Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Timo Vuorensolas Kinodebüt Iron Sky hat schon lange vor der
Premiere an der diesjährigen Berlinale für Aufsehen gesorgt. Das
Konzept – Nazis vom Mond – eckte an, empörte, belustigte, fachte
die Vorfreude an. Nun ist der Film im Kino zu sehen. Gewitzt? Ja.
Überzeugend? Nein.
Hätte er das Budget gehabt, wäre die Ikone des B-Movies,
Trash-Regisseur Edward D. Wood Jr., kurz Ed Wood (Plan 9 from
Outer Space), womöglich selbst auf eine derartige Idee gekommen:
Abgesandte der NSDAP flohen kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges
mittels selbst hergestellter fliegender Untertassen auf die dunkle
Seite des Mondes, wo sie seither die Rückeroberung der Erde planen.
73 Jahre nach dem Exodus ist es soweit. Als ein afroamerikanischer
Astronaut auf einer Mondmission, deren Ziel es unter anderem ist, der
US-Präsidentin (Stephanie Paul als Sarah-Palin-Verschnitt) die
Wiederwahl zu sichern, auf eine Anlage der Nazis treffen, nimmt das
Unheil seinen Lauf: Der neue Führer, Wolfgang Kortzfleisch (der
deutsche Kultschauspieler Udo Kier), lässt den hinterhältigen
Offizier Klaus Adler (Götz Otto) zur Erde reisen. Mit dabei bei der
Erkundungsmission ist dessen von der nationalsozialistischen "Friedensideologie" überzeugte Freundin Renate (Julia Dietze).
Im Komödiengenre sind Nazis schon seit Jahrzehnten Freiwild, ihre
Persiflage hat Tradition. Während der Vierziger- und Fünfzigerjahre
konnte sich praktisch jeder Darsteller deutscher Herkunft sein Geld
mit dem Mimen simpel gestrickter SS- und Gestapo-Schergen verdienen;
die passenden Drehbücher dazu wurden nicht selten von – welch
Ironie – Juden verfasst. Vor allem der Hamburger Sig Ruman machte
sich in diesen Rollen einen Namen; unvergessen seine Auftritte als
Johann Sebastian Schulz in Billy Wilders Stalag 17 (1953) oder
als Colonel "Concentration Camp" Ehrhardt in Ernst Lubitschs To
Be or Not to Be (1942). Dementsprechend wirkt die Kritik, Iron
Sky sei geschmacklos und anstössig, fast ein wenig lächerlich,
besonders da es dem Film ganz anderes anzukreiden gibt. Vuorensola
ist weder Lubitsch noch Wilder, Götz Otto ist nicht Ruman. Die
Witze, die hier mit den Nazis getrieben werden, sind eher von der
fantasielosen Seite und erschöpfen sich in teutonisch-zackiger
Diktion und schneidiger Haltung sowie einer übersteigerten
Obrigkeitshörigkeit, die man auch schon origineller umgesetzt
gesehen hat.
Die Mondnazis Klaus (Götz Otto, rechts) und Renate (Julia Dietze)
erkunden die Erde mithilfe eines entführten Astronauten (Christopher
Kirby).
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Auch die Slapstick-Einlagen und One-Liner wollen Vuorensola nicht so
richtig gelingen: Die ersten 40 Minuten von Iron Sky erschöpfen
sich in abgedroschenen Linien und dürftig getimter Bewegungskomödie.
Überraschenderweise sind die Witze dann am besten, wenn sich der
Streifen auf der satirischen Schiene bewegt und die amerikanische
Kriegspolitik ("The Nazis?! They're the only ones we've ever beaten
in a fair fight!"), den nordkoreanischen Grössenwahn oder die fast
schon ermüdende Friedfertigkeit Finnlands, seines Herkunftslandes,
verspottet. Die Szenen im UNO-Konferenzraum, welche unübersehbar
Stanley Kubricks Dr. Strangelove evozieren, bilden zweifellos
die Highlights des Films.
In seinen stärksten Momenten ist Iron Sky ein mit
funktionierender Politsatire vermischtes Stück urkomischen Blödsinns
im allerbesten Sinne. In seinen schwächsten kommt er nicht über das
Niveau einer schwachen Hit-and-Miss-Komödie hinaus. Ein Kinobesuch
lohnt sich aber dennoch – und sei es wegen der haarsträubend
grotesken Grundidee.
★★★
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