Donnerstag, 26. April 2012

Albert Nobbs

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Trotz zahlreicher Auszeichnungen und drei Oscarnominationen vermochte die neueste irische Grosspruduktion bisher weder Publikum noch Kritik zu überzeugen. Albert Nobbs, der gediegenen Adaption von George Moores Geschichte, fehlt es an Fokus und Stringenz.

Dublin im 19. Jahrhundert: Im Morrison's Hotel geben sich Vertreter der "besseren" Gesellschaft die Ehre. Unter dem Personal schätzen die Gäste vor allem einen: Albert Nobbs (Glenn Close, welche die Rolle 1982 schon auf der Bühne spielte), treuer Bediensteter in Mrs. Bakers (Pauline Collins) Etablissement. Jeder kennt ihn, jeder steckt ihm ein Trinkgeld zu. Doch der schüchterne Butler hat ein Geheimnis: Er ist eine Frau, die sich in jungen Jahren dazu entschloss, sich eine erfundene Identität anzueignen, um einer gut bezahlten Arbeit nachzugehen. Als der Maler Hubert Page (Janet McTeer) hinter ihr Geheimnis kommt und ihr offenbart, dass auch er eine Frau ist, freundet sich "Albert" mit ihr und ihrer Frau Cathleen (Bronagh Gallagher) an. Derweil verliebt sich das Zimmermädchen Helen (Mia Wasikowska) in den Handwerker Joe (Aaron Johnson), der sich nach Amerika absetzen will. Allerdings versucht nun auch Albert, um die junge Frau zu werben, sodass er sie heiraten und einen Tabakladen eröffnen kann, um endlich in Freiheit zu leben.

Man kann der Academy of Motion Picture Arts and Sciences vieles vorwerfen, doch bezüglich Albert Nobbs ist er ihr gelungen, den Film in den exakt richtigen Kategorien zu nominieren: Haupt- und Nebendarstellerin sowie Makeup. Dieses sind ohne Frage die grössten Stärken des Films von Rodrigo García (Mother and Child). Unterstützt von sehr dezenter Schminke, begeistern Glenn Close (Fatal Attraction, Dangerous Liaisons) und Janet McTeer (Tumbleweeds, Into the Storm) als Pragmatikerinnen, die sich in einer Gesellschaft, in welcher Geschlechterrollen von Garderobe und Gebaren abhängen, ein Stück Selbstbestimmung erarbeiten, sich dabei aber selber verleugnen müssen: "What's your name?" – "Albert" – "Your real name?" – "Albert". Dieser Dialog zwischen den beiden Frauen ist keine Stilisierung; nicht zuletzt das grandiose Schauspiel Closes und McTeers sorgt dafür, dass die beiden in Albert Nobbs in Frauenkleidern letztlich unnatürlich aussehen.

Albert (Glenn Close) wirbt um die Gunst der jungen Helen (Mia Wasikowska).
Unverständlicherweise gibt sich der Film aber nicht damit zufrieden, sich auf das Zusammenspiel der beiden verkleideten Frauen und die damit verbundenen Themen – Emanzipation, Identität, Homosexualität, Freiheitsbegriff – zu konzentrieren. García, der den ursprünglich für die Regie vorgesehenen István Szabó ersetzte, sowie die Drehbuchautoren Close und der irische Autor John Banville jonglieren mit zu vielen Motiven und Nebenplots, wodurch die Erzählung ihre Prägnanz verliert. Vor allem die Liebesgeschichte zwischen Joe und Helen kann nicht überzeugen, wohl auch weil Aaron Johnson und Mia Wasikowska, obgleich solide, von ihren älteren Kollegen – Close, McTeer und auch Brendan Gleeson – an die Wand gespielt werden. Darüber hinaus scheint sich Albert Nobbs nie richtig sicher zu sein, welchen Tonfall angeschlagen werden soll. Das Resultat ist eine Tragikomödie, die Tragödie und Komödie nie harmonisch miteinander vereinen kann, schön veranschaulicht vom bemühten Ende, das vielem zuwiderläuft, was in den vorangegangenen zwei Stunden aufgebaut wurde.

★★★

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