Samstag, 7. April 2012

The Pirates! In an Adventure with Scientists

Nicht einmal ein halbes Jahr ist seit Arthur Christmas, dem letzten Langspielfilm von Aardman Animations, vergangen, schon findet der nächste seinen Weg in die Kinos. Nicht nur ist The Pirates! In an Adventure with Scientists die erst die zweite 3-D-Produktion und die erste Literaturadaption des Studios aus dem englischen Bristol – als Vorlage dienten zwei Werke aus Gideon Defoes The Pirates!-Serie –, der Film markiert auch Aardmans Rückkehr zur klassischen Stop-Motion-Technik, welche hier erstmals seit Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit (2005) wieder zum Einsatz kommt. Wer die Macher von Creature Comforts, Rex the Runt und Wallace and Gromit kennt und liebt, wird auch an The Pirates! seine helle Freude haben.

1837. Die Welt gehört zu grossen Teilen der englischen Königin Victoria (Stimme: Imelda Staunton); sie steht an der Spitze eines Reiches, in welchem die Sonne niemals untergeht. Doch in der Karibik tummeln sich nach wie vor blutrünstige Piraten, welche der Monarchin ein Dorn im Auge sind. Einer davon ist Pirate Captain (Hugh Grant), der zurzeit nicht gerade vom Glück verfolgt ist. Mit seiner Crew – keiner davon mit Namen – segelt er von Misserfolg zu Misserfolg. Auf der Suche nach Gold und Edelsteinen entert die Bande zwar ein Schiff nach dem andern, doch die Opfer sind Schulklassen, Aussätzige und Geister – allesamt mittellos. Dabei braucht der Pirate Captain dringend ein Erfolgserlebnis, um den begehrten "Pirate of the Year Award" zu gewinnen und seine erfolgreichen Konkurrenten Cutlass Liz (Salma Hayek) und Black Bellamy (Jeremy Piven) auszustechen. Bei einem weiteren Fehlschlag liest die Mannschaft den Wissenschaftler Charles Darwin (David Tennant) auf, der den etwas zu dick geratenenen Papagei des Pirate Captain als Dodo identifiziert – den letzten seiner Art. Er erklärt seinem Entführer, dass diese Entdeckung bei der jährlichen Wissenschaftsmesse in London einiges wert wäre. Doch in der Hauptstadt der englischen Königreiches residiert auch die Piratenhasserin Victoria...

Die berüchtigte (?) Piratenbande unter der Führung von Pirate Captain (Hugh Grant, rechts).
Es ist eine altbekannte Tatsache, dass Kinder Piraten mögen. So erfreut sich vor allem die Pirates of the Caribbean-Franchise, trotz ihrer PG-13-Altersfreigabe, bei den jüngeren Zuschauern grosser Beliebtheit. Insofern ist es abzusehen, dass auch Aardmans neuester Streich – dank des Themas und des guten Rufs, kindergerechte Filme zu produzieren – zu einem Hit werden wird. Zudem hat sich gerade Aardman in der Vergangenheit dadurch hervorgetan, die Kleinen wie die Grossen zu unterhalten. Entsprechend überraschend ist es also, dass die grösste Schwäche von The Pirates! darin liegt, "erwachsenen" und auf Kinder zugeschnittenen Humor zusammenzuführen. So muten die eher für Kinogänger unter zehn Jahren vorgesehenen Witze stellenweise etwas gar plump an – Stichwort: "Yo" –, was in starkem Kontrast zum komödiantischen Tonfall, dessen britisch-pythoneske Absurdität den Film ansonsten prägt, steht.

Dies ist aber ein Einwand auf höchstem Niveau, da sich der von Aardman-Mitbegründer Peter Lord inszenierte und vom Buchautor Defoe selbst geschriebene Film durch eine besonders zu Beginn nicht abreissen wollende Kette von hervorragenden Gags – von Slapstick à la Laurel und Hardy bis hin zu hintergründigem, feinem Wortwitz ist alles vorhanden – auszeichnet. Seien es nun die "Namen" der Piraten (The Pirate Who Likes Kittens and Sunsets, The Surprisingly Curvaceous Pirate...), die abseitigen Kleinigkeiten, die es zu entdecken gibt, oder Charles Darwins herrlicher Affenbutler Bobo – The Pirates! ist ein einziges humoristisches Sperrfeuer. Die Technik ist bekannt: Ganz im Stile von Monty Python wird der Zuschauer mit jedem erdenklichen Witz bombardiert; dass dabei nicht alle ins Schwarze treffen, ist nur logisch. Darob kommt allerdings die Geschichte hin und wieder etwas zu kurz, besonders in den letzten zwanzig Minuten, in denen die Action das Kommando übernimmt, was aber aufgrund der wie gewohnt herausragenden Knet-Designs und der dazugehörigen Animation kaum stört. Darüber hinaus übertraf sich Aardman in Sachen Casting der Stimmschauspieler wieder einmal selbst. Man mag sich Hugh Grant nicht als bärtigen Seeräuber vorstellen können, doch in The Pirates! beweist er, dass er zumindest stimmlich dazu in der Lage ist. Sein Pirate Captain bewegt sich irgendwo zwischen seinen Rollen in About a Boy und Four Weddings and a Funeral, angereichert durch einen unwiderstehlichen Piratencharme. In der Nebenrolle des Pirate with Gout wiederum glänzt Brendan Gleeson mit seinem unverwechselbarem irischen Dialekt.

Charles Darwin (David Tennant) erkennt Schiffsmaskottchen Polly als Dodo – auf zur Wissenschaftsmesse nach London!
The Pirates! In an Adventure with Scientists mag etwas die Schlagkraft von Aardman-Meisterstücken wie Chicken Run oder Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit vermissen lassen, übertrifft aber mühelos den allzu braven Flushed Away, dank überwiegend erstklassigen Humors, toller Stop-Motion-Animation und stets überraschender Ideen – etwa derjenigen, den Soundtrack mit The Pogues, The Clash und Flight of the Conchords (!) zu bestücken. Ist man auf der Suche nach einem guten Piratenfilm, dann kann man Pirates of the Caribbean getrost links liegen lassen und sich das neueste Knetabenteuer von Peter Lord und Co. ansehen. Arrrr!

★★★★

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