier Mariscal, der
für die wunderschöne und zugleich simple Animation – derjenigen
Sylvain Chomets (Les Triplettes de Belleville, L'illusionniste) nicht unähnlich – zeichnet, erweisen auch
den kulturell wie wirtschaftlich boomenden Nachkriegsjahren und den
Glanzzeiten des Jazz ihre Reverenz. So treffen die Protagonisten an
ikonischen Orten wie New York, Hollywood oder Paris auf Kultfiguren
der Epoche wie Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Thelonious Monk, Tito
Puente, Chano Pozo oder auch Marlon Brando und, in einer scheinbar
den 1980er Jahren entsprungenen Traumsequenz, Humphrey Bogart. Diese
Anspielungen wirken zwar teilweise ein wenig gezwungen – vor allem
wenn sie, wie in Brandos Fall, mehr als Wegwerfwitz denn als
Storyelement dienen –, verleihen dem Ganzen aber die wirkungsvolle
Atmosphäre einer liebenswerten Hommage.
Leidenschaft am Klavier: Chico und Rita finden über die Musik
zueinander.
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Als übergeordnete Einheit fungiert jedoch die Musik selber, deren
Pendeln zwischen Liebesglück und -kummer, ganz in der Tradition des
Bolero, zum Spiegel der Liebesgeschichte von Chico und Rita wird und
so der mitunter etwas zu einfach gestrickten Beziehung zusätzliche
emotionale Stärke verschafft. Trueba und Co-Autor Ignacio Martínez
de Pisón verzichten auf längere Dialoge und lassen die Musik
sprechen. Den hervorragenden Soundtrack dazu steuerte der 93-jährige
Kubaner Bebo Valdés bei, einer der Mitbegründer der Folklore seines
Landes, auf dem überdies die Figur Chico lose basiert. So ist Chico
& Rita letztlich auch eine unverkennbare Verneigung vor den
Bewohnern und der Kultur der grössten Karibikinsel, ja dem Land Kuba
selber.
Mit seinem ersten Animationsfilm hat Fernando Truebas eine
faszinierende Mischung aus A Star Is Born und Buena Vista
Social Club kreiert, welche zwar an einer etwas allzu dünnen
Story leidet, deren Charme zu widerstehen aber äusserst schwer
fallen dürfte. Chico & Rita trifft mit seiner lockeren Art
und seiner feinen Melancholie mitten ins Herz – wie ein gutes Stück
Musik.
★★★
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