Donnerstag, 22. März 2012

Chico & Rita

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Der neue Film des spanischen Oscar-Preisträgers Fernando Trueba (Belle époque) ist einer seiner grossen Leidenschaften, der lateinamerikanischen Musik, gewidmet. Mit beschwingten Klängen unterlegt, erzählt Chico & Rita eine berührende Geschichte im Stil des Boleros.

Im Jahre 1948 ist Havanna das wohl beliebteste Reiseziel der Karibik. Reiche amerikanische Touristen tummeln sich in den Luxushotels und im weltberühmten Tropicana Club, während die Einheimischen es sich in den Hinterhöfen der kubanischen Hauptstadt gut gehen lassen. Darunter befinden sich auch der junge Pianist Chico (Stimme: Eman Xor Oña) und sein Freund Ramón (Mario Guerra). Eines Nachts tritt in einer der Freiluftkneipen die schöne Rita (Limara Meneses) auf, deren Stimme Chico total verzückt. Nach einigen fehlgeschlagenen Annäherungsversuchen finden die beiden zueinander. Doch ihre Liebe wird stets durch das Leben und seine Wendungen unterbrochen: Während Rita als Sängerin und Schauspielerin in den USA erfolgreich ist, tourt Chico mit den grossen Jazz-Combos seiner Zeit um die Welt.

Obwohl die turbulente, von Rückschlägen und Enttäuschungen geprägte Beziehung zwischen Rita und Chico das Zentrum von Chico & Rita bildet, ist sie nicht der alleinige Fokus des Films. Die Regisseure Fernando Trueba, Tono Errando und Javier Mariscal, der für die wunderschöne und zugleich simple Animation – derjenigen Sylvain Chomets (Les Triplettes de Belleville, L'illusionniste) nicht unähnlich – zeichnet, erweisen auch den kulturell wie wirtschaftlich boomenden Nachkriegsjahren und den Glanzzeiten des Jazz ihre Reverenz. So treffen die Protagonisten an ikonischen Orten wie New York, Hollywood oder Paris auf Kultfiguren der Epoche wie Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Thelonious Monk, Tito Puente, Chano Pozo oder auch Marlon Brando und, in einer scheinbar den 1980er Jahren entsprungenen Traumsequenz, Humphrey Bogart. Diese Anspielungen wirken zwar teilweise ein wenig gezwungen – vor allem wenn sie, wie in Brandos Fall, mehr als Wegwerfwitz denn als Storyelement dienen –, verleihen dem Ganzen aber die wirkungsvolle Atmosphäre einer liebenswerten Hommage.

Leidenschaft am Klavier: Chico und Rita finden über die Musik zueinander.
Als übergeordnete Einheit fungiert jedoch die Musik selber, deren Pendeln zwischen Liebesglück und -kummer, ganz in der Tradition des Bolero, zum Spiegel der Liebesgeschichte von Chico und Rita wird und so der mitunter etwas zu einfach gestrickten Beziehung zusätzliche emotionale Stärke verschafft. Trueba und Co-Autor Ignacio Martínez de Pisón verzichten auf längere Dialoge und lassen die Musik sprechen. Den hervorragenden Soundtrack dazu steuerte der 93-jährige Kubaner Bebo Valdés bei, einer der Mitbegründer der Folklore seines Landes, auf dem überdies die Figur Chico lose basiert. So ist Chico & Rita letztlich auch eine unverkennbare Verneigung vor den Bewohnern und der Kultur der grössten Karibikinsel, ja dem Land Kuba selber.

Mit seinem ersten Animationsfilm hat Fernando Truebas eine faszinierende Mischung aus A Star Is Born und Buena Vista Social Club kreiert, welche zwar an einer etwas allzu dünnen Story leidet, deren Charme zu widerstehen aber äusserst schwer fallen dürfte. Chico & Rita trifft mit seiner lockeren Art und seiner feinen Melancholie mitten ins Herz – wie ein gutes Stück Musik.

★★★

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