Donnerstag, 8. März 2012

The Iron Lady

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Kaum eine Figur in der jüngeren Geschichte Grossbritanniens polarisiert so stark wie die konservative Ex-Premierministerin Margaret Thatcher. Es gehört also eine gehörige Portion Mut dazu, ihr ein Biopic zu widmen, besonders wenn es, wie im Falle von The Iron Lady, grundsätzlich unpolitisch ist.

Der neue Film von Phyllida Lloyd (Mamma Mia!) wurde schon nach ersten Vorführungen scharf kritisiert, wobei die politischen Aspekte häufig im Vordergrund standen. Rechte warfen Lloyd vor, die Ikone Thatcher zu stark auf das Bild der dementen alten Frau zu reduzieren und ihre Erfolge in ein schlechtes Licht zu rücken. Vertreter der Linken wiederum waren der Meinung, The Iron Lady würde die negativen Seiten seiner Protagonistin schönfärben. In Wahrheit jedoch findet Lloyd in ihrem Film die goldene Mitte, indem sie von ideologischen Interpretationen absieht und Thatcher als durchaus fehlbare, aber auf ihre eigene Art beeindruckende Person darstellt. Die von Autorin Abi Morgan entworfene Geschichte setzt dabei 2008 an: Die Eiserne Lady (Meryl Streep, als Greisin mit tollem Make-Up ausgestattet) leidet nach einer Serie leichter Schlaganfälle an Demenz. Sie lebt zurückgezogen in einer Londoner Wohnung, wo sie von ihrem Personal und ihrer Tochter Carol (Olivia Colman) umsorgt wird. Oft führt sie mit ihrem verstorbenen Ehemann Denis (der grossartige Jim Broadbent), von dessen Hab und Gut sie sich nicht trennen will, imaginäre Gespräche, was ihre Betreuer sehr besorgt. Als Carol einen Arzt alarmiert, erinnert sich Margaret an ihr ereignisreiches Leben: von ihren ersten Gehversuchen in der Politik, über ihre Wahl ins britische Unterhaus, bis hin zu ihren elf Jahren als Premierministerin.

Eine Frau in der Männerdomäne: Premierministerin Margaret Thatcher (Meryl Streep) bei einer Debatte im britischen House of Commons.
The Iron Lady ist nicht der einzige aktuelle Film, der eine umstrittene Persönlichkeit ihr Leben assoziativ Revue passieren lässt. Ähnlich wie in Clint Eastwoods ebenfalls unterschätztem J. Edgar, inspirieren hier Kleinigkeiten elaborierte Rückblenden. Der passende Rhythmus dazu wird zwar erst nach der etwas zu ausgedehnten Exposition gefunden; dann aber schöpfen Lloyd und Morgan aus dem Vollen: Die einzelnen Episoden, stets mit den dazugehörigen Archivaufnahmen verknüpft, sind virtuos inszeniert – Stichwort: Falkland – und zeichnen ein faszinierendes, teils auch leicht karikiertes Bild der, so der Film, von verstockten Männern dominierten britischen Politik, in welcher sich Margaret Thatcher als quasi-feministische Pionierin hervortut. Dabei driftet das Ganze aber nie ins Formelhafte ab, sondern bleibt ein ausgewogenes und überraschend bewegendes Porträt einer Einzelkämpferin, die sich der Einsamkeit, die Macht mit sich bringt, schmerzlich bewusst wird. In dieser Rolle brilliert die zurecht mit einem Oscar ausgezeichnete Meryl Streep, deren Darbietung weit über das blosse Imitieren einer historischen Figur hinausgeht. Ihr gelingt das Kunststück, Thatcher in ihrer ganzen Bandbreite darzustellen; sie vereinigt ihre gewitzte, mitunter überaus sympathische Seite hervorragend mit ihrer überheblichen, Kollegen und Konkurrenten gegenüber gleichermassen tyrannischen Art.

Obwohl sich The Iron Lady den einen oder anderen formalen Fauxpas leistet, präsentiert sich Phyllida Lloyd als gereifte Regisseurin und liefert einen spannenden Film über eine, wenn nicht grossartige, so doch unbestritten starke Persönlichkeit ab.

★★★★½

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