Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.
Mit einem für ihn ungewöhnlichen Projekt meldet sich Luc Besson im
grossen Stil als Regisseur zurück. Im mit grosser Begeisterung
vorgetragenen Biopic The Lady verneigt er sich vor der
burmesischen Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi.
Zu den ersten Lektionen, welche ein angehender Filmemacher lernen
muss, gehört, dass ein durch ein Objektiv betrachteter Gegenstand
aufhört, der Realität anzugehören. Dies hat sich Luc Besson in
seiner nun schon 31 Jahre währenden Karriere stets zu Herzen
genommen und immer gekonnt mit Überzeichnung und -stilisierung
operiert, mal erfolgreich, mal weniger. Es überrascht demnach also
nicht, dass er The Lady nicht als rundum wahre Geschichte
verkauft – trotz akribischer Recherche, einschliesslich eines
Gesprächs mit Aung San Suu Kyi –, sondern vielmehr als "based on
a true story". Trotzdem: Die Kerninformationen, die der Film in
kurzweiligen 135 Minuten darlegt, sind sehr akkurat.
Suu Kyi (Michelle Yeoh), Tochter des burmesischen Freiheitskämpfers
und Staatsgründers Aung San (1915–1947), lebte viele Jahre mit
ihrem Mann Michael (der hervorragende David Thewlis) und ihren Söhnen
im englischen Oxford. Als ihre Mutter 1988 einen Schlaganfall
erleidet, reist sie in ihr Heimatland zurück, wo sie mitansehen
muss, wie ein Studentenaufstand blutig niedergeschlagen wird. Sie
beschliesst, ihr Leben der Demokratiebewegung ihres Landes zu widmen,
was ihr zwar unter anderem den Friedensnobelpreis einbringt, sie aber
auch zum Feindbild der Militärjunta unter General Than Shwe (Agga
Poechit) macht, welche sie mehrfach unter Hausarrest stellt und ihrer
Familie die Einreise verwehrt.
Ruhiger Widerstand: Eine Wahlkampfveranstaltung Aung San Suu Kyis
(Michelle Yeoh) wird vom burmesischen Militär gestört.
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Während sich die Frauen in Bessons bisheriger Filmografie nicht
selten durch einen ausgesprochenen Hang zur Brutalität hervortaten –
von Anne Parillauds Nikita über Natalie Portman in Léon
bis hin zu Milla Jovovichs Jeanne d'Arc –, ist Suu Kyi eine
stille Kämpferin, die mit eiserner Disziplin für ihre Sache
einsteht. Dass dabei ganz bewusst Parallelen zum Leben Mahatma
Gandhis gezogen werden, ist angesichts ihrer beeindruckenden
Leistungen absolut folgerichtig. Dennoch wirkt das Ganze stellenweise
etwas gar pathetisch, sodass einen mehrfach das Gefühl beschleicht,
man wohne weniger einem Biopic und mehr einer Hagiografie bei. Zudem
macht sich Besson des Vergehens schuldig, gewisse Elemente seiner
Geschichte, welche schlussendlich eher stoppt statt endet, zu stark
zu vereinfachen, wobei sich auch sein Flair für die Stilisierung
bemerkbar macht. Aung Sans Ermordung wird zur elegant komponierten
Stilübung; und Than Shwe wird zum korrupten Bösewicht im Stile von
Gary Oldmans Stansfield (Léon).
Suu Kyi jedoch bleibt so natürlich, wie es das von hölzernen
Dialogen durchsetzte Drehbuch erlaubt, nicht zuletzt dank Michelle
Yeohs Darstellung. Zwar tut sich die Malaiin, die hier in die
Fussstapfen Adelle Lutz' tritt, welche die Friedensnobelpreisträgerin
bereits 1995 in John Boormans Beyond Rangoon verkörperte, in
den Passagen auf Burmesisch schwer, doch es gelingt ihr vorzüglich,
ihrer Figur die Strahlkraft der Realvorlage zu verleihen.
The
Lady hätte womöglich besser funktioniert, wäre er einige Monate
später erschienen, da er dann den grossen Sieg der Partei Suu Kyis
bei den Nachwahlen in Burma hätte beinhalten können. So aber ist
Bessons 14. Film ein unvollkommenes, aber durchaus anregendes, Biopic
und obendrein sein bestes Werk seit Jahren.
★★★
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