Nicht einmal ein halbes Jahr ist seit Arthur Christmas, dem
letzten Langspielfilm von Aardman Animations, vergangen, schon findet
der nächste seinen Weg in die Kinos. Nicht nur ist The Pirates!
In an Adventure with Scientists die erst die zweite 3-D-Produktion und die
erste Literaturadaption des Studios aus dem englischen Bristol –
als Vorlage dienten zwei Werke aus Gideon Defoes The
Pirates!-Serie –, der Film markiert auch Aardmans Rückkehr zur
klassischen Stop-Motion-Technik, welche hier erstmals seit Wallace
& Gromit: The Curse of the Were-Rabbit (2005) wieder zum
Einsatz kommt. Wer die Macher von Creature Comforts, Rex
the Runt und Wallace
and Gromit kennt und
liebt, wird auch an The
Pirates! seine helle
Freude haben.
1837. Die Welt gehört zu grossen Teilen der englischen Königin
Victoria (Stimme: Imelda Staunton); sie steht an der Spitze eines
Reiches, in welchem die Sonne niemals untergeht. Doch in der Karibik
tummeln sich nach wie vor blutrünstige Piraten, welche der Monarchin
ein Dorn im Auge sind. Einer davon ist Pirate Captain (Hugh Grant),
der zurzeit nicht gerade vom Glück verfolgt ist. Mit seiner Crew –
keiner davon mit Namen – segelt er von Misserfolg zu Misserfolg.
Auf der Suche nach Gold und Edelsteinen entert die Bande zwar ein
Schiff nach dem andern, doch die Opfer sind Schulklassen, Aussätzige
und Geister – allesamt mittellos. Dabei braucht der Pirate Captain
dringend ein Erfolgserlebnis, um den begehrten "Pirate of the
Year Award" zu gewinnen und seine erfolgreichen Konkurrenten
Cutlass Liz (Salma Hayek) und Black Bellamy (Jeremy Piven)
auszustechen. Bei einem weiteren Fehlschlag liest die Mannschaft den
Wissenschaftler Charles Darwin (David Tennant) auf, der den etwas zu
dick geratenenen Papagei des Pirate Captain als Dodo identifiziert –
den letzten seiner Art. Er erklärt seinem Entführer, dass diese
Entdeckung bei der jährlichen Wissenschaftsmesse in London einiges
wert wäre. Doch in der Hauptstadt der englischen Königreiches
residiert auch die Piratenhasserin Victoria...
Die berüchtigte (?) Piratenbande unter der Führung von Pirate Captain (Hugh Grant, rechts). |
Es ist eine altbekannte Tatsache,
dass Kinder Piraten mögen. So erfreut sich vor allem die Pirates
of the Caribbean-Franchise,
trotz ihrer PG-13-Altersfreigabe, bei den jüngeren Zuschauern
grosser Beliebtheit. Insofern ist es abzusehen, dass auch Aardmans
neuester Streich – dank des Themas und des guten Rufs,
kindergerechte Filme zu produzieren – zu einem Hit werden wird.
Zudem hat sich gerade Aardman in der Vergangenheit dadurch
hervorgetan, die Kleinen wie die Grossen zu unterhalten. Entsprechend
überraschend ist es also, dass die grösste Schwäche von The
Pirates! darin liegt,
"erwachsenen" und auf Kinder zugeschnittenen Humor
zusammenzuführen. So muten die eher für Kinogänger unter zehn
Jahren vorgesehenen Witze stellenweise etwas gar plump an –
Stichwort: "Yo" –, was in starkem Kontrast zum
komödiantischen Tonfall, dessen britisch-pythoneske Absurdität den
Film ansonsten prägt, steht.
Dies ist aber ein Einwand auf
höchstem Niveau, da sich der von Aardman-Mitbegründer Peter Lord
inszenierte und vom Buchautor Defoe selbst geschriebene Film durch
eine besonders zu Beginn nicht abreissen wollende Kette von
hervorragenden Gags – von Slapstick à la Laurel und Hardy bis hin
zu hintergründigem, feinem Wortwitz ist alles vorhanden –
auszeichnet. Seien es nun die "Namen" der Piraten (The
Pirate Who Likes Kittens and Sunsets, The Surprisingly Curvaceous
Pirate...), die abseitigen Kleinigkeiten, die es zu entdecken gibt,
oder Charles Darwins herrlicher Affenbutler Bobo – The
Pirates! ist ein
einziges humoristisches Sperrfeuer. Die Technik ist bekannt: Ganz im
Stile von Monty Python wird der Zuschauer mit jedem erdenklichen Witz
bombardiert; dass dabei nicht alle ins Schwarze treffen, ist nur
logisch. Darob kommt allerdings die Geschichte hin und wieder etwas
zu kurz, besonders in den letzten zwanzig Minuten, in denen die
Action das Kommando übernimmt, was aber aufgrund der wie gewohnt
herausragenden Knet-Designs und der dazugehörigen Animation kaum
stört. Darüber hinaus übertraf sich Aardman in Sachen Casting der
Stimmschauspieler wieder einmal selbst. Man mag sich Hugh Grant nicht
als bärtigen Seeräuber vorstellen können, doch in The
Pirates! beweist er,
dass er zumindest stimmlich dazu in der Lage ist. Sein Pirate Captain
bewegt sich irgendwo zwischen seinen Rollen in About
a Boy und Four
Weddings and a Funeral,
angereichert durch einen unwiderstehlichen Piratencharme. In der
Nebenrolle des Pirate with Gout wiederum glänzt Brendan Gleeson mit
seinem unverwechselbarem irischen Dialekt.
Charles Darwin (David Tennant) erkennt Schiffsmaskottchen Polly als Dodo – auf zur Wissenschaftsmesse nach London! |
The
Pirates! In an Adventure with Scientists
mag etwas die Schlagkraft von Aardman-Meisterstücken wie Chicken
Run oder
Wallace &
Gromit: The Curse of the Were-Rabbit vermissen
lassen, übertrifft aber mühelos den allzu braven Flushed
Away,
dank
überwiegend erstklassigen Humors, toller Stop-Motion-Animation und
stets überraschender Ideen – etwa derjenigen, den Soundtrack mit
The Pogues, The Clash und Flight of the Conchords (!) zu bestücken.
Ist man auf der Suche nach einem guten Piratenfilm, dann kann man
Pirates of the
Caribbean getrost
links liegen lassen und sich das neueste Knetabenteuer von Peter Lord
und Co. ansehen. Arrrr!
★★★★
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