Donnerstag, 15. März 2012

John Carter

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Andrew Stanton greift in seinem ersten Realspielfilm auf die Wurzeln des Science-Fiction-Genres zurück. John Carter, die Verfilmung des 1912 erschienenen ersten Teils von Edgar Rice Burroughs' Barsoom-Serie, mag alles andere als makellos sein, liefert aber wunderbar altmodische Unterhaltung.

Als der Abenteurer, Exzentriker und Bürgerkriegsveteran – er kämpfte auf Seiten des Südens – John Carter (Taylor Kitsch) 1881 urplötzlich stirbt, geht sein ganzer Besitz, einschliesslich seines Tagebuchs, an seinen Neffen Edgar Burroughs (Daryl Sabar) über. Darin erzählt er von einem unglaublichen Erlebnis, welches ihm 1868 widerfahren ist. Auf der Flucht vor Indianern findet John eine Höhle voller Gold, von welcher aus er in eine Wüstenlandschaft, in der er zu riesigen Sprüngen fähig ist, transportiert wird. Bald wird er von seltsamen grünen Wesen, den Tharks, aufgegriffen, deren Anführer, der Krieger Tars Tarkas (ein herausragender Willem Dafoe), Gefallen am Fremdling findet. Nach und nach stellt sich heraus, dass John auf dem Planeten Mars – oder Barsoom, wie er von den Marsianern genannt wird – gelandet ist. Der, obwohl nur noch eine trockene Einöde, von zahlreichen Völkern besiedelte rote Himmelskörper ist seit Jahren Schauplatz eines erbitterten Bürgerkrieges zwischen den Städten Zodanga, die unter dem Schutz hinterhältiger Weiser steht, und Helium, angeführt von Prinzessin Dejah (Lynn Collins).

Im Jahr 2012 einen Film zu machen, der auf der Idee aufbaut, dass der Mars ein (gerade noch) bewohnbarer, von verschiedenen Spezies bevölkerter Planet sein soll, ist ein beträchtliches Risiko, ist doch gerade das junge Sci-Fi-Genre in letzter Zeit stark um Realismus und technische Glaubwürdigkeit bemüht – man denke an Filme wie Danny Boyles Sunshine (2007), Cargo (2009), den gefloppten "Blockbuster" aus Schweizer Produktion, oder natürlich James Camerons Avatar aus demselben Jahr, seines Zeichens erfolgreichster Streifen aller Zeiten. Gerade mit diesem wurde Andrew Stantons (WALL-E) vierte Regie-Arbeit oft verglichen, selten positiv. Dabei ist John Carter ein in mancherlei Hinsicht besserer Film als Camerons CGI-Orgie, welche sich schamlos bei anderen Werken bedient hat – von Dances with Wolves bis Ferngully.

Brüder im Geiste: Der Marsianer Tars Tarkas (Willem Dafoe) und der Erdling John Carter (Taylor Kitsch) kämpfen Seite an Seite.
Zwar kommt auch die von den Pixar-Leuten Stanton und Mark Andrews sowie dem Romancier Michael Chabon geschriebene Burroughs-Adaption nicht ohne Probleme aus. Die Humorversuche scheitern teils schon im Ansatz; gewisse Charaktere erweisen sich als inkonsistent; 3-D wäre nicht nötig gewesen; und der Schauplatz Mars wird seinem Potenzial nie ganz gerecht. Doch der Film versucht sich nicht an gestellter Plausibilität, sondern bleibt der Vorlage, entstanden in einer Zeit, in der Gedanken über interstellares Reisen noch wahrhaftig fantastisch waren, konsequent treu. Auch die Designs können sich sehen lassen, insbesondere die vierarmigen Tharks. Darüber hinaus erreicht die Titelfigur eine ungeahnte Tiefe. Sinnbildlich dafür steht sein Kampf gegen die wilden Artgenossen der Tharks – die beste Actionszene des Films –, der mit Johns Erinnerung an den gewaltsamen Tod seiner Frau verwoben wird – eine visuell wie emotional furiose Szene.

Auch wenn er in die eine oder andere Genre-Falle tappt, gelingt es John Carter überraschend gut, die Mythologie der Vorlage in einem 130-minütigen Film, bei dem vor allem die ausgezeichnete Schlussviertelstunde nachhallen wird, einigermassen flüssig zu erzählen. In der inzwischen auf Realismus getrimmten Kinowelt ist es erfrischend, eine Weltraum-Saga aus einer Zeit zu sehen, in der "Fiction" in Science-Fiction noch hochgehalten wurde.

★★★★

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